Tagung zu "Christinnen am rechten Rand"

Religiosität und Pegida - geht das zusammen?

Teilnehmer einer Veranstaltung der Pegida demonstrieren in Dresden
Christen für Pegida: Auch das gibt es im postfaktischen Zeitalter © picture alliance/dpa/Arno Burgi
Christine Böckmann im Gespräch mit Dieter Kassel · 06.02.2017
Der Konvent Evangelischer Theologinnen beschäftigt sich derzeit auf seiner Jahrestagung mit "Christinnen am rechten Rand". Christine Böckmann vom Verein "Miteinander" sagt, die Kirche reagiere unsicher auf rechtes Gedankengut in den eigenen Reihen.
Nach außen haben sich die Kirchen in öffentlichen Verlautbarungen klar zu Pegida und der AfD abgegrenzt. Nach innen hin ist das Verhältnis zu Christen, die zum rechten Rand tendieren, schwieriger zu bestimmen. Der Konvent Evangelischer Theologinnen spürt deswegen derzeit auf seiner Jahrestagung den "Christinnen am rechten Rand" nach. Die Leitfragen: "Wie kann es sein, dass Ängste die wesentlichen Zusagen unseres Glaubens in Frage stellen können? Wie kann es sein, dass die Sorge um das eigene Leben stärker wird als die Prägekraft des christlichen Menschenbildes?"
Antworten ergeben sich nicht von selbst. Zum Teil würden rechte Einstellungen sogar direkt mit dem Glauben begründet, sagt Christine Böckmann vom Verein "Miteinander", die auf dem Konvent das einleitende Referat zum Thema hält. Da sei dann von der Nächstenliebe und zugleich der "Fernstenliebe" die Rede - und die Nächstenliebe müsse erst einmal den Deutschen zugute kommen, Flüchtlinge sollten deswegen zurückgeschickt werden.
Laut Böckmann gibt es in beiden Kirchen auch Pfarrer, die rassistische Einstellungen verbreiten. Für das rechte Gedankengut innerhalb der eigenen Mauern sei das innerkirchliche Bewusstsein in den letzten Jahren langsam gewachsen, betonte sie im Deutschlandradio Kultur. Dennoch attestiert sie ihren Glaubensbrüdern und -schwestern auch noch viel Unsicherheit im Umgang mit dem Thema. Dieser habe etwas von "Ich bin mir unsicher, wie ich da reagiere, und dann bin ich lieber still." (ahe)


Das Gespräch im Wortlaut:

Dieter Kassel: Die großen Kirchen in Deutschland lehnen die Positionen der AfD geschlossen ab und umgekehrt kritisiert die AfD regelmäßig die Rolle und die Positionen der Kirchen in Deutschland, aber das ist die große, die offizielle Ebene. Im Alltag ist die Abgrenzung zwischen Christen und Rechtspopulisten oft keineswegs so deutlich. Das Thema der Jahrestagung des Konvents Evangelischer Theologinnen, die heute, morgen und übermorgen in Thüringen stattfindet, das Thema ist daher "Christinnen am rechten Rand", und Christine Böckmann vom Verein Miteinander, einem Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt, die wird dort heute Vormittag ein Referat zu diesem Thema halten. Schönen guten Morgen, Frau Böckmann!
Christine Böckmann: Guten Morgen!
Kassel: Was veranlasst denn Christen – und darum geht es ja nun auf dieser Veranstaltung – und vor allem auch Christinnen dazu, sich mit rechtem Gedankengut zu identifizieren.
Böckmann: Christinnen und Christen beschäftigen sich insgesamt mit den Themen, die auch die Gesellschaft bewegen, und der rechte Rand ist einerseits ein Thema, was die Gesellschaft bewegt und andererseits ein Thema, was auch etwas mit uns selber zu tun hat, denn wir sind ja auch Teil des Problems.
Kassel: Sie haben gerade gesagt, wir sind ja auch Teil des Problems. Das verstehe ich nicht ganz. Wen meinen Sie da mit wir – Christinnen oder uns alle?
Böckmann: Ich meinte da jetzt genau wir Christinnen, weil es geht ja um die Christinnen am rechten Rand, und es gibt beim Christentum, ähnlich wie in anderen Gruppen der Gesellschaft, Menschen in allen Bereichen des politischen Spektrums, und daher gibt es auch Christinnen und Christen, die AfD wählen, die in rechten Gruppierungen mit dabei sind.
Kassel: Versuchen die denn dann eigentlich, ihre Weltanschauung irgendwie tatsächlich in Einklang zu bringen mit ihrem Glauben? Gibt es einen direkten Zusammenhang?

Neben die Nächstenliebe wird die "Fernstenliebe" gestellt

Böckmann: Ja, teilweise wird das sogar aus dem Glauben begründet dann. Also ich bewege mich immer mal wieder auch in so Kommentarspalten von sozialen Netzwerken, wo man sehr gut auch mit diesen Leuten diskutieren kann, und da wird zum Beispiel gesagt, es gibt eine Nächstenliebe, und dann gibt es auch eine Fernstenliebe, und unsere Nächstenliebe muss sich erst mit den Deutschen beschäftigen oder den Menschen bei uns, und deswegen müssten wir aus unserer christlichen Nächstenliebe heraus zum Beispiel Flüchtlinge in ihr Heimatland zurückschicken.
Kassel: Kommt man denn an Menschen, oder kommen Sie auch in Ihrer alltäglichen Arbeit an Menschen mit so einem Weltbild noch heran?
Böckmann: Ich mache auch Bildungsarbeit mit sehr unterschiedlichen Menschen, und da kommen wir ganz gut an Menschen heran, weil sie zum Teil gar nicht so fern sind von uns. In jeder Veranstaltung kennt jemand irgendjemanden, der in der eigenen Familie, in der eigenen Kirchengemeinde, im eigenen Arbeitsumfeld auch rassistische Einstellungen zum Beispiel äußert.
Kassel: Aber was macht man dann? Klar, man redet und sagt, das kann doch nicht sein, was du gerade gesagt hast, das ist doch nicht wahr, aber kommt man damit wirklich weiter?
Böckmann: Zum Teil kommt man damit weiter, wenn Menschen offen sind für Diskussionen. Das ist so gerade das, was mich da bei den sozialen Netzwerken auch beschäftigt, und das geht natürlich wesentlich einfacher auf Plattformen, die einerseits Moderationen machen oder zum Beispiel in Kirchengemeinden, wo sich Menschen kennen.

Angst vor der Islamisierung in Magdeburg

Bei Menschen, bei denen ich wirklich im persönlichen Kontakt bin, frage ich ganz häufig nach und versuche aus dem, was sie sagen, rauszufiltern, was sind wirklich die Fragen, die sie bewegen. Wenn jetzt hier Menschen vor einer Islamisierung in Magdeburg Angst haben, frage ich, welche Erfahrungen macht ihr, wo macht sich das fest? Also es ist weniger Erzählen von Fakten als ein Nachfragen und erst mal die Position der anderen Person zu verstehen, bevor ich dann mit meiner Perspektive kommen kann.
Ein Besucher einer Wahlveranstaltung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) trägt eine Kette mit einem Kreuz und ein blaues T-Shirt mit dem Logo der AfD.
Kirche und AfD - wie passt das zusammen?© imago stock&people
Kassel: Verstehen Sie denn, wie Menschen zu solchen Ansichten kommen?
Böckmann: Sehr unterschiedlich. Sagen wir es so: Ich verstehe, dass Menschen verunsichert sind, wenn sich Gesellschaften auch verändern. Wir merken das ja hier in Ostdeutschland wahrscheinlich stärker als im Westen, dass auch mit der Anzahl von Flüchtlingen die Innenstädte sich verändern, andere Menschen auch sichtbar werden und woran Menschen sich gewöhnen müssen oder dass sich Gesellschaft hier überhaupt mit der Wende verändert hat, Arbeitsplätze weggebrochen sind. Die Finanzkrise hat eine große Unsicherheit geschafft.
Ich verstehe, dass Menschen da nach Orientierung suchen und nach Halt suchen, und natürlich ist es immer einfacher, wenn Menschen einfache Antworten geben, als wenn eine andere Seite des politischen Spektrums sagen muss, ja, wir verstehen dein Problem, aber wir müssen jetzt differenzieren, und so einfach lässt sich die Welt nicht erklären.
Kassel: Das ist manchmal vielleicht auch ein Problem vielleicht nicht in Magdeburg selber, aber im Umland, in den ländlichen Gebieten, dass die anderen, die die Welt anders erklären könnten, gar nicht da sind – SPD, Grüne, FDP, vielleicht selbst die Linke kaum noch in den Dörfern präsent und die AfD aber manchmal schon?

Der Rassismus ist unterschwellig präsent

Böckmann: Das ist in den ländlichen Gebieten, glaube ich, stärker ein Problem, aber ich merke das auch hier in den Städten, und wir diskutieren ja immer auch über diese sogenannten Filterblasen – wo sind wir denn auch präsent und wo führen wir diese Diskussionen. Also ich hatte auch Kontakt mal mit einer Kirchengemeinde, die erzählten, dass das Thema unterschwellig immer schon präsent ist, aber niemand es wagt, irgendwie eine Diskussion dann zu führen und das Thema aufzugreifen, und wenn dann diejenigen, die rassistische Parolen äußern, keinen Widerspruch bekommen, wird es schwer für Leute, die unsicher sind, da eine andere Position zu finden.
Kassel: Das heißt, zumindest – wir wollen ja nicht pauschalisieren –, aber zumindest in Teilen der Kirche ist kein richtiges Bewusstsein für dieses Problem da oder ist es eher regelrecht so ein bisschen Feigheit, zu sagen, ich will diese Art von Auseinandersetzung nicht.
Böckmann: Also es ist ein langsam wachsendes Bewusstsein, wo ich jetzt über die Jahre sagen würde, das wird schon besser, und dass Tagungen, sagen wir, sich beschäftigen mit dem Thema, ist ein Zeichen dafür, dass da ein Bewusstsein wächst, und es hat auch was von – Feigheit ist so bewertend –, aber es hat was von, ich bin mir unsicher, wie ich da reagiere, und dann bin ich lieber still.
Kassel: Gibt es denn tatsächlich einen Unterschied in diesem Zusammenhang zwischen den Geschlechtern?
Böckmann: Das ist schwer zu messen. Es gibt insgesamt relativ wenig Daten, nach denen wir sagen können, das sind jetzt so und so viel Menschen, Christinnen oder Christen wählen jetzt da die AfD. Eine Wahlentscheidung ist ja immer auch anonym.
Kassel: Glauben Sie, es gibt auch rechtsradikale Pfarrerinnen und Pfarrer?

Auch einige Pfarrer denken rechts

Böckmann: Es gibt eindeutig auch Pfarrerinnen und Pfarrer in beiden Kirchen, die rassistische Einstellungen haben. Manchmal geht es ja auch durch die Medien. Wir hatten in der katholischen Kirche mal einen Fall, wo ein Pfarrer dann ein Predigtverbot bekommen hat. Wir hatten auch schon Theologinnen- und Theologenreden bei Pegida-Demonstrationen oder Ablegern. Ja, das ist auch ein Problem in der Kirche.
Kassel: Fazit: Reden und auch Dinge machen selbst dann, wenn man manchmal – das haben Sie doch bestimmt auch in Ihrer Arbeit - manchmal das Gefühl hat, es bringt nichts, trotzdem weitermachen, oder?
Böckmann: Ja, auf jeden Fall trotzdem weitermachen und sich Unterstützung suchen und gemeinsam agieren. Also totschweigen hilft uns allen nicht.
Kassel: Christine Böckmann vom Verein Miteinander: Netzwerk für Demokratie und Weltoffenheit, Sachsen-Anhalt, über Christinnen am rechten Rand. Ihr Thema und vor allen Dingen das Thema der diesjährigen Jahrestagung des Konvents Evangelischer Theologinnen heute, morgen und übermorgen bei Erfurt. Frau Böckmann, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!
Böckmann: Bitte sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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