Tänzer und Choreograph Raphael Moussa Hillebrand

"Ich bin ein Breaker!"

33:27 Minuten
Ein junger Mann mit Basecap steht auf einer Straße und lacht in die Kamera.
Raphael Moussa Hillebrand ist der erste urbane Tänzer, der im vergangenen Jahr mit dem Deutschen Tanzpreis ausgezeichnet worden ist, © Frank Joung
Moderation: Britta Bürger |
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Der Hip-Hop-Aktivist Raphael Moussa Hillebrand prangert Rassismus an. In der Tanzszene, in der er seit vielen Jahren verwurzelt ist, und in der Politik. Weil er keine Partei fand, die ihn repräsentiert, gründete er seine eigene: Die Urbane.
Ihre Bühne ist die Straße, ihre Musik: Hip-Hop, Funk. Ihr Tanz: atemberaubend. Sie wirbeln mit ihren Körpern wie ein Kreisel über den Boden, vollführen unglaubliche Figuren: Breakdancer. Einer von ihnen ist Raphael Moussa Hillebrand. "Ich bin ein Breaker!", sagt er mit hörbarem Stolz.


Und er ist preisgekrönt: Hillebrand ist der erste urbane Tänzer, der im vergangenen Jahr mit dem Deutschen Tanzpreis ausgezeichnet worden ist, in der Kategorie herausragende künstlerische Entwicklungen im Tanz. Breaken, so die Selbstbezeichnung der Künstler, ist für den 39-jährigen Choreografen mehr als Tanz – es ist Selbstermächtigung und Lebensinhalt. Auch eine Art Überlebenstraining, um so manche negative Erfahrung bewältigen zu können.

"Die Vielfalt an Kultur ist das Rückgrat unserer Gesellschaft"

Geboren ist Raphael Moussa Hillebrand als Sohn einer weißen Deutschen und eines Maliers in Hongkong. Schon damals lernt er die Vielfalt der Kulturen kennen. "Es wurde Englisch gesprochen, es wurde Kantonesisch gesprochen, es wurde Mandarin gesprochen. Unsere Nachbarn waren Italiener:innen. Heute sage ich: Die Vielfalt an Kultur ist das Rückgrat unserer Gesellschaft."
Als er drei Jahre alt ist, zieht die Mutter mit ihm nach Berlin; er erfährt früh Rassismus und Ablehnung.
"Aufgrund dessen, dass ich Schwarz bin, wurde ich ausgegrenzt, sowohl in der Schule als auch teilweise im Alltag. Und die Hip-Hop-Community ist halt ein Ort, wo diese Sachen weniger eine Rolle spielen oder vielleicht sogar noch eher zusammenschweißen. Und sie hat uns von dem Prinzip ´each one teach one` die Möglichkeit gegeben, uns selbst zu ermächtigen und selbst was beizubringen, woraufhin uns die Allgemeinheit respektiert hat.
Und dieses Empowerment war der Schlüssel für mich als Teenager, um aus einer Lethargie rauszukommen und wirklich in das Gefühl reinzukommen: Ich kann über meinen eigenen Körper bestimmen und vielleicht sogar über mein eigenes Leben."
Diese Erfahrung vermittelt Raphael Moussa Hillebrand seit nunmehr fast 20 Jahren international als Choreograf, Regisseur, Kurator und Dozent.

Auf der Suche nach den familiären Wurzeln

Seinen inzwischen verstorbenen Vater hat Raphael Moussa Hillebrand nie kennengelernt. "Meine Mutter hatte mir nie den Namen meines Vaters genannt." Vor zwei Jahren, Raphael ist bereits 37 Jahre, drängt er die Mutter, ihn endlich aufzuklären. Er macht seine Familie in Mali ausfindig, 2021 treffen sie sich erstmals.
"Ich habe meine Oma getroffen, meine Schwester, meine zwei Brüder, meine Onkels, Cousins, Cousinen, Neffen und Nichten. Es war wunderschön, und das sind großartige Menschen."

Die Partei "Die Urbane"

Seine Erfahrungen mit Rassismus, auch strukturellem Rassismus, bewegen Raphael Moussa Hillebrand dazu, eine eigene Partei zu gründen "Die Urbane"; sie tritt im September erstmals in einigen Bundesländern zur Bundestagswahl an. Sein Ziel:
"Wir wollen von den marginalisierten Menschen ausgehen, die jetzt benachteiligt werden. Die jetzt leiden, zum Beispiel unter der Klimakatastrophe. Wir wollen eine dekoloniale Klimagerechtigkeit. Das ist das, was wir hinbekommen wollen: Eine Gesellschaft schaffen, die nicht mehr von Integration spricht, sondern die versteht, dass kulturelle Vielfalt die Selbstverständlichkeit ist."
(sus)
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