US-Tanzstar Bill "Bojangles" Robinson

Geliebt und doch diskriminiert

07:12 Minuten
Bill Robinson und Shirley Temple stehen auf einer Treppe vor einem Haus
Seine Tanzkünste machten Bill "Bojangles" Robinson zum Filmstar in den USA. Szene aus "The Littlest Rebel" von 1935 an der Seite der jungen Shirley Temple. © imago images/Everett Collection
Von Matthias Dell · 02.08.2022
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"Warten auf Bojangles" heißt ein Film, der jetzt in die Kinos kommt. Hinter der Figur im Filmtitel verbirgt sich der einst als Stepptänzer gefeierte schwarze Unterhaltungskünstler Bill "Bojangles" Robinson, der fast in Vergessenheit geraten ist.
Der Film "Warten auf Bojangles" fußt auf einer schönen Lüge. Die Handlung spielt in den 1950er-Jahren, greift aber auf ein Lied zurück, das erst 1968 vom weißen Musiker Jerry Jeff Walker komponiert wurde. "Mr. Bojangles", vielfach gecovert, für die Filmversion von Marlon Williams.
Im Film fragt der Sohn den Vater einmal, warum die Mutter immer wieder dieses eine Lied höre. Die Antwort: Weil es schöne Erinnerungen weckt. Die Frage ist nur, an wen.
Mr. Bojangles aus dem Hit ist ein alter Tänzer mit kaputten Schuhen, der für ein paar Cent die Leute unterhält. Ein weißer Obdachloser, der in so genannten Minstrel-Shows aufgetreten ist, mit denen man sich über Schwarze nach dem Ende der Sklaverei lustig machte.
Der 2020 verstorbene Komponist will den Mann in einem Gefängnis getroffen haben – mit seinem berühmten Namensvetter habe dieser Bojangles aber nichts zu tun, beteuerte Walker.

Der echte "Bojangles" war ein Star

Das wäre Bill "Bojangles" Robinson. Ein schwarzer Stepptänzer, geboren 1878 in Richmond, Virginia, gestorben mit 71 Jahren in New York. Im Alter von vier Jahren habe er mit dem Tanzen begonnen und nun sei er 71, das erzählte der echte Bojangles in seinem letzten Fernsehauftritt.
Bill Robinson steht lachend in einem weißen Anzug und Hut auf einer Treppe
Begann im Alter von vier Jahren zu tanzen: Bill Robinson (1936).© imago images/Everett Collection
Bill Robinson war ein Star – als er Ende November 1949 nach kurzer Krankheit starb, säumte eine halbe Million Menschen die Straßen von New York. Die Kinder hatten schulfrei, die Prominenz der US-Unterhaltungsbranche kam zur Trauerfeier: Musiker wie Duke Ellington und Cole Porter, die Sportstars Joe DiMaggio, Jackie Robinson und Joe Louis.
Der Fernsehmoderator Ed Sullivan brachte in seiner Rede die Popularität von Bill Robinson auf ein einfaches Bild – im Krankenhaus hätten den Entertainer Briefe erreicht, in deren Adressfeld lediglich stand: "Bojangles, New York".

Vom Straßentänzer zum Broadway-Star

Über Herkunft und Bedeutung des Spitznamens gibt es verschiedene Versionen, eine besagt, dass es sich um den falsch ausgesprochenen Namen eines Herrn Boujasson handeln soll – dem der kleine Bill einen Hut geklaut hatte aus dessen Geschäft.
Robinsons Eltern starben früh, schon als Kind tanzte er, erst für Kleingeld auf der Straße, später in den durchs Land tourenden Vaudeville-Shows, einem Revuetheater, das dem Musical vorausging.
Mit 50 gelang ihm der Durchbruch am Broadway, er trat im legendären Cotton Club auf und im Radio. In Hollywood feierte Robinson Erfolge mit dem weißen Kinderstar Shirley Temple.
Wohlstand und Prominenz schützten Bill Robinson nicht vor rassistischen Demütigungen. Während die weißen Kollegen auf Tour in den besten Hotels abstiegen und Personenfahrstühle benutzten, blieben für Künstler wie Robinson der Güteraufzug und lausige Privatunterkünfte vorgesehen.
Wegen seiner Rollen als erwachsener Diener an der Seite von Shirley Temple wurde Bojangles auch als "Onkel Tom" kritisiert – dabei kämpfte Robinson zeitlebens für seine Rechte. In kleinen Schritten.

"Bürgermeisters von Harlem"

Er verweigerte in den Minstrel-Shows das Blackfacing, mit dem sich auch schwarze Figuren lächerlich machen sollten. Er stattete seine Filmcharaktere mit Würde aus. Engagierte sich für schwarze Gewerkschaften, erst für Vaudeville-, dann für Filmstars, trat bei Tausenden Benefizabenden auf und verteilte einen Großteil seines Vermögens an arme Leute in der Community, weshalb er auch "Bürgermeisters von Harlem" genannt wurde. Bill Robinson ist trotzdem in Vergessenheit geraten.
Eine einfache Rechnung: Der weiße Fred Astaire, Schüler und Freund Robinsons, bekam mehr Hauptrollen in mehr Filmen. Das bedeutet: mehr Kritiken, mehr Publikum, mehr Nachruhm. So potenziert sich Diskriminierung.
Die Zurücksetzung zeigt sich auch an "Mr. Bojangles" – dem Hit, der Motive aus Robinsons Leben ins Melancholische verallgemeinert. Bei einem weißen Star wäre das undenkbar, ein Lied über einen singenden Elvis, der aber nicht der King of Rock'n'Roll sein soll?!
Andererseits ist eine der bekanntesten Coverversionen von "Mr. Bojangles" die von Sammy Davis Jr.

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Auch wenn Sammy Davis Jr. mit dem Lied die vielen vergessenen schwarzen Künstler vor ihm im Sinn hatte - Bill Robinson war für den 1990 gestorbenen Entertainer jemand Besonderes. Ein Idol, mit dem er als Kind noch getanzt hatte, ein Mann, der ihm den Weg auf die Bühnen bereitete, auf denen er nun erinnern konnte – an den wahren Mr. Bojangles.
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