Tägliche Belege des Judenhasses

Von Evelyn Bartolmai |
In der Alltagskunst fanden und finden sich immer wieder Objekte, die beim genaueren Hinsehen Belege für den täglichen Judenhass bieten. Eine Auswahl antisemitischer Kunst- und Alltagsobjekte zeigt nun das Wolfson-Museum Jerusalem.
Es dürfte schwer fallen, unpolitischere Dinge als Spazierstöcke, Meerschaum-Pfeifenköpfe, Wandfliesen, Flaschenverschlüsse oder auch Blumenvasen zu finden. Auch die Kombination "Antisemitismus und Kunst" schien uns bislang ein Widerspruch in sich - Antisemitismus, den wir mit Diskriminierung, Ausgrenzung bis hin zur Vernichtung von Menschen verbinden - wie geht das zusammen mit dem hehren Anspruch von Kunst, Lebensfreude auszudrücken und durch ihre bloße Existenz zur Lebensfreude beizutragen?

Gewiss ist nicht jeder Aschenbecher, Flaschenöffner oder ein Ölgemälde im Goldrahmen automatisch hohe Kunst. Wenn sie jedoch eine Menschengruppe, und in unserem Fall Juden, verspotten, karikieren und dämonisieren, dann sind sie definitiv antisemitisch, egal wie fein sie auch handwerklich gearbeitet sein mögen.

Und je länger man sich die durchaus perfekt aus Edelholz geschnitzten oder fein in Silber getriebenen Spazierstockknäufe anschaut, desto abstoßender findet man, dass da eine menschliche Nase zum Griff pervertiert wurde. Und man fragt sich natürlich auch, was wohl der einstige Besitzer gedacht haben mag, wann immer er mit diesem Stock herumspaziert ist. Ihre bislang schwierigste Ausstellung nennt denn auch Nurit Sirkis-Bank diese Ansammlung vermeintlicher Kunstobjekte:

"Normalerweise präsentiert ein Kurator ja Dinge, die er oder sie mag, die er schätzt, weil sie historisch bedeutsam sind. Aber hier zeige ich ja Dinge, die mich persönlich verletzen und die mir weh tun und die mir sogar schlaflose Nächte bereitet haben. Ich habe hin und her überlegt, wie ich diese schmerzhaften Objekte des Hasses doch in etwas verwandeln könnte, aus dem jüngere Generationen zu lernen vermögen. Und nach langen Überlegungen fand ich schließlich zunächst den passenden Namen für die Ausstellung: 'Der ewige Jude'."

Anders als in anderen Sprachen hat im Deutschen der Begriff des "ewigen Juden" eine eindeutig negative Konnotation. Eifrig von der Kirche und auch der Folklore befeuert, ist er seit dem Mittelalter das Stereotyp für Juden, die angeblich Christus ermordet haben und dafür auf ewig zur ruhelosen Wanderschaft, heimatlos und aus jeder menschlichen Gemeinschaft ausgeschlossen, verdammt wurden.

Diesen Leidensweg zeichnet Nurit Sirkis-Bank in verschiedenen Strängen nach. Wir finden historische Dokumente wie das sogenannte Judenedikt des schwedischen Königs Friedrich von 1735, über allerlei Holzschnitte mit Darstellungen angeblich von Juden an christlichen Kindern begangener Ritualmorde, bis zu den pseudowissenschaftlichen Ergüssen eines Professor Hans Weinert von der Universität Kiel, der 1941 über die Entstehung der Menschrassen schwadroniert.

Wir sehen Plakate aus nahezu allen europäischen Ländern, die vor der ‘jüdischen Gefahr’ warnen; wir finden Kinderbücher mit Titeln wie "Der Giftpilz” und erfahren, wie so renommierte Schriftsteller wie William Shakespeare und Charles Dickens mit Figuren wie Shylock und Fagin Weltliteratur schrieben. Und wir sehen schließlich auch eine erschreckende Sammlung banaler Alltagsgegenstände, die für die Hetze gegen Juden missbraucht wurden:

"Für mich sind es überraschenderweise nicht die riesigen Poster, die nur so vor Gehässigkeit triefen, die ich am schlimmsten finde, sondern es sind die vielen kleinen Gegenstände, die man zuhause benutzt hat. Der kleine Salzstreuer in Form eines Juden hier, oder ein Korkenzieher, oder sogar eine Lampe, die man auf den Tisch gestellt hat, oder die Kinderbücher und Kartenspiele - all das sind Dinge, die für sich gar nicht so wichtig sind, die so sehr zum Alltag gehören, dass man sie schon gar nicht mehr wahrnimmt. Das sind für mich die schlimmsten Stücke."

Denn sie vermitteln eine subtile Botschaft, die sich nach außen scheinbar harmlos präsentiert, aber dennoch tief ins Unterbewusstsein senkt und Denk- wie Handlungsweisen beeinflusst. Mit der Gründung des Staates Israel wurde das jahrhundertealte Konzept des ruhelos ’wandernden Juden’ gebrochen, von daher ist schon der Schauplatz selbst der Ausstellung - das pulsierende Jerusalem unserer Tage - eine Antwort nicht nur auf die Frage, wie andere Völker die Juden sehen, sondern vor allem nach dem Geheimnis dieses Überlebens:

"Der ’ewige Jude’ meint im Hebräischen denjenigen, der immer da sein wird, der alle Schwierigkeiten, den Hass, alle Mordaktionen und das Blutvergießen überlebt und am Ende wie Phönix aus der Asche aufersteht und weiterlebt und auch weitere Generationen in die Welt bringt. Und wenn ich den Titel ‘Der ewige Jude’ gewählt habe, dann eben deshalb, weil ich genau auf dieses zweite Konzept verweisen will, auf den Juden, der überlebt hat und damit ein Zeichen der Hoffnung setzt."

Die Gründe, die Juden die zweitausendjährige Verfolgung haben überleben lassen, mögen in den Details spezifisch jüdisch sein. Doch die Werte, die diesem Überleben zugrunde liegen, sagt Nurit Sirkis-Bank, sind universeller Natur und damit eine Voraussetzung für das Überleben der gesamten Menschheit:

"Und in der Tat ist meine Botschaft mit dieser Ausstellung an die Besucher, egal ob Juden oder Nicht-Juden, dass wir einander als Menschen sehen müssen, ganz egal, ob wir einander grün sind oder nicht oder ob wir einander schon seit Jahrhunderten missverstehen, dass wir in unserem Herzen einen Platz für Toleranz schaffen müssen für den und das andere, allen Unterschieden zum Trotz. Denn eine glückliche Welt für alle kann ja nur entstehen, wenn wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen."
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