Weihnachtsausgabe des SZ-Magazins

Das Wunder der Geburt als umstrittenes Coverbild

05:48 Minuten
Die Triggerwarnung von Instagram verdeckt die Großaufnahme einer Geburt
Zu heftig für Instagram: Die App hat das Coverbild des SZ Magazins ausgedunkelt. Zu sehen ist eigentlich die Geburt eines Kindes. © Screenshot Instagram
Cerstin Gammelin im Gespräch mit Jana Münkel  · 23.12.2021
Audio herunterladen
Zu Weihnachten widmet sich das SZ-Magazin dem Thema Geburt: Vor allem das Cover sorgt für geteilte Reaktionen. Dass das Titelbild völlig ungeschönt zeigt, wie ein Mensch geboren wird, findet die SZ-Journalistin Cerstin Gammelin völlig richtig.
An Weihnachten feiern Christen weltweit die Geburt Jesu Christi. Die Redaktion des SZ-Magazins hat das zum Anlass genommen, sich in Text und Bild mit dem Thema Geburt zu befassen. "Die Geburt ist das Natürlichste und Alltäglichste der Welt – aber was geschieht dabei genau? Rekonstruktion eines Wunders", bewirbt das Magazin den Aufmacher.  

Kritik an "Grenzüberschreitung"

Vor allem das Titelbild der US-Fotografin Vanessa Mendez sorgt für Diskussionen in den sozialen Medien. Es zeigt das Gesäß einer Frau von hinten und genau den Moment, in dem das zerknautschte Köpfchen des Babys aus der Vagina stößt. Das Farbfoto zeigt Blut, Fruchtwasser und Schleim.

Redaktionell empfohlener externer Inhalt

Mit Aktivierung des Schalters (Blau) werden externe Inhalte angezeigt und personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt. Deutschlandradio hat darauf keinen Einfluss. Näheres dazu lesen Sie in unserer Datenschutzerklärung. Sie können die Anzeige und die damit verbundene Datenübermittlung mit dem Schalter (Grau) jederzeit wieder deaktivieren.

In der Debatte gibt es begeisterte Reaktionen, aber auch Kritik an einer angeblichen Grenzüberschreitung.

Ich finde das ein sehr berührendes Bild. Es ist so pur Natur und es erinnert mich an meine eigene Erfahrung.

Cerstin Gammelin

Die Parlamentskorrespondentin der "Süddeutschen Zeitung" Cerstin Gammelin, die selbst Mutter ist, sagt, es sei ein unglaublicher Moment, wenn das Kind plötzlich da sei. Der eigene Körper sei unter der Geburt kaum noch zu kontrollieren. "Diese Wehen kommen und kommen und dann hat es plötzlich ein Ende."
Sie finde es sehr verdienstvoll von ihren Kollegen in der Magazin-Redaktion, dass sie dieses Thema aufgegriffen hätten. Schließlich sei es das Natürlichste der Welt, denn wir alle hätten einmal auf diesem Wege das Licht der Welt erblickt. Trotzdem werde die Geburt nie in den Mittelpunkt gerückt.

Begegnung mit der Wirklichkeit

Dass es auf Instagram bei dem Bild eine "Triggerwarnung" vor sensiblen Inhalten gibt, versteht Gemmlin nicht. "Das braucht es eigentlich nicht."
Es sei ein Foto, das man nicht alle Tage sehe. "Viele Menschen werden so etwas noch nie gesehen haben." Es könne sein, dass einige das Foto eklig fänden, weil da die Nabelschnur raushängt. "Das ist nicht das schöne, glatte Baby, was man sonst immer sieht im Fernsehen oder wenn dann die Verwandten kommen", sagt die Journalistin.
Das Foto zeige ein Kind, das es gerade geschafft habe, den Geburtskanal zu durchqueren. "Dem Köpfchen sieht man natürlich die Anstrengung an." Sie finde das Bild in keiner Weise verstörend, sondern es zeige die Geburt so wie sie ist. Gerade in Zeiten von "Fake News" und "mundgerechten Häppchen" sei die Konfrontation mit natürlichen Vorgängen eine gute Sache.
Auch der Text sei gerade für Frauen, die selbst noch kein Kind geboren hätten, sehr anschaulich geschrieben. "Dieses Wunder, dass das Kind den Weg findet, dass das Kind weiß, jetzt muss ich mich auf den Weg machen - das ist sehr breit und einfühlsam dargestellt."

Cerstin Gammelin ist seit 2015 stellvertretende Redaktionsleiterin im Parlamentsbüro der Süddeutschen Zeitung in Berlin. Zuvor berichtete sie sieben Jahre aus Brüssel als Europa-Korrespondentin der SZ. Ihre Themen sind Wirtschaftspolitik, Europa, Frauen und der Osten. Gammelin stammt aus Sachsen; 2021 erschien ihr Buch „Die Unterschätzten. Wie der Osten die deutsche Politik bestimmt“.

Mehr zum Thema