Syrische Künstler "gegen das Regime und gegen seine Repressalien"

Ahmed Ramadan im Gespräch mit Joachim Scholl |
Mit der Berliner Ausstellung "Kunststoff Syrien" will deren Initiator Ahmed Ramadan die Medienberichte über den Kampf zweier Gruppen in seiner Heimat als "Bürgerkrieg" infrage stellen. Die Kunstwerke zeigten, dass es um viel mehr gehe, sagte er: die Revolution des syrischen Volkes.
Joachim Scholl: "Kunststoff Syrien", das ist der Titel einer Ausstellung syrischer Künstler, die morgen in Berlin eröffnet wird. Und sie präsentiert Arbeiten, die sich direkt mit der aktuellen dramatischen Lage in Syrien auseinandersetzen. Ins Werk gesetzt hat die Schau Ahmed Ramadan. Er hat Malerei in Damaskus studiert und musste im Mai 2011 das Land verlassen. Seitdem lebt er in Berlin. Ahmed Ramadan war bei uns im Studio und ich habe ihn zunächst gefragt, wie seine syrischen Kollegen mit ihrer Kunst die politische Situation reflektieren?

Ahmed Ramadan: Wir sind eine Reihe Künstler aus Syrien, die jetzt verschiedene Formen, verschiedene Ausdrucksformen haben. Uns eint eine gemeinsame Position gegen das Regime und gegen seine Repressalien. Jede Arbeit erzählt eine Geschichte, eine aktuelle Geschichte oder eine Geschichte, die in der Vergangenheit passiert ist.

Scholl: Es sind Künstler, die im Exil arbeiten, aber es werden auch Künstler direkt aus Syrien nach Berlin kommen. Wie ging das zu, wie konnten Sie, Herr Ramadan, diese Werke zu uns bringen?

Ramadan: Die Werke, die ausgestellt werden, wie Sie bereits gesagt haben, kommen teilweise aus Syrien. Diese Werke wurden per DHL nach Deutschland geschickt. Also, wir haben das Thema nicht benannt und die meisten Arbeiten sind sehr abstrakt, sodass man nicht ummittelbar erkennt, worum es geht.

Scholl: Es gibt viele Fotoarbeiten auch in der Ausstellung. Sie sagten schon, Herr Ramadan, dass Sie eine Geschichte erzählen. Können Sie uns dafür ein, zwei Beispiele geben?

Ramadan: Wir haben den syrischen Künstler, Mohammad Al-Roumi, der lebt in Frankreich. Er hat die Straßen in Syrien porträtiert, sein Thema ist der syrische Mensch, er hat die Lage in Syrien vor der Revolution dokumentiert. Das zweite Beispiel ist Ziad Homsi, er hat die Demonstrationen mit seiner Kamera aufgenommen und es gibt Arbeiten, die heißen "Linse eines jungen Menschen aus Homs". Und hier werden praktisch die Repressalien des Regimes aufgenommen.

Scholl: Wie gefährlich ist es derzeit, als kritischer Künstler in Syrien frei zu sprechen?

Ramadan: Die Lage der Künstler in Syrien ist natürlich gefährlich, wie ich bereits gesagt habe, was die Ausdrucksformen und Möglichkeiten anbetrifft. Da kann ich gleich sagen, dass wir keine Freiheiten hatten. Also, wir konnten uns kaum realisieren, kaum zum Ausdruck bringen. Man hat Angst auch, mit anderen Menschen zu sprechen, so weit ging es. Es gab so eine Art Mauer zwischen den Menschen. Wir konnten uns nur mit unmittelbar engen Freunden austauschen.

Scholl: Syrische Gegenwartskunst erstmals in Deutschland. Wir sind hier im Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit Ahmed Ramadan, der die Ausstellung "Kunststoff Syrien" initiiert hat. Welche Rolle, Herr Ramadan, konnte die Kunst im autokratischen Syrien von Assad überhaupt spielen? Freie und künstlerische Meinungsäußerungen waren ja unterdrückt, wie ist das Regime mit Künstlern umgegangen?

Ramadan: Vor der Revolution gab es eine kleine Kunstszene in Syrien, die war in sich geschlossen sozusagen. Und eine kleine Schicht der Bevölkerung hat sich für die Kunst interessiert. Man konnte keine politische Kunst machen, keine politischen Arbeiten. Hätte man das gemacht, dann wurden die Arbeiten eben nicht gezeigt, man durfte das nicht machen. Das haben zum Beispiel syrische Regisseure erfahren, die politische Filme zur Lage in Syrien gemacht haben, oder Künstler, die Werke zu der politischen Lage in Syrien gemacht haben, sie konnten ihre Werke dort nicht ausstellen. Das ist vor der Revolution. Nach der Revolution sieht es anders aus.

Ja, nach der Revolution ist die Kunst nicht mehr lediglich für diese interessierte Schicht wichtig, sondern für die Menschen, für alle Menschen in Syrien. Die Graffiti ist populär geworden, es wurden viele Karikaturen gezeichnet zu der Lage. Aber noch wichtiger ist, dass die Beziehungen zwischen den Menschen wesentlich besser geworden sind, auch der Umgang mit religiösen Symbolen ist anders geworden. So wurde zum Beispiel aus einer Moschee in Duma gesungen, ein revolutionäres Lied. Das ist etwas Neues. So, die Kunst ist nicht mehr beschränkt auf eine kleine Schicht, sondern es ist eine Volkssache geworden nach der Revolution.

Scholl: Sie selbst, Herr Ramadan, haben Kunst studiert in Damaskus, haben als Maler gearbeitet, mussten 2011 das Land verlassen. Was waren die Gründe dafür?

Ramadan: Der Hauptgrund war, dass ich für einen Tag und eine Nacht verhaftet wurde. Die Erfahrung und die Erlebnisse, die ich dort gehabt habe, führten dazu, dass ich mich entschieden habe, aus dem Land rauszugehen. Ich habe zu dieser Erfahrung Arbeiten gemacht und ich leide bis heute unter dieser Erfahrung.

Scholl: In einem Gedicht, das im Katalog zur Ausstellung gedruckt ist, schreiben Sie: Meine Seele schwebt, ein Teil von ihr ist hier, ein Teil in der Heimat. Wie geht es Ihnen hier, im Exil, in Deutschland, Herr Ramadan?

Ramadan: Sowohl für mich als auch für alle aktiven Syrer im Ausland: Es gibt keinen stärkeren Wunsch als in Syrien zu sein und dort in der Revolution mitzumachen. Deutschland ist schön, aber ich bin noch nicht angekommen.

Scholl: Nun hören wir tagtäglich Nachrichten aus Syrien. Oft wissen wir nicht, was stimmt, weil die Nachrichten eben nicht verlässlich sind. Es soll ein richtiger Bürgerkrieg sein, sagt man uns, und die Frontlage ist auch oft so unübersichtlich. Was erhoffen Sie sich, Herr Ramadan, von dieser Revolution, von diesem Aufstand, was soll am Ausgang stehen?

Ramadan: Erstens: Es gibt keinen Bürgerkrieg in Syrien. Es gibt eine Revolution, die ist von den Menschen gemacht, von dem syrischen Volk. Ich weiß, das Wort Volk wird nicht gerne gehört in Deutschland, aber das ist so in Syrien, das syrische Volk macht die Revolution, es sind unterschiedliche Gruppen und unterschiedliche Interessen. Es gibt leider auch die konfessionellen Gruppen, aber für die Zukunft denke ich, dass wir ein viel besseres Syrien haben werden.

Scholl: Kommen wir noch mal zur Ausstellung zurück, Herr Ramadan! Was, glauben Sie, kann eine Ausstellung wie diese jetzt auch in Deutschland bewirken für die Künstler, für das Land? Ist das für Sie auch ein wichtiges Medium der Darstellung der Situation?

Ramadan: Unser Ziel und unsere Hoffnung ist es, die Realität in Syrien hier wiederzugeben. Die Medien zeichnen immer zwei Pole auf, zwei Gruppen, die gegeneinander kämpfen, nämlich die Freie Syrische Armee und die syrische Armee. Aber die Revolution ist viel mehr als das, viel größer als das. Mit einem Kunstwerk kann man eine politische Meinung nicht ändern, aber vielleicht können wir einen gewissen Druck ausüben, damit diese Meinung allmählich geändert wird.

Scholl: Die Ausstellung "Kunststoff Syrien", syrische Gegenwartskunst erstmals in Deutschland. Morgen eröffnet die Schau in der FORUM Factory Berlin und sie läuft dann auch bis zum 18. August. Ahmed Ramadan, viel Erfolg wünschen wir Ihnen für die Ausstellung, all the best for you, Ihnen persönlich alles Gute und danke für Ihren Besuch! – Und bei der Übersetzung dieses Gesprächs aus dem Arabischen hat uns Youseff Hijazi geholfen, auch Ihnen vielen Dank!

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Service:
Die Ausstellung "Kunststoff Syrien" findet vom 8. bis 18. August in der FORUM Factory in Berlin statt.

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