Syrische Flüchtlinge in der Türkei

Ohne Rechte und ohne Geld

Syrische Erntehelfer nahe Adana: eine der Arbeiterinnen teilt Wasser aus. Gegen die sengende Sonne haben die Frauen die Gesichter vermummt.
Syrische Erntehelfer nahe Adana: Eine der Arbeiterinnen teilt Wasser aus. Gegen die sengende Sonne haben die Frauen die Gesichter vermummt. © Deutschlandradio / Nicole Graaf
Von Nicole Graaf · 04.07.2017
Die Türkei ist das Land, das im Jahr 2015 weltweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat. Drei Millionen Menschen aus Syrien schlagen sich in Städten und Dörfern irgendwie durch - und arbeiten zum Teil unter miserablen Bedingungen.
Die Region von Adana an der östlichen Mittelmeerküste gilt als ein landwirtschaftliches Zentrum der Türkei. Auf einem Feld rund 30 Kilometer von der Stadt entfernt bewegt sich ein Dutzend Frauen langsam durch die Reihen von Melonensetzlingen und zupft das Unkraut heraus. Gegen die sengende Sonne haben sie ihre Kopftücher tief ins Gesicht gezogen, so dass nur die Augen herausschauen. Fast alle von ihnen kommen aus Syrien. So wie die 59-jährige Moresha. Sie hat sich in die Gasse neben die Melonenpflanzen gesetzt, um kurz auszuruhen und wischt sich den Schweiß vom Gesicht.

"Ich bin hier mit Zweien meiner Kinder. Die Arbeit ist sehr anstrengend, aber wir müssen von irgendetwas leben. In Syrien hatten wir eigenes Land und haben Gerste und Weizen angebaut. Aber unser Haus ist zerstört und mein Mann ist vor einem Jahr im Krieg umgekommen."
Syrische Erntehelfer nahe Adana. Die Behandlung ist gut, sagen sie, aber die Arbeit hart und der Lohn niedrig
Syrische Erntehelfer nahe Adana. Die Behandlung ist gut, sagen sie, aber die Arbeit hart und der Lohn niedrig © Deutschlandradio / Nicole Graaf
Seit Beginn des Krieges hat die Türkei rund drei Millionen Syrer aufgenommen. Dazu kommen Flüchtlinge aus anderen Ländern, wie Afghanistan oder Pakistan. Nur rund zehn Prozent der Syrer sind in offiziellen Flüchtlingscamps untergebracht. Die Mehrzahl hat sich in den größeren Städten angesiedelt. Ein Sozialleistungssystem wie in Westeuropa gibt es in der Türkei nicht, auch nicht für türkische Staatsbürger; Syrer erhalten zwar kostenlose medizinische Versorgung, aber wenn sie außerhalb der Camps leben, müssen sie für ihren Lebensunterhalt selbst sorgen.

Großer informeller Sektor

In der Türkei existiert ein großer informeller Sektor, vor allem in der Landwirtschaft, der Textilindustrie und auf dem Bau. Auch zahlreiche Türken arbeiten dort ohne Papiere. Sie kommen meist aus den ärmeren Landesteilen im Südosten. Für die Flüchtlinge ist dieser informelle Sektor Segen und Fluch zugleich. Zum einen finden sie dort sehr leicht einen Job. Auf der anderen Seite laufen sie Gefahr ausgebeutet zu werden, weil sie keinen Vertrag und damit keine Rechte haben. In der Landwirtschaft bringen Vermittler die Arbeiter mit den Bauern zusammen. Mustafa Bahçevan ist einer von ihnen. Am Morgen sammelt er die Arbeiter in den Dörfern ringsherum mit seinem Kleinbus ein und fährt sie zu den jeweiligen Feldern. Am Abend bringt er sie zurück. Die meisten wohnen zur Untermiete bei Bauern oder in leerstehenden Häusern, deren Besitzer in die Stadt gezogen sind.
"Ich finde die Arbeit für die Leute, es ist jeden Tag woanders. Ich hab noch weitere Arbeiter, die auf anderen Farmen arbeiten. Ich zeige ihnen wie es geht, zum Beispiel, wie sie die Erde umgraben sollen und wie man die Melonenpflanzen einsetzt. Die Reihen hier haben wir die letzten zwei Tage bepflanzt."

Ein System auf Vertrauensbasis

Die Arbeiter bekommen ihren Tageslohn jedoch nicht gleich ausbezahlt. Mustafa Bahçevan drückt jedem ein Kärtchen in die Hand, bevor sie in den Bus einsteigen. Die Kärtchen dienen als Arbeitsnachweis für einen Tag. Der Lohn variiert, er liegt zwischen 40 und 50 Lira in dieser Gegend. Das sind umgerechnet etwa 10 bis 13 Euro am Tag, ob Syrer oder Türke ist dabei egal. Doch alle Arbeiter werden erst bezahlt, wenn die Ernte verkauft ist und auch der Vermittler sein Geld von den Bauern erhält. Das System funktioniert auf Vertrauensbasis. Bahçevan bezahle zuverlässig, erzählen die Arbeiter; sehr oft passiert es jedoch, dass Arbeiter am Ende der Saison leer ausgehen, sagt Önder Elçi. Er studiert Sozialwissenschaften an der Universität von Adana und arbeitet ehrenamtlich für die Organisation Kalkinma Atölyesi Kooperatifi, die soziale Studien durchführt. Dort hat er an einem Report über die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft und die Situation der Flüchtlinge mitgewirkt.
"Die Arbeiter kennen ihre Rechte nicht und selbst wenn: es gibt in der Landwirtschaft keine Vereinigungen, die sie schützen würden. Die Vermittler müssen den Behörden nur melden, wie viele Leute für sie arbeiten. Die Arbeiter haben auch keinen Kontakt zu den Landbesitzern. Ich als Arbeiter kenne nur dich, den Vermittler. Wenn du mich nicht bezahlst, kann ich nirgendwo anders hingehen. All diese Produkte werden in alle Welt exportiert. Du produzierst das alles, aber kein Mensch weiß, dass es dich überhaupt gibt, denn du bist ein Flüchtling. Bevor du etwas einforderst, denkst du dir, was wenn sie mich aus dem Land werfen? Jemand nutzt dich vielleicht aus, aber was kannst du tun?"
Weil sie keinerlei Rechte einfordern können, müssen sich die Arbeiter zudem mit langen Arbeitszeiten und harten Lebensbedingungen arrangieren. Am Ufer eines kleinen Flusses reihen sich Zelte und Hütten aus Schilf und blauen Plastikplanen aneinander. Rund 200 Familien leben hier, zuerst waren es nur Kurden. Auf dem Höhepunkt des Kurdenkonflikts in den 80er Jahren waren sie aus ihren Dörfern im Südosten der Türkei vertrieben worden und mussten sich in anderen Landesteilen eine neue Existenz aufbauen. Manche haben ihre Zelte inzwischen durch Wohncontainer ersetzt, andere haben sie mit Bambus isoliert und Fenster eingebaut. An den meisten sind Satelitenschüsseln angebracht. Autos stehen auf den freien Plätzen zwischen den Hütten. In den letzten Jahren kamen Syrer dazu und schlugen am Rand der Siedlung ihre Zelte auf. Der 48-jährige Mohammed und sein Nachbar, der seinen Namen nicht nennen möchte, klagen über die schwierigen Bedingungen.
Keines der syrischen Kinder im Camp der Erntehelfer kann eine Schule besuchen.
Keines der syrischen Kinder im Camp der Erntehelfer kann eine Schule besuchen.© Deutschlandradio / Nicole Graaf
"Wir fangen um sechs Uhr morgens an und arbeiten bis 18 Uhr am Abend. Das ist sehr lange für uns. Die Bezahlung ist sehr niedrig, nur 40 Lira am Tag. Das Wasser, das sie uns zur Verfügung stellen, reicht nicht und der Strom ist schlecht."
"Es ist schwierig in den Zelten, im Sommer ist es so heiß und im Winter versinken wir im Schlamm und es gibt kaum Strom. Das Geld reicht nur gerade so zum Überleben und manchmal ist es nicht genug."
Bis vor ein paar Jahren hat Fatma Sevin auch in diesem Camp gelebt. Die Anfang 40-Jährige stammt aus Şırnak im Südosten der Türkei. Auch sie musste einst wie viele Kurden in der Region ihr Dorf verlassen. Inzwischen wohnt Sevin mit ihrer Familie am Stadtrand von Adana. Über die Jahre haben sie und ihr Mann immer ein bisschen Geld zur Seite gelegt und nach und nach ein eigenes Haus gebaut; Je nach Saison sind sie im Land umhergezogen, erzählt Sevin.
"Hier haben wir Wassermelonen und Tomaten geerntet. Danach sind wir zur Nussernte am schwarzen Meer gefahren, dann zur Baumwollernte in Aydin. Und im Winter sind wir wieder zurückgekommen."
Seit so viele Flüchtlinge in Adana leben, sei ihre Situation schwieriger geworden, erzählt Sevin.
"Bevor die Syrer kamen, hatten wir jeden Tag Arbeit, es gab viel zu tun. Aber jetzt sind so viele neue Leute dazugekommen. Früher haben pro Familie zwei Leute gearbeitet, jetzt nur noch einer. Wir haben von der letzten Orangenernte noch nicht unseren Lohn bekommen. Früher war das immer zuverlässig, aber in den letzten paar Jahren hat sich das geändert."

"Armutskonkurrenz"

Vor Ankunft der Flüchtlinge sei auch der Lohn kontinuierlich gestiegen, jedes Jahr um ein, zwei Lira, erzählt Sevin, aber jetzt stagniere er. Das alles mag nicht nur an der Konkurrenz durch die Flüchtlinge liegen. Ein weiterer Grund dürfte sein, dass die türkische Wirtschaft in den letzten zwei Jahren wegen innen- und außenpolitischer Krisen schwächer geworden ist. Aber so mancher macht die Flüchtlinge verantwortlich. Fatma Sevin hat jedoch Verständnis für ihre Lage.
" Ja, wir haben jetzt weniger Arbeit. Aber diese Menschen haben so gelitten. Genauso wie unsere Leute. Sie mussten auch vor dem Bürgerkrieg fliehen damals. Die Syrer haben genauso gelitten. Sie mussten auch ihre Häuser zurücklassen."
In ihrer Studie sprechen die Wissenschaftler, mit denen Önder Elçi die Probleme der Farmarbeiter untersucht hat, von "Armutskonkurrenz". Die Farmarbeiter bestehen aus verschiedenen Gruppen am unteren Ende der türkischen Gesellschaft, die miteinander um Jobs konkurrieren. Früher gab es hier Konkurrenz zwischen den Kurden aus Şanlıurfa und den arabischstämmigen Türken aus dem Osten. Jetzt passiert wieder das Gleiche. Gab es bis vor sechs Jahren noch gar keine Syrer hier, machen sie nun mehr als 80 Prozent der Farmarbeiter aus, sagt Elçi. Was mit den einheimischen Arbeitern passiert ist, muss noch untersucht werden. Sei es entlang der Mittelmeerküste, im Landesinneren nahe Ankara und Konya oder am schwarzen Meer: In allen Agrarregionen der Türkei arbeiten jetzt Syrer. Und manche von ihnen leben gar unter sklavenähnlichen Bedingungen.
Im Gewächshaus der Firma Süral werden Tomaten angebaut. Dass hier Syrer arbeiten, bestreitet die Besitzerin Gülsün Süral.
Im Gewächshaus der Firma Süral werden Tomaten angebaut. Dass hier Syrer arbeiten, bestreitet die Besitzerin Gülsün Süral. © Deutschlandradio / Nicole Graaf
Serik, eine Kleinstadt bei Antalya weiter westlich an der Mittelmeerküste. In einer verlassenen, heruntergekommenen Fabrikanlage leben rund 10 syrische Familien. Jede haust in einer kleinen Parzelle, die einmal Stallungen oder Arbeitsräume gewesen sein mögen. Vor dem Gebäude rinnt ein offener Abfluss mit schwarzem, brackigem Wasser. Die Gemeinschaftstoiletten sind verdreckt, teils fehlen die Türen. Der Arbeitsvermittler, ein arabischstämmiger Türke aus dem Südosten, hat die Familien hier untergebracht. Er kassiert umgerechnet rund 130 Euro an Miete pro Jahr, obwohl ihm das Gebäude gar nicht gehört. und monatlich umgerechnet rund 50 Euro für Strom und Wasser, ein Wucherpreis für diese Verhältnisse.
Die 37-jährige Zahira, die nur ihren Vornamen benutzt, sitzt in einer großen Halle, in der alte Metallteile und Reifen herumliegen, vor einem Feuer und backt Brot auf einer gewölbten, gusseisernen Scheibe. Mit einem Holzstab rollt sie den vorbereiteten Teig zu einem papierdünnen Fladen von etwa einem Meter Durchmesser und legt ihn dann vorsichtig auf die Scheibe, auf der er sogleich Blasen wirft. Ihr neunjähriger Sohn hockt neben ihr und legt Holz nach. Die Fladen aus Mehl und Wasser dienen als Frühstück und Abendbrot. Eine richtige Mahlzeit bekommt Zahira nur auf der Arbeit. Sie klagt über den Vermittler.
"Zuerst war er ehrlich und hat die Leute bezahlt, aber jetzt bezahlt er nur einige und andere nicht. Er versucht uns zu kontrollieren, indem er das Geld zurückhält. Die Firma zahlt ihm jeden Monat 70 oder 80 Lira pro Arbeiter. Er hat sehr viel Geld, aber er gibt uns nur 37 Lira und dann auch nur als Gutschein. Jetzt arbeiten nur noch ungefähr 50 bis 60 Leute für ihn, die meisten sind schon weggezogen. Wir sollen auch nur von ihm meine Lebensmittel kaufen. Normalerweise kostet ein Kilo Mehl 25 Lira, aber er verlangt 45 Lira."
Zahira hofft, dass sie den Lohn für die letzte Saison bald bekommt. Sie möchte nicht wieder woanders hingehen. Wie alle hier hat sie Angst davor, dass sich ihre Situation noch weiter verschlechtern könnte. Diese Angst ist berechtigt. Die meisten Familien haben bereits eine kleine Odyssee hinter sich. Bevor Zahira hierher kam, hat sie an mehreren anderen Orten in der ganzen Türkei gearbeitet.
"Wir sind nach Aksaray und Urfa gegangen, um Arbeit zu finden. Dann nach Konya, aber dort hat man uns betrogen. Wir haben Rüben, Äpfel und Kichererbsen geerntet und als wir dem Vermittler sagten, dass wir unser Geld wollen, zog er eine Pistole und richtete sie auf einen in unserer Gruppe. Dann hat er die Polizei gerufen, und wir mussten unsere Hütten abreißen. Der Vermittler hat sich einfach davon gemacht. Und wir blieben zwei Tage in den Bergen ohne Essen und Wasser."
Weil das alles noch schlimmer war, als die Bedingungen unter denen sie jetzt leben, haben sich Zahira und ihr Mann mit den Verhältnissen arrangiert.

Touristen haben keine Ahnung von dem Elend in ihrer Nähe

Die Firma Süral, bei der sie und die anderen syrischen Familien hauptsächlich arbeiten, liegt gleich an der Küstenstraße, die Antalya und Alanya miteinander verbinden. Nur ein paar Kilometer weiter liegen Touristen in den Strandressorts und ahnen nicht, wie die Tomaten und der Orangensaft in dieser Gegend produziert werden, die sie womöglich auf ihrem Frühstücksbuffet vorfinden. In den Gewächshäusern, die sich mehrere Hundert Meter hinziehen, wachsen Tomatenpflanzen an Kletterhilfen fast bis an die Decke. Die Luft ist schwül.
Die Inhaberin, Gülsün Süral ist eine quirlige, gutmütig wirkende 71-jährige in geblümtem T-Shirt und Schirmkäppi. Sie fährt mit einem Golfcaddy durch das weitläufige Areal, um nach dem Rechten zu sehen. Die Firma Süral ist ein kleines Imperium. Neben dem Obst- und Gemüseanbau gehören eine Bierbrauerei, eine Abfüllanlage für Mineralwasser, sowie einige Ressorthotels dazu. Im Tourismus hat Gülsün Süral deutsch gelernt. Ein Teil der Ernte geht auch nach Deutschland, die Niederlande und Italien, erzählt sie. Bereitwillig führt sie durch eines der Gewächshäuser, wo einige Frauen bei der Ernte sind und ein paar junge Männer volle Kisten auf Paletten laden. Sie alle stammen aus der näheren Umgebung. Dass Syrer für sie arbeiten, bestreitet Frau Süral.
"Wir wollten arbeiten; aber natürlich nicht genug für uns. Wir sprechen mit Firma, die schicken zehn Leute zum Beispiel heute. Morgen kommt vier, oder drei oder keiner – das geht nicht. Oder kommen nochmal Zehn, aber andere. Die wissen nicht die Arbeit, die kennen nicht Tomaten, dafür schwierig für uns. Wir haben keine Beziehung mit den Leuten, weil ich kann kein Arabisch. Die können nicht Französisch nicht Deutsch nicht Englisch, die sind ganz arme Leute, vielleicht nicht arm, aber ich verstehe nicht wie sie sind."
Möglich, dass sie tatsächlich nichts von den syrischen Arbeitern weiß. Wer wann und wo eingesetzt wird, organisieren der Manager dieser Gewächshäuser und der Vermittler. Vielleicht streitet die Inhaberin die Existenz der Syrer aber auch ab, weil sie genau weiß, dass sie ohne Papiere arbeiten.

"Wir haben keine Rechte"

Genauso läuft es in den anderen Sektoren, in denen Syrer häufig beschäftigt sind: auf dem Bau und in der Textilindustrie. Auch dort arbeiten die meisten informell, meist in kleinen Werkstätten, in denen kaum kontrolliert wird. In den westlichen Stadtteilen Istanbuls finden sich unzählige kleine und große Textilfabriken und Werkstätten. Sie produzieren für den heimischen und den internationalen Markt. Khalil Al-Noury, der eigentlich anders heißt, hat in einer der kleinen Werkstätten einen Job gefunden. Er lebt mit seiner Frau und den vier kleinen Söhnen ganz in der Nähe. Al-Noury ist Konfektionsschneider und hatte in Syrien ein eigenes Geschäft, aber mit den hochmodernen Maschinen in den Fabriken kann er nicht umgehen. So hat die Firma ihn zum Bügeln eingesetzt. Al-Noury hat bereits in vielen verschiedenen Fabriken gearbeitet. Immer wieder gab es Probleme und er musste sich etwas Neues suchen.
"Manchmal gibt es Probleme zwischen den Geschäftspartnern, so dass sie die Firma aufgeben. Manchmal zahlen sie auch einfach nicht und manchmal sagen sie, es gibt keine Arbeit, zum Beispiel während des Ramadan. Es ist ihnen egal. Es gibt so viele Arbeiter. Da wo ich jetzt arbeite, gibt es nur Syrer. Nur der Chef ist ein Türke."
Mit dem jetzigen Arbeitgeber ist Al-Noury recht zufrieden, aber er ist immer auf der Hut.
"Ich bin erst seit Kurzem dort, bisher ist es gut. Aber ich kann ihnen nicht trauen. Sie können mich jederzeit wieder rausschmeißen. In der Zeit, seit ich dort bin, habe ich schon mitbekommen, dass sie zwei Leute entlassen und zwei neue dafür eingestellt haben. Für mich ist es schwierig, eine neue Arbeit zu finden, denn sie finden mich schon recht alt."
Wer jung und noch dazu gebildet ist, kann Glück haben und einen besseren Job finden. Der 27-jährige Bera'a Hamade hatte in Syrien ein Ingenieursstudium angefangen, doch dann kam der Krieg dazwischen. Nach seiner Flucht in die Türkei ist auch er von Textilfabrik zu Textilfabrik gewechselt.
"Das allergrößte Problem für uns Syrer ist die Arbeit, weil wir keine Rechte haben. Wenn das anders wäre, würde ich gar nicht auf die Idee kommen nach Europa zu gehen. Und wir haben immer Angst, wenn politisch etwas passiert, dass es negative Konsequenzen für uns haben könnte."
Diese Angst kommt nicht von ungefähr. Angesichts der diplomatischen Verstimmungen zwischen der Türkei und Europa hat sich die wirtschaftliche Lage des Landes verschlechtert. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, und das macht die Flüchtlinge, die bereit sind für geringeren Lohn als die Türken zu arbeiten, leicht zu Sündenböcken. Zudem hat die türkische Regierung die Möglichkeit der Instrumentalisierung der Flüchtlinge als politisches Druckmittel gegenüber Europa erkannt. Keine guten Aussichten für Hamade, Al-Noury, Zahira, Mohammed, Moresha und all die anderen Syrer in der Türkei.
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