Superreiche auf Superyachten

Einmal volltanken für 1,5 Millionen Dollar

06:29 Minuten
Cover des Buchs "Superyachten" von Grégory Salle. Ein blauer Umschlag mit der Titel des Buches in weißer Schrift.
© Suhrkamp Verlag

Grégory Salle

Übersetzt von Ulrike Bischoff

Superyachten. Luxus und Stille im KapitalozänSuhrkamp, Berlin 2022

152 Seiten

16,00 Euro

Von Ursula Weidenfeld · 10.12.2022
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Die riesigen Luxusyachten vor St. Tropez sind mehr als ein Symbol exzessiven Reichtums. Sie sind Rückzugsort und schwimmende Steueroase für Superreiche. Der Soziologe Grégory Salle beschreibt die Welt der Öl- und Tech-Milliardäre und Oligarchen.
„Wenn der Rest der Welt erfährt, wie es ist, auf einer Yacht zu leben, wird man die Guillotine wieder hervorholen.“ So hat es ein glücklicher Yachtbesitzer einmal gegenüber der "New York Times" gesagt, und so lautet der letzte Satz des Buchs „Superyachten“ von Grégory Salle.
Das Zitat hätte auch am Anfang des Buchs stehen können, denn der französische Soziologe will nicht nur Licht ins Dunkel bringen. Er fragt, ob es richtig ist, dass es solch großen Reichtum und solch pompöse Schiffe gibt. Seine Antwort ist ein klares Nein.

Yachten als Statussymbol der Superreichen

Salle beschreibt Superjachten als das Statussymbol der Superreichen: Öl- und Tech-Milliardäre haben welche, russische Oligarchen natürlich auch, arabische Königs- und Fürstenhäuser urlauben auf den motorisierten Riesenschiffen, chinesische Konzernlenker parken einen Teil ihres Reichtums auf den Oberdecks in den Häfen von St. Tropez, St. Barth oder Ibiza.
Mehr als 1000 solcher Wasserschlösser wurden 2021 geordert, schreibt Salle. Den Superreichen ist auch in der Coronapandemie das Geld ganz offensichtlich nicht ausgegangen.
Die Yachten seien wie ein Zipfel, an dem man zieht, um die ganze Geschichte eines fehlgeleiteten Kapitalismus zu entrollen, schreibt Salle. Es seien eben nicht nur die obskuren Marotten von braungebrannten Milliardären, die es zu bekämpfen gelte. Man müsse die Ursache angehen: die wachsende Ungleichheit.

Versteck und Steueroase auf dem Wasser

Die Idee des Buchs ist überzeugend. Der Autor trägt viel Wissen über die kleine Welt der sehr großen Yachten zusammen. Dieses Wissen wird für eine rasante Polemik gegen Superreiche genutzt, die sich, so Salle, über Staaten und Gesetze stellen, die zu wenig oder gar keine Steuern zahlen, die auf Kosten anderer Menschen und der Umwelt leben.
Eine Superyacht ist mindestens 30 Meter lang, hat eine feste permanente Besatzung an Bord und fährt in internationalen Gewässern. Die Schiffe sind nicht nur teure Hobbys für den Urlaub. Sie sind Kapseln der Privatheit, gleichzeitig aber auch Ausstellungsstücke für das staunende Volk. Sie fungieren als fahrende Steueroasen, mobile Tresore oder Geschäftsräume für den exterritorialen Geschäftsverkehr. Man nutzt sie als Versteck und als Rückzugsort.
Und klar: Sie sind das Zeichen außerordentlichen Reichtums, der sich nicht mehr an Staatsangehörigkeit, Grund und Boden binden muss, der keinen Heimathafen mehr braucht. Das wurde zuletzt in diesem Frühjahr deutlich, als nach dem Überfalls Russlands auf die Ukraine in vielen Häfen Europas die Yachten russischer Staatsbürger beschlagnahmt wurden. Schiffe, die ganz offensichtlich schon immer auch dazu dienten, im Fall der Fälle eine respektable Unterkunft zu haben.

Aus den Duschköpfen fließt Champagner

Salle hat ein merkwürdiges kleines Buch von gerade einmal 152 Seiten geschrieben. Es ist eine wilde Mischung unterschiedlicher Stile – ein Kapitel kommt daher wie eine Reportage, ein anderes wie ein Selbstportrait, ein drittes ist aus der Froschperspektive geschrieben, bevor eine eher nüchterne Analyse des Marktes und eine soziologische Abhandlung über den Ökosozialismus folgen.
Inhaltlich ist das Buch ähnlich atemlos. Es ist eher eine Collage als ein geschlossener Essay. Mal regt sich der Autor über den obszön zur Schau gestellten Reichtum auf, wenn die Kinder der Eigentümer mit gut eingeweichten Cornflakes nach einem millionenteuren Kunstwerk von Jean-Michel Basquiat werfen, weil sie sich vor dem dargestellten Totenschädel fürchten. Oder wenn die Yachteigner erfrischende Beregnungen aus motorhaubengroßen Duschköpfen (die man auch mit Champagner betreiben kann) genießen, ihre Beschäftigten dagegen die Chromleisten des Schiffs mit der Zahnbürste reinigen.

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Mal bestreitet Salle Studien, dass Yachtindustrie und der Betrieb der Schiffe für gute Arbeitsplätze und für Wachstum sorgten. Er prangert die Umweltzerstörung an, die die Gefährte verursachen, bei denen der Satz „Einmal volltanken“ 1,5 Millionen US-Dollar kosten kann.
Mal schildert er die Bedeutung der Neptungrasbestände auf dem Boden des Mittelmeers und seine Zerstörung durch die wild ankernden Skipper von Luxusyachten. Und dann wieder gibt es ein Kapitel, das wie ein Supertrumpf-Kartenspiel für Kinder daherkommt und Länge, Kabinen, Extras und Sonderausstattungen einzelner Schiffe detailliert auflistet.

Beste Argumente für Reichensteuer

Ist das alles lesbar? Wenn man sich auf den Stil und die Sprunghaftigkeit einlassen kann, macht das Buch Spaß. Es ist klug, interessant und provozierend. Wenn man Argumente für eine krachende Vermögen- und internationale Reichensteuern sucht, wird man sehr gut bedient.
Ein Bonustipp: Wer sich mit dem Gedanken trägt, im nächsten Sommer eine nachhaltige Unterkunft im Hinterland der Côte d’Azur zu buchen und als kompetente Gesprächspartnerin in Sachen Ausstattung, Dieselverbrauch, Umweltzerstörung und Charterraten von Superyachten reüssieren will, sei das Buch besonders warm empfohlen.
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