Superhelden

Ersatzpolizei mit Cape und Kostüm?

09:30 Minuten
Eine schwarz verhüllte Frau mit Maske trägt einen Sheriffstern an der Hüfte.
Angela Abar alias Sister Night (Regina King) im Einsatz gegen das Böse in der HBO-Serie "Watchmen". © picture alliance / HBO / Mark Will
Markus Dichmann im Gespräch mit Max Oppel · 05.08.2020
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Superhelden nehmen das Recht in die eigene Hand. Im Kontext von Polizeigewalt stehen solche fiktionalen Inhalte nun zur Debatte. Superhelden-Experte Markus Dichmann hält das für richtig - bei der Serie "Watchmen" sieht er aber kein Problem.
Polizisten, die Bösewichter jagen und sie am Ende zur Strecke bringen – und dabei auch gegen die Regeln verstoßen, weil sie ja Leben retten müssen. Das ist eine tausendfach erzählte Geschichte in Kriminal- und Actionfilmen.
Doch angesichts der ganz realen Polizeigewalt, zum Beispiel gegen Schwarze in den USA, steht dieser Plot auf dem Prüfstand. Zwei populäre US-Polizeishows wurden gecancelt; über die Darstellung von Polizisten wird inzwischen sogar schon in Kindercartoons diskutiert.
Die obersten fiktionalen Gesetzeshüter sind Superhelden, die alles so machen, wie es ihnen passt – zum Wohle der Menschheit. Aber auch hier scheint ein Umdenken stattzufinden: Die Serie "Watchmen" von HBO zum Beispiel geht da kritisch ran.

Clever und reflektiert erzählt

Superhelden-Experte Markus Dichmann hält es für richtig und wichtig, "sich Gedanken über Helden und die Art und Weise zu machen, wie fiktionale Superhelden immer wieder Gewalt ausüben: Welches Recht sie dazu haben und wer die Helden eigentlich sind, die diese Macht ausüben."
Die Helden dieses 80 Jahre alten Genres seien nämlich oft weiß und männlich, was in den USA und auch in Deutschland eine Menge Implikationen habe. Zwar bedienten sie auf clevere Weise auch unsere Faszination für Gewalt, aber es sei darin deutlich mehr Reflexion als in anderen Unterhaltungsformen zu finden, meint Markus Dichmann. Speziell Hollywood habe durch die Renaissance der Superhelden in den letzten 20 Jahren eher an Tiefe gewonnen: "So etwas wie 'Watchmen' gäbe es sonst nicht."
Allerdings operiere auch die hochgelobte, für 26 Emmys nominierte HBO-Serie in einer Grauzone: "In 'Watchmen' arbeitet die Polizei nicht nur mit maskierten Verbrechensbekämpfern zusammen, die ständig sämtliche Regeln brechen – da geht es um Folter, Nötigung oder Gehirnwäsche –, sondern auch die normalen Streifenpolizisten tragen eine Maske", sagt Dichmann. "Der Polizist tarnt sich, will im Anonymen bleiben, um sich selbst als Privatperson und die eigene Familie zu schützen."
Genauso machten es die Superhelden auch oft, so Dichmann, aber er sieht auch das Problem: "Da geht es natürlich um so etwas wie accountability, die völlig flöten geht, also um genau das, was bei den Protesten in den USA immer wieder eingefordert wird: dass die Polizisten für das, was sie tun, und für die Gewalt, die sie ausüben, zur Verantwortung gezogen werden."

Superhelden sind Teil des Problems

Die These zur Verteidigung von "Watchmen" lautet für Markus Dichmann, die Serie dekonstruiere die Superhelden und auch die sogenannte "Copaganda", die da drin stecke.
"Copaganda", eine Kombination aus Cops und Propaganda, also diese ewige Erzählung, dass die Polizei – oder eben weitergedacht – der Superheld für Recht und Ordnung sorgen würde, und dabei sei jedes Mittel recht. Selbstverständlich sei dann auch die Ausübung von Gewalt ein beinahe heldenhafter Akt.
Aber, wendet Dichmann ein, bei "Watchmen" seien die maskierten Helden nicht die Lösung, sondern Teil des Problems: "Das macht 'Watchmen' auch wirklich gut, die Serie ist zu Recht preisverdächtig", sagt Dichmann. "Ich finde aber gleichzeitig die Kritik, Superhelden wären ansonsten generell ein Werkzeug von 'Copaganda', ziemlich undurchdacht."
Es gebe eine dem Genre Superhelden "unterstellte Unterkomplexität", mein Dichmann. Kritiker des Genres nähmen gern an, dass darin eine bestimmte Form von Selbstjustiz gefeiert werde. Dabei habe ja die TV-Serie "Watchmen" ihre Vorlage in einem Superhelden-Comic aus den 80er-Jahren: "Das kommt nicht aus dem Nichts und ist, mit Verlaub, uralt."
(cre)
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