Stylistin

Im Zentrum der Tracht

Von Marina Schweizer · 17.02.2014
Laos, Kambodscha, Vietnam oder Rumänien. Dort sucht die Berliner Stylistin Katharina Koppenwallner nach ursprünglichen Trachten, um sie unter dem Namen "International Wardrobe" in ihrem Laden in Berlin-Mitte wieder zu verkaufen.
"Also, wir sind hier in meinem ungarischen 'Trachtenhinterzimmer'. Ich habe versucht, das so einzurichten, wie die Ungarn in Rumänien das machen. Das heißt, bei den Ungarn in Kalotaszeg wird da der ganze Raum vollgemacht mit Textilien, mit Wandtellern, mit bunt bemalten Möbeln und das sieht so ein bisschen aus, als ob die ein 'Horror vacui' hätten: Also, die Angst vor leeren Räumen. Da ist einfach alles voll. Und so habe ich versucht, das jetzt zu übernehmen. Kissen sind bei denen auch ein großes Thema. Deshalb habe ich Kissen. Das sind immer die Farben blau, rot, bisschen weiß und schwarz."

Mode und Ethnologie
"Ich habe Kunstgeschichte studiert und Volkskunde, das ist so was wie europäische Ethnologie, und habe dann lange im Modebereich gearbeitet. Ich habe Zeitschriften gemacht für Kindermode und habe viel als Stylistin gearbeitet, was ich immer noch mache. Und ich habe jetzt mit dem Konzept 'International Wardrobe' meine ganzen verschiedenen Bereiche zusammengebracht, weil ich jetzt rumfahre, Dinge suche, bewerte, auswähle und sozusagen weitervermittle. Das ist so ein bisschen die Idee hinter 'International Wardrobe'.

Angefangen hat es, weil ich selber eine rumänische Trachtenbluse gesucht habe, also es geht wirklich ums Suchen und ums Finden. Die Dinge, die ich finde, ändere ich kaum ab. Also, sie sind so, wie sie sind. Manchmal mache ich vielleicht noch eine Naht rein oder nicht. Aber es geht natürlich schon darum, dass die Sachen authentisch sind. Also, dass das, was ich finde, das ist, was getragen wurde und einfach aus dem Kontext genommen wird, und hier dann weitervermittelt und weiterverkauft wird.

Dies ist eine Aluminiumkrone von den Miao, die jetzt in dem Fall in Yunnan leben. Die gibt es allerdings auch in Laos. Das haben die jungen Mädchen auf bei Festen vor allen Dingen. Manche Leute sammeln so was, die möchten das dann einfach haben, weil sie es toll finden. Also, die sehen das eher so skulptural. Ansonsten ist es für mich eigentlich eher so ein Zusatz, den ich zeige.

Das sind jetzt Jacken, die haben die Kinder in Nordvietnam auch getragen. Die sind extrem, man merkt das ja, die sind wirklich geliebt und getragen und die kann man auch beflecken und dann kann man es wieder waschen. Ich hab die Sachen ja auch alle gewaschen. Ich sehe die wirklich, dass man die gebraucht."

Halb Boutique, halb Museum
"Und da sind dann auch noch mal so Sachen drin, die ich nicht verkaufe. Ich kann nicht alles verkaufen, weil, dann bewahre ich keine Kultur. Dann ist alles, was ich hier im Laden hatte, auch irgendwann weg. Ich behalte jetzt auch nicht die besten Sachen, sondern ich behalte Sachen, wo ich sage: 'Die haben so eine gewisse Aussage oder die stehen für etwas.' Also, es muss auch irgendwie zusammengehalten werden in einer Sammlung, sonst geht das nicht.

Also, es ist immer ein bisschen unterschiedlich, mit was für Materialien die Leute arbeiten. Hier, das hört man auch. dieses Rascheln. Das ist plissiert und das ist ein handgefärbter Stoff, der ist so steif geworden, weil der wurde mit Eiweiß oder mit ausgekochten Knochenflüssigkeiten bearbeitet und getrocknet und dann geklopft, und dadurch glänzt das so und ist so steif. Das ist typisch für verschiedene Minderheiten auch in Guizhou und Yunnan.

Und wenn wir hier so eine Jacke haben von den Yao aus Nordvietnam. Da sind die Ärmel bestickt und dann gibt es immer so eine rote Applikation, die so lang verläuft. Das ist ein Symbol für den roten Fluss, über den die damals geflohen sind. Und das sind die Reisfelder, das ist dann so sehr exakt in einer Reihung gestickt, was ja dann auch wirklich so an die Reisfelder erinnert, weil so läuft das: zack, zack, zack, zack, eine Reispflanze nach der anderen. Und so hat halt alles seine Bedeutung."

Trachten aus der ganzen Welt
"Ich gucke, dass ich eine lange Reise im Jahr mache und dann noch so zwei kurze. Das ist natürlich so eine finanzielle Sache, weil ich wäre natürlich gerne mehr weg. Auf der anderen Seite muss ich das Ganze ja erst mal so ins Rollen bringen, dass ich es auch verkaufen kann, und dafür muss ich auch da sein. Weil das geht sonst nicht.

Das Konzept heißt ja 'International Wardrobe'. Es geht um ethnische Bekleidung, um 'folk costume', sagt man im Englischen. Und das sollen Sachen sein, die noch gelebt werden, also, die noch getragen werden. Und dementsprechend kann man auf der ganzen Welt solche Epizentren der Tracht sozusagen finden.

Und dazu gehört eben auch Indochina und dieser ganze, man nennt es in der Ethnologie 'Zomia', das ist dieses ganze südasiatische Zentralmassiv. Das geht in China los, und geht dann Nordthailand, Nordlaos, Nordvietnam, zieht sich so in der Region. Also, man geht dann sozusagen über die Grenzen rüber. Und da gibt es natürlich auch noch andere Orte in Zentralasien. Ich denke gerade über Usbekistan nach. Dann gibt es natürlich auch noch Amerika. Es sind in der Regel immer Orte, die ab vom Schuss sind, die in den Bergen sind, wo sich die ethnischen Minderheiten zurückziehen oder beziehungsweise abgedrängt wurden, wo ich noch ethnische Klamotten finde oder wo ich noch Leute finde, die das auch tragen."

Die Globalisierung vor der Globalisierung
"So ein Endziel von mir ist, dass man sozusagen sieht, dass die ganzen Sachen, die ich aus der ganzen Welt zusammengetragen habe, dass es eine Art Globalisierung vor der Globalisierung gibt. Nämlich: Es sind viele Arten und Weisen, wie Textilien bearbeitet werden, wie sie gewebt werden, bestickt werden, gleich. Ob wir jetzt in Südamerika sind oder in Südostasien. Also ich habe zum Beispiel aus China, aus Yunnan gestickte Kreuzsticharbeiten mitgebracht, die könnten genauso gut aus Ungarn sein. Da sieht man wirklich keinen Unterschied und das finde ich sehr faszinierend.

Ich bin Katharina Koppenwallner und ich habe mittlerweile einen kleinen Laden, ein kleines Label, das heißt 'International Wardrobe' und da verkaufe ich alte ethnische Kleidung."+

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