Sturz der Hodscha-Statue vor 25 Jahren

Später Wandel in Albanien

Das Transparent zeigt den ehemaligen albanischen Diktator Enver Hodscha, an dessen Grab.
Ein Transparent am Grab Enver Hodschas mit dem Porträt des ehemaligen albanischen Diktators © AFP / Gent Shukullaku
Von Werner Bloch · 20.02.2016
Vor 25 Jahren fiel in der Hauptstadt Tirana die Statue Enver Hodschas. Vier Jahrzehnte lang hatte der Diktator Albanien tyrannisiert - eine Art "Nordkorea am Mittelmeer". Mit einem schlechten Image hat das Land bis heute zu kämpfen.
Ein Diktator geht in die Knie. Am 20. Februar 1991 fällt auf dem Skanderbergplatz in Tirana die Statue des früheren Staatschefs Enver Hodscha. Ein eindrucksvolles Schwarzweißfoto zeigt die wütende Menge und den taumelnden Diktator. Es scheint, als werde hier bereits eine Szene vorweggenommen, die die Fernsehkameras ein Jahrzehnt später aus Bagdad übertragen werden: der Moment, als die Monumentalstatue von Saddam Hussein vom Sockel geholt wird. Der Politologe und Albanien-Experte Frank Abrahams von Human Rights Watch:

"Dieser Augenblick, der Fall der Statue des Diktators in Tirana, war enorm wichtig, weil dieses Ereignis den Albanern ihre Angst nahm. Das Abbild Enver Hodschas, der das Volk 41 Jahre lang tyrannisiert hatte, wurde vom Sockel geholt. In diesem Augenblick begriffen die Albaner, dass das kommunistische System endgültig am Ende war."

Begonnen hatte der Aufstand rund zwei Monate vorher - nach einem illegalen Konzert zu Ehren John Lennons. Die heutige Kulturministerin Mirela Kumbaro war in dieser Nacht dabei:
"Damals saß eine Gruppe von Studenten, Professoren, Künstlern und Schauspielern, Journalisten und Schriftstellern im Keller der Kunstakademie von Tirana, um den 20. Todestag von John Lennon zu feiern. An diesem Abend sind die Studenten nach der Party ins Studentendorf gezogen und haben den Protest begonnen. Es gab da einen Hungerstreik und vieles mehr."

Es folgten turbulente Zeiten. Wirtschaftliches Chaos, eine blühende Korruption, eine massenhafte Auswanderungswelle, oft auf maroden, kaum seetauglichen und überfüllten Schiffen über die Adria, ins nur 60 Kilometer entfernte Italien. Wer heute nach Tirana kommt, kann sich das kaum noch vorstellen. Eine freundliche, wuselige Stadt mit mediterranem Klima, die Bewohner – vor allem die vielen Jugendlichen – scheinen das Leben ungehemmt zu genießen, nachts, in den zahlreichen guten Restaurants und Clubs.

Politisch ist Albanien heute stabil

Zwar bleibt die Armut vor allem auf dem Land ein Problem. Doch politisch ist Albanien heute stabil, auch dank Ministerpräsident Edi Rama. Der war elf Jahre Bürgermeister von Tirana und bestimmte die Politik mit ungewöhnlichen Mitteln – auch mit Kunst. In einer berühmten Malaktion ließ er die Hausfassaden in Tirana anstreichen, zwischen quietschorange und lindgrün – und erzielte so einen überraschenden Effekt:
"Als wir das erste Gebäude bemalten, indem wir das düstere Grau einer Fassade mit einem strahlenden Orange strichen, passierte etwas Unvorstellbares. Die Menschen bekannten sich wieder zu ihrer Heimat. Sie begannen zum Beispiel, weniger Müll in den Straßen fallen zu lassen. Sie begannen, Steuern zu zahlen und etwas zu fühlen, was sie vergessen hatten."

Eine Aufarbeitung der quälenden Diktatur, die ja die meisten Albaner noch erlebt haben, hat jedoch niemals stattgefunden – oder besser, sie hat gerade erst begonnen. Die ehemalige Journalistin und Universitätsdozentin Jonila Godile gründete ein privates "Institut für Demokratie, Medien und Kultur", das von der Konrad Adenauer Stiftung unterstützt wird:
"Das Ziel des Instituts ist eigentlich so eine Aufarbeitung mit Jugendlichen, was Aufarbeitung der Vergangenheit angeht, also verschiedene Projekte, wie man über die Diktatur reflektieren sollte, was in den 25 Jahren nicht gemacht worden ist, mangelhafte Erziehung auch und in der Schule wird kaum was gemacht."

Ein Hauptproblem bleibt das international schlechte Image Albaniens – Mafia und Korruption. Das will Kulturministerin Kumbaro ein für allemal hinter sich lassen:

"Bisher beruht das Albanien-Bild auf zwei Klischees: Mafia und Migrationsprobleme. Wir wollen, dass das Ausland von seinem Albanien-Bashing wegkommt und in seinen Zeitungen unsere kulturelle Identität zur Kenntnis nimmt, die das wahre Albanien ausmacht."
Mehr zum Thema