Albanien

Traum von der "Schweiz am Meer"

Aufräumarbeiten in Albaniens Hauptstadt Tirana, nach einer Demonstration gegen die Regierung.
Aufräumarbeiten in Albaniens Hauptstadt Tirana, nach einer Demonstration gegen die Regierung. © imago images / ZUMA Press
Von Stephan Ozsváth · 18.09.2014
Vetternwirtschaft und Korruption verbauen vielen albanischen Jugendlichen den erfolgreichen Start. Aber in Zeiten der europäischen Wirtschaftskrise besinnen sich etliche wieder auf ihr Land.
Der private albanische Nachrichten-Kanal News 24. Der Sender aus Tirana ist der Arbeitsplatz von Aurora Golemi. Die 24-Jährige arbeitet nicht vor der Kamera, sondern bereitet hinter den Kulissen die Sendungen vor. Sie schimpft über die Mentalität ihrer Landsleute, über die Ungerechtigkeit im Job:
"Eine Karriere von Frauen wird nicht gerade unterstützt. Und ich weiß natürlich, dass mein männlicher Kollege besser als ich bezahlt wird. Natürlich spielen die Vorurteile gegenüber Frauen eine Rolle, die ihre Karriere in Albanien verhindern."
Aurora lebt noch bei ihren Eltern, erzählt sie, sie stammt aus eher bescheidenen Verhältnissen. Auch ihre Freundin Vjollca Shehu weiß, wie schwer es ist, mit wenig Geld zu überleben. Die 25-Jährige stammt aus der Provinz, musste deshalb eine kleine Wohnung in der Hauptstadt Tirana mieten. Ihr Gehalt als Zeitungsredakteurin reicht gerade so, erzählt sie:
"Das Erste was ich mache, wenn ich mein Gehalt bekomme, ist, das Geld für die Miete beiseite zu legen. Ob das Geld dann noch für etwas anderes reicht, da muss ich lange überlegen. Geschweige denn etwas davon zu sparen, davon kann keine Rede sein, dafür sind unsere Gehälter zu niedrig."
Doch auch wenn die jungen Redakteurinnen schlecht bezahlt werden – sie haben noch Glück. Denn einen Job zu finden, ist für junge Leute in Albanien nicht leicht. Jeder dritte Albaner, der jünger ist als 24 Jahre, ist arbeitslos. Etwa Musikstudent Arijel Caco. Der 20-Jährige lernt Akkordeon:
"Meine Familie unterstützt mich, sagt Arijel. Ich wollte zwar auf eigenen Füßen stehen, aber das geht nicht. Du findest einfach keine Jobs. Dafür brauchst du Beziehungen. Deswegen ist es schwierig. Ich werde deshalb versuchen, ins Ausland zu gehen."
Die Vetternwirtschaft ist entmutigend
Denn die allgegenwärtige Vetternwirtschaft nervt den jungen Albaner. Unsere Stimme wird nicht gehört, uns wird der Mund sehr schnell verschlossen, schimpft er.
"Erfolgreich ist hier nur der mit den besten Beziehungen", so die Schlussfolgerung des jungen Studenten.
Etwa eine Million seiner Landsleute dachten wie er – sie haben das Balkanland nach der politischen Wende Anfang der 1990er-Jahre verlassen. Ein Viertel der Bevölkerung ging weg zum Arbeiten: Nach Griechenland, nach Italien, in andere westeuropäische Länder. In der Krise sind sie wieder gekommen, drängen auf den albanischen Arbeitsmarkt, manche bringen aber auch Devisen mit. Die beiden jungen Frauen möchten nicht weg aus Albanien, sagen sie.
Vjollca träumt von einer Schweiz am Meer, wie sie sagt:
"Die Schweiz mit Meer – so hat das ein kluger Politiker Albanien mal genannt. Mehr Albaner kehren in ihre Heimat zurück und das wird für das Land gut sein."
In den nächsten Jahren erwarten albanische Politiker einen Boom – durch eine Pipeline, die Erdgas aus dem Kaspischen Meer via Albanien nach Italien bringen soll. Und auch der EU-Kandidatenstatus bringt Vorteile mit sich. Denn schon die Annäherung an die Staatengemeinschaft bedeutet, dass Geld fließt.
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