Der Blick von außen

Was das Berliner Wahlchaos bedeutet

08:14 Minuten
Eine Mutter hockt mit zwei Kindern in einer Wahlkabine.
Berlin wählt neu: Die Landeswahlleitung hat nun 90 Tage Zeit, Neuwahlen zu organisieren. © picture alliance / Flashpic / Jens Krick
Rebecca Meier im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 17.11.2022
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Die Wahlen aus dem September müssen laut einem Gerichtsentscheid in Berlin wiederholt werden. Ob dieses Urteil die internationale Bedeutung demokratischer Wahlen beeinflusst und dem Ansehen Deutschlands schadet, erklärt Wahlbeobachterin Rebecca Meier.
Wahlfehler, Wahlpannen und Wahlwiederholungen kennt man aus westlichen Demokratien eher selten. Doch in der Hauptstadt wird es nach einem Urteil des Berliner Verfassungsgerichts genau dazu kommen: Die Wahlen aus dem September zum Abgeordnetenhaus (AGH) und den Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) wurden für ungültig erklärt, eine Wiederholung muss innerhalb von 90 Tagen nach dem Urteil stattfinden.
Wahlbeobachterin Rebecca Meier vom Zentrum für Internationale Friedenseinsätze erklärt die Außenwirkung dieser Entscheidung: "In den großen internationalen Medien war das nur am Rand Thema." Das hänge unter anderem mit der Situation in der Ukraine zusammen.

Stolpern ist nicht ungewöhnlich

Meier nennt als Beispiel für Probleme bei Wahlen und Regierungsbildung auf europäischer Ebene Belgien, das mehr als 600 Tage lang ohne offizielle Regierung war. "Es ist gar nicht so ungewöhnlich, dass man mal ins Stolpern kommt", sagt sie.
Sie selbst war im September 2021 in Berlin als Wahlhelferin im Einsatz, allerdings nicht in offizieller Beobachtungsfunktion.
"Aber wir hatten Gäste von der OSZE [Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Anm.d.Red.], die sich die Wahlen punktuell auch in Berlin angeguckt haben." Zur Erinnerung: Im September 2021 wurde nicht nur die Berliner Landesregierung neu gewählt, sondern auch die Bundesregierung.

Was macht demokratische Wahlen aus?

Wiederholt werden allerdings berlinweit nur die BVV-, sowie die AGH-Wahl. Für die Bundesregierung muss voraussichtlich nur in einigen Wahlbezirken neu gestimmt werden, eine Anfechtung durch CDU/CSU und AfD gilt als wahrscheinlich. Auch ein Bürgerentscheid zu einer möglichen Enteignung der Deutsche Wohnen wird nicht wiederholt, weil niemand dagegen geklagt hatte.
Die Demokratie sieht Meier wegen der beschlossenen Neuwahlen nicht in Gefahr. Als wichtige Kriterien für demokratische Prozesse nennt sie die Regelmäßigkeit von Wahlen sowie ein gleiches Wahlrecht für alle - sowohl passiv als auch aktiv. "Das ist Teil der nationalen Gesetzgebung, aber auch Teil der internationalen Verpflichtungen auf Ebene der UN oder EU", so die Wahlbeobachterin.
(lsc)
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