Studie zu gesellschaftlicher Teilhabe

Mehr Gerechtigkeit für die Enttäuschten

08:22 Minuten
Das Bild zeigt eine Frau, die ein Schild mit der Aufschrift Gerechtigkeit vor ihr Gesicht hält.
Beliebte Forderung auf Demos: mehr Gerechtigkeit. Besonders Enttäuschte wünschen sich mehr davon. © imago images / Peter Endig
Laura-Kristine Krause im Gespräch mit Axel Rahmlow · 24.10.2019
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Wenn von gesellschaftlicher Teilhabe die Rede ist, geht es derzeit vor allem um den Gegensatz Ost-West. Eine neue sozialpsychologische Studie versucht es anders und hat in der Gesellschaft sechs Typen mit verschiedenen Bedürfnissen gefunden.
Betrachtet man aktuelle Studienergebnisse zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, sieht es nicht gut aus:
  • 30 Prozent der Menschen in Deutschland fühlen sich sozial und politisch nicht eingebunden,
  • eine knappe Mehrheit findet, dass sich die gesellschaftliche Lage in den letzten fünf Jahren verschlechtert hat,
  • jeder Zweite ist unzufrieden damit, wie die deutsche Demokratie funktioniert,
  • 70 Prozent der Menschen in Deutschland sind der Meinung, dass sich das Land in die falsche Richtung bewegt.
Das sind die zentralen Ergebnisse der Studie "Die andere deutsche Teilung" der Forschungsorganisation "More in Common". "Anders" ist die Teilung, die die Leiterin Laura-Kristine Krause in der Studie beschreibt, deswegen, weil sie nicht entlang gängiger Kategorien wie "West" und "Ost", Alter oder dem sozioökonomischen Hintergrund verläuft. Die Teilung verläuft auf der sozialpsychologischen Ebene.
In der Studie hat Krause die Gesellschaft in sechs Typen eingeteilt: die Offenen, die Wütenden, die Involvierten, die Etablierten, die Pragmatischen und die Enttäuschten.

"Wir brauchen Menschen, die anders sind als wir"

Diese sechs Typen seien in der Bevölkerung ungefähr gleich groß. Schon diese Erkenntnis löse einen Knoten im Kopf und mache Hoffnung, denn kein Typ sei in der Mehrheit, sagt Krause: "Wir brauchen Menschen, die anders sind als wir für den Zusammenhalt".
Die Menschen in Ost und West würden sich demnach nicht so fundamental unterscheiden, wie es in der aktuellen Debatte den Anschein habe, sagt Krause. Sie unterschieden sich vor allem in ihrer aktuellen Einstellung, Orientierung und der Perspektive.
"Natürlich sehen wir ganz oft große Unterschiede, wenn es um Themen geht – und zum Beispiel die Wütenden haben einen hochproblematischen Blick auf Migration und ein sehr geschlossenes, nationalistisches Weltbild. Aber unsere amerikanischen Kollegen haben es zum Beispiel viel mehr mit so einer Polarisierung zu tun", sagt Krause.

Am Ende geht es um politische Angebote

Ein großes Problem: 30 Prozent der Befragten fühlen sich nicht eingebunden in das gesellschaftliche Leben. Krause nennt sie "das unsichtbare Drittel". Es bestehe vor allem aus den Pragmatischen und den Enttäuschten. Sie fühlten sich überdurchschnittlich einsam, nicht sozial eingebunden – und fern des politischen Systems.
Dieses "unsichtbare Drittel" zu erreichen und das Vertrauen in die Demokratie wieder zu gewinnen, sei die große Aufgabe. Das gelinge zum Beispiel, indem man mehr auf das Verbindende schaue und darauf, welche Themen den verschiedenen Typen wichtig seien: "Gerade bei den Enttäuschten sehen wir zum Beispiel: Für die sind Gerechtigkeitsfragen unfassbar wichtig." Am Ende ginge es neben zivilgesellschaftlicher Initiative darum, politische Angebote an die entsprechenden Typen zu formulieren.
(sed)
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