Flüchtlingsunterkunft statt Turnhalle
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Darf neben einem denkmalgeschützten Gebäude statt einer Turnhalle eine Flüchtlingsunterkunft entstehen? Bei einem Berliner Ortstermin musste darüber nun das Verwaltungsgericht entscheiden. Der Eigentümer des Gebäudes hatte geklagt. Mieter ist eine Privatschule.
Ortstermin im Süden Berlins. Die komplette 13. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts ist rausgefahren, dazu Vertreter der Berliner Landesverwaltung, diverse Anwälte, Anwohner und Lokalpolitiker. Das Verwaltungsgericht will hier im Osteweg eine mündliche Verhandlung unter freiem Himmel abhalten. Denn für die strittigen Fragen ist es wichtig, die örtlichen Gegebenheiten im Blick zu haben.
Etwas abseits der Straße ragt ein graues Gebäude empor. Das denkmalgeschützte ehemalige Telefunken-Werk ist heute an eine Privatschule vermietet. 50 Meter daneben ein Grundstück, auf dem ein Bagger eine Baugrube aushebt. Auf dem Baustellen-Schild steht: "Berlin baut Zukunft. Hier entstehen modulare Unterkünfte für Flüchtlinge", in der Verwaltungs-Szene stets mit MUF abgekürzt.
In einem knappen Jahr sollen hier 211 geflüchtete Menschen wohnen können. Kein Provisorium, richtige Wohnungen. Aber gegen diese Flüchtlingsunterkünfte haben die Inhaber des Grundstücks, auf dem das denkmalgeschützte Gebäude steht, geklagt. Volker Imhoff sagt, er vertrete die klagenden Grundstücksbesitzer. Der Bezirk habe versprochen, auf dem Grundstück eine Turnhalle zu bauen.
"Wenn jetzt die Flüchtlingsunterkunft kommt, dann kann keine Turnhalle gebaut werden. Aber ursprünglich war mit Land und Bezirk vereinbart, dass eine Turnhalle kommt, die dann auch die Privatschule, die wir als Mieter haben, genutzt werden kann."
Es geht nicht gegen die Flüchtlinge
Amela Heinkel von der klagenden Grundstücks-Firma S&SR Projekt GmbH & Co. KG bestreitet, dass es gegen Flüchtlinge gehe.
"Nein, das finde ich von der Argumentation irrsinnig. Berlin hat ein paar leerstehende Flüchtlingsunterkünfte, auch gerade hier vor Ort sind schon einige Unterkünfte. Es geht uns um einen Standort für die Kinder und die Schule, das auch als Sportplatz nutzen zu können."
Es hat sich auch eine Bürgerinitiative gebildet gegen die Flüchtlingsunterkunft. Ein Mann, der seinen Namen nicht nennen will, sagt, er wohne hier um die Ecke und unterstütze diese Bürgerinitiative, aber nicht, weil er etwas gegen Flüchtlinge habe.
"Ich will hier gar nicht über Flüchtlingsunterkünfte sprechen. Ich bin hier für einen Schulstandort und dafür setze ich mich auch ein, genau wie die Bürgerinitiative. Ich würde hier genauso gegen eine Tankstelle, selbst gegen eine Seniorenresidenz protestieren. Wir sind im Jahr 2006 hergezogen und immer heißt es: Genau hier kommt eine Schule her."
Ein Blick in den Bebauungsplan
Und tatsächlich: Im Bebauungsplan ist für das Grundstück der Zweck festgeschrieben: "Kita, Schule, Spielplatz". Die klagenden Eigentümer des Grundstücks mit der Privatschule sagen, für unser Grundstück ist "Kita, Schule, Spielplatz" vorgeschrieben, deswegen mussten wir das denkmalgeschützte Gebäude an eine Schule vermieten. Für das Nachbargrundstück ist ebenfalls "Kita, Schule, Spielplatz" vorgeschrieben – wieso darf da jetzt eine Flüchtlingsunterkunft errichtet werden? Die Berliner Verwaltung begründet das so: Berlin brauche dringend Flüchtlingsunterkünfte.
Zwar kommen immer weniger geflüchtete Menschen nach Berlin. Zwar sind in ganz Berlin nach Auskunft des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten 1800 Plätze für Geflüchtete frei. Aber der Eindruck, dass deshalb ausreichend Platz da sei, täusche. Viele Geflüchtete lebten derzeit noch in provisorischen Containern, deren Betriebserlaubnis auslaufe. Allein deshalb bräuchten in den kommenden drei Monaten rund 1000 Menschen eine neue Wohnung. Dazu kämen die rund 600 Geflüchteten, die jeden Monat neu nach Berlin kommen.
Deswegen sei es vertretbar, auf einem Grundstück, das eigentlich für "Kita, Schule, Spielplatz" vorgesehen sei, eine Flüchtlingsunterkunft zu errichten. Schließlich sei das auch eine soziale Einrichtung und im öffentlichen Interesse.
Der Richter wirkt ehrlich zerknirscht
Der vorsitzende Richter der 13. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts steht in Zivil zwischen den Anwälten, Beamten und Anwohnern, breitet den Bebauungsplan aus, spricht fürs Protokoll in sein Diktiergerät und muss dann einen Patzer seines Gerichts eingestehen. Die Geschäftsstelle habe übersehen, dass eine ehrenamtliche Richterin gehbehindert ist.
"Das Problem ist, dass unsere ehrenamtliche Richterin Frau Debla nicht stehen kann. Sie kann auch schlecht aus dem Auto raus. Und deswegen machen wir jetzt die Augenscheinsannahme und fahren aber dann zur mündlichen Verhandlung, die wir sonst immer an Ort und Stelle machen, zurück ins Gericht und machen um 11 Uhr 30 weiter."
Der Richter wirkt ehrlich zerknirscht.
"Außerdem ist das Verwaltungsgericht, kann ich hier mal sagen, drastisch unterbesetzt. Wir haben statt zwei Geschäftsstellenkräfte nur eine und es ist ein Wunder, dass nicht mehr Fehler passieren."
Keine Beeinträchtigung des Denkmalschutzes
In der mündlichen Verhandlung im Gericht führen die Anwälte der Kläger noch an, die Flüchtlingsunterkunft beeinträchtige die Gesamterscheinung des denkmalgeschützten Schulgebäudes. Die Richter schütteln den Kopf. Schule und MUF werden voneinander 70 Meter entfernt sein, keine Gefahr für den Denkmalschutz. Soviel hat der Ortstermin dann doch gebracht.
Das Gericht weist den Eilantrag zurück, die Flüchtlingsunterkunft kann weitergebaut werden. Die Kläger überlegen jetzt, ob sie Beschwerde einlegen.