Streit um ethnologische Sammlungen

Jede geraubte Maske hinterlässt ein spirituelles Loch

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Das Foto zeigt afrikanische Masken im Völkerkundemuseum der Franziskaner, Werl.
Afrikanische Masken im Völkerkundemuseum der Franziskaner, Werl. © picture alliance / dpa / Uta Poss
Albert Gouaffo im Gespräch mit Dieter Kassel · 09.01.2020
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Die ethnologischen Museen hierzulande sind voll von afrikanischen Masken oder Figuren aus Papua-Neuguinea. Wir betrachten sie als Kunstobjekte. Doch eigentlich sind sie Kultobjekte und gehören nach Hause, sagt der Kameruner Kolonialforscher Albert Gouaffo.
Wenn eine Maske aus einem afrikanischen Land nach Deutschland gebracht wird, um sie dort in einem Museum zu zeigen, hinterlässt das in Heimatland der Maske ein spirituelles Loch. Das ist die Perspektive von Albert Gouaffo, Professor für germanistische Literatur- und Kulturwissenschaft sowie interkulturelle Kommunikation an der Universität de Dschang, Westkamerun. Seine Forschungsschwerpunkte sind Kolonialgeschichte, Postkolonialismus und Gedächtnisstudien.
Gouaffo betrachtet die Ausstellungsstücke der ethnologischen Museen nicht als Kunstobjekte, sondern als Kultobjekte oder ehemalige Gegenstände des alltäglichen Lebens. "Im Museum sind sie tot", sagt er.
Der Betrachter in Deutschland sehe nur eine Maske - doch hinter dieser stecke eine "große symbolische Kraft". Es sei Zeit, dass die Objekte zurückgebracht würden, damit ihre Geschichte neu geschrieben werden könne.

Kein radikales Umdenken

In der Diskussion um die Rückgabe von Kulturgütern kritisiert Gouaffo die europäischen Museen deutlich. Zumeist gehe es diesen darum, den Kontext des Erwerbs eines Objekts zu rekonstruieren und so die Bestände zu legitimieren. "Es geht nicht – so ist mein Empfinden mittlerweile – um ein radikales Umdenken", sagt der Wissenschaftler.
Die Kolonialgeschichte mitsamt der Verbringung von Objekten nach Europa ist Gouaffos Ansicht zufolge noch nicht aufgearbeitet worden. Die Museen für Völkerkunde in Europa seien ehemals als "Instrumente der Machtausübung" gegründet worden, sagt er. Sie hätten die Überlegenheit der eigenen Kultur in Abgrenzung zu fremden, "primitiven" Kulturen zeigen sollen.
"Das müssen wir erst mal in Erinnerung rufen. Jetzt heißt es, diese Institutionen zu dekolonisieren. Aber eine bloße Namensänderung ist für mich nur Kosmetik." Es müsse eine grundlegende Diskussion geben, fordert Gouaffo.
(ahe)
Alexander vom Humboldts Naturgemälde der Tropenländer (1807) zeigt einen Querschnitt durch den Andenvulkan Chimborazo.
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