Die erste Philosophie war: Wir wollten unorganisierte Jugendliche erreichen. Es gibt ganz viele Jugendliche und Kinder, die in Vereinen Fußball spielen, aber der Bedarf an nichtorganisierten Menschen, die auch Fußball spielen wollen, war ganz groß, und der zweite Punkt war, dass wir die Kinder durch die Bolzplätze vernetzen wollten. Also wir bieten in verschiedenen Bolzplätzen Turniere an, sodass die Jugendlichen aus einem Stadtteil zu dem anderen gehen können, wo sonst überhaupt kein Bezug war.
Streetbolzer Kassel
Die Streetbolzer Kassel gibt es seit 2009. © Streetbolzer
Mit der integrativen Kraft des Fußballs
06:42 Minuten

Kassel in Nordhessen hat eine lange Sporttradition – auch durch den Eishockeyklub Kassel Huskies und die Fußballer von Hessen Kassel. Der einstige Zweitligist kooperiert nun mit dem Kulturverein Streetbolzer, der Sport mit Sozialarbeit verbindet.
So dicht am Aufstieg in die Fußball-Bundesliga ist Hessen Kassel nie mehr gewesen. Am vorletzten Spieltag Spitzenreiter, aber auch am 2. Juni 1985 geht der große Traum im dritten Anlauf nicht in Erfüllung.
1997 muss der Klub Insolvenz anmelden und stürzt danach zwischenzeitlich bis in die 8. Liga ab. Heute ist der KSV immerhin schon wieder viertklassig und versucht, junge Fans über eine Zusammenarbeit mit den Streetbolzern zu gewinnen.
Deutscher Fußball-Kulturpreis für die Streetbolzer
Ein 2009 gegründeter Kulturverein, der für seine sportlich-kulturellen Projekte bereits mehrfach ausgezeichnet worden ist - 2015 unter anderem mit dem Deutschen Fußball-Kulturpreis.
"Wir versuchen gerade so Leute, die Migrationshintergrund haben oder Kinder und Jugendliche, die aus der Neustadt sind, ins Stadion zu bringen. Das heißt, die Karten kriegen wir vom KSV gestellt oder von einem Fanprojekt. Wir versuchen dadurch die Kurven, ich sage mal ganz platt, ein bisschen bunter zu gestalten."
Turniere in verschiedenen Stadtteilen
Mustafa Gündar kommt aus Hannover, ist aber seit der Geburtsstunde der Streetbolzer mit an Bord. In den vergangenen 14 Jahren hat sich der Verein, für den überwiegend Männer arbeiten, in dem was er will, stetig weiterentwickelt.
Seit einigen Jahren hat Kassel in Nordhessen mit mehr als 18 Prozent eine besonders hohe Armutsquote. Jedes vierte Kind wächst in Familien oder bei Alleinerziehenden auf, die Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch II erhalten.
Die Kinder durch den Fußball erreichen
Umso wichtiger sind für die Minderjährigen, vor allem im Norden der Stadt, Freizeitangebote. Diese sind bei den Streetbolzern ganz bewusst nicht nur auf den Sport ausgerichtet.
„König Fußball ist der Türöffner gewesen, und wir wollten die Kinder durch den Fußball erreichen und denen eine kulturelle Bildung geben. Da haben wir angefangen mit filmen. Filme aufnehmen, also so eine Redaktionsgruppe, die sich trifft, Themen bespricht, dann filmt, dann schneidet und dann in Youtube reinstellt.“
„König Fußball ist der Türöffner gewesen, und wir wollten die Kinder durch den Fußball erreichen und denen eine kulturelle Bildung geben. Da haben wir angefangen mit filmen. Filme aufnehmen, also so eine Redaktionsgruppe, die sich trifft, Themen bespricht, dann filmt, dann schneidet und dann in Youtube reinstellt.“
Es geht auch um politische Bildung
Dabei geht es immer auch um die Vermittlung von sozialen Kompetenzen und politischer Bildung, wie es Mustafa Gündar formuliert.
„Wenn zum Beispiel jetzt das Thema Rassismus im Vordergrund steht, dann versuchen wir mit den Kindern und Jugendlichen zum Beispiel mit Gedenkveranstaltungen auf den Anschlag in Hanau aufmerksam zu machen. Was ist hier passiert? Warum gibt es Rechtsextremismus? Was können wir dagegen machen? Wie sind die demokratischen Strukturen? Bei uns in der Nordstadt wurde ja ein NSU-Mord begangen.. So sind die Kinder und Jugendlichen auch ganz nah dran an solchen Themen.“
Die Streetbolzer agieren vor allem mit Hilfe des Sports. Kassel hat wie viele mittlere und deutsche Großstädte jede Menge Bolzplätze, die von Kindern und Jugendlichen mal mehr und mal weniger bespielt werden.
Die Streetbolzer agieren vor allem mit Hilfe des Sports. Kassel hat wie viele mittlere und deutsche Großstädte jede Menge Bolzplätze, die von Kindern und Jugendlichen mal mehr und mal weniger bespielt werden.
Die meisten Teilnehmer sind männlich
„Wir haben da auch mal angefangen, ein kleines Quartett darüber zu gestalten mit fünf Kategorien, wo wir immer bewertet haben, wie weit ist es dahin mit dem nächsten öffentlichen Verkehrsmittel. Wo ist der nächste Supermarkt in der Nähe und so weiter. Es gibt mindestens 32 Plätze, wahrscheinlich noch mehr.“
Medienpädagoge Felix Knaus ist seit zweieinhalb Jahren bei den Streetbolzern und kümmert sich derzeit um eine inklusive Fußballgruppe. Beim Turnier in Berlin hat er aber auch ein Mädchenteam betreut. Bisher sind ungefähr 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die zum Verein kommen, männlich.
Medienpädagoge Felix Knaus ist seit zweieinhalb Jahren bei den Streetbolzern und kümmert sich derzeit um eine inklusive Fußballgruppe. Beim Turnier in Berlin hat er aber auch ein Mädchenteam betreut. Bisher sind ungefähr 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die zum Verein kommen, männlich.
Wir haben dann versucht, das so aktiv wie möglich anzugehen, da gegenzusteuern. Deswegen haben wir die Mädchengruppe auch ins Leben gerufen. Weil es gab teilweise auch Situationen, dass sich die Mädchen nicht getraut haben, oder es ihnen sogar von den großen Brüdern oder der Familie verboten wurde, Fußball zu spielen. Und deswegen versuchen wir jetzt, einen sicheren Rahmen zu schaffen.
Vor allem Jugendliche mit Migrationshintergrund
Besonders männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund suchen bei den Streetbolzern den sportlichen Wettkampf.
„Da geht´s dann auch mal wilder zu. Wir haben einmal im Jahr auch ein riesiges Turnier, das wir bei uns veranstalten - „Kick rechts weg“, da waren über 200 Jugendliche da, und da kommen auch teilweise Teams, die schon lange zusammenspielen. Und da geht es dann richtig zur Sache. Da müssen wir dann auch manchmal richtige Schiedsrichter engagieren.“
„Da geht´s dann auch mal wilder zu. Wir haben einmal im Jahr auch ein riesiges Turnier, das wir bei uns veranstalten - „Kick rechts weg“, da waren über 200 Jugendliche da, und da kommen auch teilweise Teams, die schon lange zusammenspielen. Und da geht es dann richtig zur Sache. Da müssen wir dann auch manchmal richtige Schiedsrichter engagieren.“

Bei den Streetbolzern spielen viele junge Menschen mit Migrationshintergrund mit.© Streetbolzer Kassel
Wenn die Hormone junger Männern die Sinne vernebeln, hat Fair Play jedoch mitunter einen schweren Stand. Dennoch ist es auch dann nicht unmöglich, die integrative Kraft des Fußballs zu beschwören, die Mustafa Gündar in den Siebzigern sehr geholfen hat, Teil der bundesdeutschen Gesellschaft zu werden. Das motiviert ihn, seine Erfahrungen von damals an die Kinder und Jugendlichen von heute weiterzugeben.
Fußball als "Türöffner"
„Der Fußball war für mich der Türöffner damals, mit deutschen Kindern in Kontakt zu kommen. Man muss sich vorstellen, das waren die Gastarbeiterkinder und den ersten Bezug zu den Menschen, die keine Türken waren, also aus dem türkischen Hintergrund kamen, war der Fußball. Wie gesagt mit dem Fußball habe ich die Integration eigentlich kennengelernt.“
Das kann natürlich auch im Jahre 2023 gelingen. Dafür muss bei den Heranwachsenden allerdings auch die Bereitschaft vorhanden sein, Hilfe anzunehmen. Was für diejenigen, die in Deutschland geboren sind, sich aber sich hier nicht heimisch fühlen, eine echte Herausforderung bedeutet.
Das kann natürlich auch im Jahre 2023 gelingen. Dafür muss bei den Heranwachsenden allerdings auch die Bereitschaft vorhanden sein, Hilfe anzunehmen. Was für diejenigen, die in Deutschland geboren sind, sich aber sich hier nicht heimisch fühlen, eine echte Herausforderung bedeutet.