Steuerhinterziehung

Die Resozialisierung des Uli Hoeneß

Der frühere Präsident des FC Bayern München Uli Hoeneß am vierten Prozesstag.
Mit dem Fall Hoeneß sollte die Geschichte der strafbefreienden Selbstanzeige endgültig zu Ende gehen, fordert Prantl. © Christof Stache, dpa / picture-alliance
Von Heribert Prantl, "Süddeutsche Zeitung" · 15.03.2014
Im Fallen, im Abstieg ins Gefängnis zeigt Uli Hoeneß wieder Größe. Mit einer sehr respektablen Erklärung habe er sich seiner Verantwortung gestellt, kommentiert Heribert Prantl von der "Süddeutschen Zeitung".
Die Verurteilung des Uli Hoeneß zeigt: Das Steuerstrafrecht, das lange Zeit ein gut wattiertes und gönnerhaftes Strafrecht für die besseren Kreise war, ist zu einem echten Strafrecht, zu einem strafenden Strafrecht geworden. Bei Mord und Totschlag, bei den klassischen Kapitaldelikten also, läuft ja die Strafjustiz seit jeher zu großer Form auf. Neuerdings gilt das nun auch bei den Kapitaldelikten der anderen Art, den Delikten also, bei denen das Kapital eine Rolle spielt. Kavaliersstrafrecht? Nicht mehr. Das ist vorbei. Bei Steuerhinterziehung in Millionenhöhe droht Haft.
Uli Hoeneß hat diese Haft angenommen und auf Revision verzichtet. In einer sehr respektablen Erklärung hat er sich seiner Verantwortung gestellt. Der Mann, der für so viele ein Vorbild war, sich dann mit Steuerhinterziehung in Millionenhöhe selbst vom Sockel stürzte, er zeigt im Fallen, im Abstieg ins Gefängnis wieder Größe. Von ihm hat man früher oft gesagt, um seine Tatkraft und Energie zu beschreiben, er sei einer, der den Stier bei den Hörnern packt. Nun packt er sich selbst bei den Hörnern. Das ist durchaus eindrucksvoll.
Der Verzicht auf Revision hat – wenn wir einmal davon ausgehen, dass auch die Staatsanwaltschaft darauf verzichtet – einen großen Vorteil: Die Sache wird rechtskräftig, sie kann sich also nicht mehr zum Noch-Schlechteren für Hoeneß wenden.
Mit dem Haftantritt beginnt seine Resozialisierung
Dafür entschwindet aber die Chance, dass an Hand des Falles Hoeneß der Bundesgerichtshof klare Maßstäbe für die strafbefreiende Selbstanzeige entwickelt. Aber die Fortentwicklung des Rechts ist ja nicht unbedingt das erste Interesse des Uli Hoeneß. Er muss wieder Ruhe in sein Leben und in den FC Bayern bringen – also die Verantwortung für seine kriminellen Fehler übernehmen. Hinausschieben hilft da wenig. Und mit dem Haftantritt beginnt seine Resozialisierung. Vielleicht kann er ja dann eines Tages gar wieder Präsident seines Vereins werden.
Steuerhinterziehung ist zu einem Delikt mit kapitalen Auswirkungen geworden. Dieses Kapitaldelikt führt zu einer gesellschaftlichen Schubumkehr beim Beschuldigten, zu einer Rufumkehr: Er verliert Reputation, Achtung und Ansehen. All seine Verdienste werden bemäkelt, wenn er seine finanziellen Verdienste nicht ordentlich versteuert und dies entdeckt wird.
Schubumkehr dient beim Flugzeug der ordentlichen Landung, dem Abbremsen am Boden. Die vom Steuerdelikt ausgelöste Rufumkehr führt zu einer brutal harten Landung für den Beschuldigten. Uli Hoeneß hat das seit seiner Selbstanzeige vom Januar 2013, die unter Bruch des Steuergeheimnisses bekannt wurde, erfahren. Er hat auch erlebt, wie das Wort "Steuerhinterziehung" zum Freibrief wurde zu schadenfroher Häme. Hoeneß hat gewiss viel ausgeteilt in seinem früheren, in seinem alten Leben vor dem Strafverfahren; er war oft ganz schön selbstgerecht – diese Selbstgerechtigkeit hat ihn eingeholt. Während des Strafverfahrens wurde er mit all seinen Zitaten von früher konfrontiert; das war die Katzenmusik, die den Prozess begleitet hat – eine Strafe besonderer Art.
Merkwürdiges Privileg Selbstanzeige
Was bleibt nun vom Fall Hoeneß nach dem Urteil? Da ist ein Mann, der tief gefallen ist. Da ist ein Mann, der nun versucht, seine Reputation resolut wieder herzustellen, mit dem Verzicht auf Revision. Da ist eine Strafe, die demonstriert, dass die strafrechtlichen Verbote wirklich für alle gelten – für einen Uli Hoeneß ebenso wie für Hans Mustermann. Und da ist ein merkwürdiges gesetzliches Privileg für Steuerhinterzieher, das sich strafbefreiende Selbstanzeige nennt – und an der Uli Hoeneß gescheitert ist. Diese Selbstanzeige stammt aus der Steuer-Steinzeit, aus dem 19. Jahrhundert. Der Staat stellte sein Interesse an Steuereinnahmen über alles andere; das Geld des Hinterziehers war ihm lieber als Strafgerechtigkeit. So wurden Steuerdelikte zu unechten Delikten – unecht deshalb, weil sich der Täter per Steuernachzahlung jederzeit selbst amnestieren konnte.
Weil das nun schreiend ungerecht ist, hat der Gesetzgeber, angetrieben von der Justiz, in den vergangenen Jahren die Regeln für Selbstanzeigen ziseliert. Nun sind sie aber so kompliziert, dass sie kaum noch funktionieren – wie auch der Fall Hoeneß zeigt. Die Selbstanzeige erstickt also an ihren eigenen Regeln. Die Geschichte der strafbefreienden Selbstanzeige sollte daher nun mit dem Fall Hoeneß endgültig zu Ende gehen.
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