Stefanie Sargnagel: "Statusmeldungen"

Pubertierende Chronistin unserer Zeit

Buchcover von Stefanie Sargnagels "Statusmeldungen". Im Hintergrund: Mitglieder der von ihr gegründeten Burschenschaft Hysteria.
Buchcover von Stefanie Sargnagels "Statusmeldungen". Im Hintergrund: Mitglieder der von ihr gegründeten Burschenschaft Hysteria. © Rowohlt / Deutschlandradio / Kolja Mensing
Von Pia Rauschenberger · 21.07.2017
Das neue Buch der Österreicherin Stefanie Sargnagel ist eine Art Chronik ihrer Gedankenfetzen und Erlebnisse der letzten zwei Jahre. Sie schreibt genauso schonungslos über ihre Sauf-Exzesse wie über den Umgang mit Geflüchteten in Österreich.
"Wenn ich dann genug Geld hab durch mein Rowohltbuch, zersetze ich den Staat," schreibt Stefanie Sargnagel am 31.03.2016. Drei Bücher von ihr sind bereits erschienen, das letzte jetzt bei Rowohlt – und alle drei funktionieren nach dem selben Schema, der aktuelle Titel trifft es am besten: "Statusmeldungen": Facebook-Updates, Dialoge aus dem Callcenter und Illustrationen werden aneinandergereiht.
Die 31-jährige Österreicherin ist inzwischen bekannt und berüchtigt für ihren Fäkalhumor, ihre Saufgeschichten, ihre Alltagspoesie und als bekennende Slackerin. Vergangenes Jahr wurde sie zum Ingeborg-Bachmann-Preis eingeladen, aktuell ist sie Stadtschreiberin von Klagenfurt.

Auf der Frankfurter Buchmesse haben wir mit Stefanie Sargnagel gesprochen:
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Obwohl sie laut ihrer Aufzeichnungen inzwischen weniger trinkt und mehr Prozac nimmt als früher, ist sie immer noch unangepasst genug, um bei rechtskonservativen Österreichern chronisches Sodbrennen auszulösen.

Exzess in Marokko, Sinnieren über Tauben

Der letzte saure Aufstoß kam durch das sogenannte "Babykatzengate" zustande: Anfang des Jahres fährt Sargnagel mit einer befreundeten Schriftstellerin nach Marokko. Sie will dort an ihrem aktuellen Buch arbeiten und bekommt einen staatlichen Zuschuss dafür. In einem satirischen Reisebucheintrag für die Tageszeitung "Der Standard" behauptet Sargnagel ihre Freundin hasse Tiere und habe eine Babykatze getreten. Außerdem berichtet sie wie üblich überspitzt von ihren Exzessen im Tourismus-Paradies Marokko. Die Kronen-Zeitung titelt daraufhin: "Saufen und Kiffen auf Kosten der Steuerzahler." Sargnagel muss Hassausbrüche von Tierliebhabern und FPÖ-Wählern über sich ergehen lassen. Die Drohungen reißen bis heute nicht ab.
All das hat die Autorin nicht unberührt gelassen. Im Epilog ihres Buches richtet sie sich an ihre rechtskonservativen Trolle: "Eure Wut beflügelt mich, eure Angst nährt mein gerechtes Herz."
Mehrmals am Tag meldet sich Sargnagel auf Facebook. Ihr neues Buch ist also eine relativ genaue Chronik ihrer Gedankenfetzen der letzten zwei Jahre. An einem Tag - es ist der 28.09.2015 - sinniert sie über Linksradikale, fragt sich, ob es mysogyn oder feministisch ist, wenn ihr ein Mann eins auf die "Goschn haun will" und freut sich, dass sie kaputte Strumpfhosen einfach zu ihrem Markenzeichen gemacht hat. Wobei ihr wahres Markenzeichen vermutlich ihre rote Baskenmütze ist, aber Sargnagel scheint ein Talent dafür zu haben, Markenzeichen zu etablieren.
Dann wird sie am 28.09.2015 auch noch poetisch: "Tauben sind bei genauerer Betrachtung gar nicht mehr so eklig. Ihre Hälse schimmern faszinierend in der Sonne, während sie ihre widerlichen Dämonenbewegungen machen und auf diese grausige Art flattern wie Motten."
Ein Porträt der Netz-Autorin Stefanie Sargnagel
Die Netz-Autorin Stefanie Sargnagel überzeugt inzwischen auch die Feuilletons© picture alliance / dpa / Horst Ossinger

Radikal, nachdenklich, komisch

Noch "sei Sargnagel jung genug, um enfant terrible zu sein, in dessen Leben die Generation Praktikum ein paar Statusberichte lang eintauchen kann, um sich dann erleichtert wieder der Karriere zu widmen" hat "Der Spiegel" über sie geschrieben. Da ist etwas Wahres dran, aber noch mehr: In den letzten zwei Jahren ist viel passiert. Nicht nur in Stefanie Sargnagels Leben, sondern auch in Deutschland und Österreich.
Sargnagel ist mittendrin im Geschehen: Sie hat Geflüchtete in Konvois von Ungarn nach Österreich gebracht und reflektiert über die Aufnahmekultur in Österreich. Sargnagel piekst alles auf. Helfersyndrome sind genauso wenig vor ihr sicher wie Rich Kids an der Kunstuni. Am wenigsten ist wahrscheinlich sie selbst vor sich sicher, weil sie auch sich selbst da packt, wo es unangenehm ist, wenn sie nicht gerade ihre eigene Arbeit hochlobt. Sie ist wie eine Chronistin unserer Zeit in der Pubertät, mal radikal, mal nachdenklich und oft einfach ziemlich komisch.

Stefanie Sargnagel: Statusmeldungen
Rowohlt Verlag, Hamburg 2017
302 Seiten, 19,95 Euro

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