Stefan Moster: "Das Fundament des Eisbergs"

Die Arktis erfühlen

05:13 Minuten
Buchcover von Stefan Mosters Sachbuch "Das Fundament des Eisbergs"
© mare

Stefan Moster

Das Fundament des Eisbergs. Eine arktische SehnsuchtMare Verlag, Hamburg 2022

320 Seiten

25,00 Euro

Von Günther Wessel · 04.10.2022
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Der Schriftsteller und Übersetzer Stefan Moster unternahm zahlreiche Reisen durch Nordeuropa. In die Arktis gelangte er, trotz aller Sehnsucht nach ihr, nie. Dennoch ist ihm eines der schönsten und poetischsten Bücher über diesen Naturraum gelungen.
Die Arktis-Sehnsucht ist eine seltsame Sache. Warum kehrten fast alle Entdecker, die in den hohen Norden aufbrachen, immer wieder dorthin zurück, obwohl die meisten von ihnen ihre Expeditionen nur knapp überlebten, sich unter unvorstellbaren Strapazen durch die Eiswüste quälten, eingeschlossen in oft monatelanger Dunkelheit, in einer die Knochen zerbeißenden Kälte?
Es gibt verschiedene Gründe dafür. Die Suche nach Ruhm mag einer sein. Doch Moster spürt anhand von Tagebüchern und Briefen ein viel stärkeres Motiv auf: das Erlebnis, sich in einer solchen Welt besonders zu spüren.

Überlebt zu haben – ein Glücksgefühl

Dort überlebt zu haben, aus eigener Kraft, mit einem Quäntchen Glück – das sei eine Intensivkur, bei der man eins werde mit sich selbst. Das bedeute Glück, und deshalb suchten so viele Arktisfahrer immer wieder diese Quelle ihres Glücks auf. Den Rekord hält der Amerikaner Robert Bartlett, der an 40 Expeditionen in den Polarraum teilnahm.
Auch heute noch reist man in Polargebiete nicht, um Urlaub zu machen, sondern um sich in einer überwältigenden Natur selbst zu erleben: angesichts des besonderen Lichts mit Spiegelungen, Nebelmonden, Polarlicht, Haloerscheinungen oder dem Whiteout, in dem der Horizont verschwindet und weder Konturen noch Schatten erkennbar sind. Dazu bläuliche Gletscher, Eisberge mit geschliffenen Kanten oder gerundeten Formen, mal blitzend weiß, mal bläulich schimmernd, Wale, Eisbären, Robben und Walrosse.

Erfahrungen von Einsamkeit

Stefan Moster schildert in einer bildhaften Sprache, mal lakonisch, mal detailliert die Erlebnisse früher Polarfahrer, heutiger Abenteurer und der ersten Siedler auf Spitzbergen. Er beschreibt eigene Wanderungen durch Nordskandinavien, die dabei gemachten Erfahrungen von Einsamkeit, seine Gehversuche auf dem Eis der zugefrorenen Ostsee in Finnland, den beißenden Wind und charakterisiert kenntnisreich die unterschiedlichen Vogelarten der Arktis. So schält sich langsam ein Bild des Polarraumes heraus, und sehr freiwillig folgt man dem Autor auf seiner Sehnsuchtsreise, berührt von den Bildern, die er evoziert.
„Die Natur muss gefühlt werden“ – diesen Satz aus einem Brief von Alexander von Humboldt an Goethe zitiert Moster gleich zweimal. Ihre Schönheit, ihre Erhabenheit und ihre Verletzlichkeit. Denn auch die arktische Natur, die einst übermächtig war, ist heute überaus fragil. Der Klimawandel setzt ihr zu, sie ist bedroht und mit ihr unser Leben auf diesem Planeten. Taut das Polareis, steigen weltweit die Küstenlinien um mehrere Meter. 
Stefan Moster ist mit seinem Buch etwas Großartiges gelungen: Es lässt uns die Arktis betrachten, sie fühlen und wertschätzen. Die beste Voraussetzung dafür, sie künftig zu schützen.

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