Stange sieht Studiengebühren als „Knackpunkt“ der Koalition in Sachsen

Moderation: Liane von Billerbeck |
Die designierte Wissenschaftsministerin von Sachsen, Eva Maria Stange, SPD, sieht die Diskussion um die Einführung von Studiengebühren als Konfliktpunkt in der schwarz-roten Koalition des Landes. Die Koalitionsvereinbarung sehe vor, dass es weiterhin keine Gebühren in Sachsen geben werde, und sie halte dies für richtig, sagte Stange im Deutschlandradio Kultur.
Billerbeck: Guten Tag, Frau Stange!

Stange: Guten Morgen, Frau Billerbeck!

Billerbeck: Seit neun Tagen wissen Sie, dass Sie Ministerin werden sollen und seitdem schießt die CDU verbales Trommelfeuer. Wie lebt es sich denn so als Zumutung?

Stange: Also zunächst habe ich nicht erwartet, dass die CDU jubelt, wenn das Wissenschaftsministerium durch mich besetzt wird. Sie haben ja in dem Beitrag auch von Frau Gerlach deutlich gemacht, welche Vorurteile bereits damit verbunden sind, ohne dass man mich eigentlich nicht näher kennt, gerade in der sächsischen CDU.

Billerbeck: Wie werden Sie die Vorurteile ausräumen?

Stange: Schlicht und ergreifend durch sachliche Arbeit. Ich denke, es gibt genügend zu tun in dem Ressort, sowohl im Bereich der Hochschulen, als auch im Bereich der Forschung und der Kunst und Kultur. Und in der sachlichen Arbeit und in der Auseinandersetzung wird sich zeigen, ob die Vorurteile berechtigt sind.

Billerbeck: Sie wurden als zu links, zu ideologisch, zu demagogisch gar und, so das Totschlagargument, als in der Nähe der Linkspartei PDS stehend bezeichnet. Wenn die CDU so schäumt, dann heißt das wohl vor allem: Man nimmt Sie ernst. Was um alles in der Welt ist so zum Fürchten, wenn Sie das Ressort Wissenschaft und Kunst führen?

Stange: Na ja, das würde ich auch ganz gerne wissen, aber dazu müsste ich auch wissen, welche Position die CDU weiter einnimmt. Also, Sie haben zuvor ein Beispiel genannt, und ich denke, hier werden sich sicher auch die Geister scheiden, das ist das Thema Studiengebühren. Die Koalitionsvereinbarung sieht eindeutig vor, dass es in Sachsen keine Studiengebühren geben wird. Und ich stehe auf diesem Standpunkt, dass das richtig ist, gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung in den ostdeutschen Ländern. Wir brauchen mehr junge Menschen, die in die Universitäten kommen und nicht durch Studiengebühren abgeschreckt werden. Das könnte natürlich ein Knackpunkt sein. Aber ansonsten denke ich, sollte man sich in den Sachargumenten annähern.

Billerbeck: Sie sind ja als Arbeiterkind aufgewachsen und konnten studieren und promovieren. Spielt diese Herkunft auch eine Rolle für Ihre politischen Auffassungen, zum Beispiel beim Thema Studiengebühren?

Stange: Die spielt für mich eine sehr große Rolle. Ich hätte niemals studieren können, wenn es Studiengebühren gegeben hat. Ich weiß sehr wohl, dass auch zu DDR-Zeiten junge Menschen ausgeschlossen worden sind von diesem Weg. Ich als Arbeiterkind hatte aber die Möglichkeit, und der finanzielle Hintergrund meiner Familie war nicht so, dass wir uns hätten leisten können, auch noch Studiengebühren zu bezahlen.

Billerbeck: Gehen wir ins Detail. Ihr Ministerium heißt ja für Wissenschaft und Kunst. Und vor einer guten halben Stunde gab es eine Meldung, die den Teil betrifft in Ihrem Ressort, wo Ihnen immer Kenntnislosigkeit unterstellt wird. Ich meine den Bau der Waldschlösschenbrücke in Dresden, wo die UNESCO also empfiehlt eine rote Liste für dass Dresdner Elbtal, man spricht da von irreversiblem Schaden, und findet ziemlich harsche Worte. Das ist ja eine heftige Aufgabe. Was wird die Kunstministerin Eva-Maria Stange da unternehmen?

Stange: Also zunächst bin ich ja auch immer noch vom Beruf her Lehrerin und traue den Menschen zu, und so mir auch selbst, dass man lernfähig ist. Und ich habe in den letzen 15 Jahren enorm viel gelernt und ich denke, dass ich auch dieses Ressort, Kultur und Kunst, dass mir großen Spaß machen wird, da bin ich vollkommen überzeugt, dass ich sehr schnell auch in die Fachzusammenhänge einsteigen kann. Das ist die eine Seite.

Die andere Seite ist konkret die Situation in Dresden, die ja zu allererst mal auf dem Tisch des Dresdner Stadtrates liegt. Es gibt, oder gab, einen Bürgerentscheid für die Waldschlösschenbrücke ...

Billerbeck: ... allerdings ist das nicht gesagt worden, dass das möglicherweise günstigere Möglichkeiten gegeben hätte.

Stange: Ich wollte gerade sagen, also, zum einen gab es andere Möglichkeiten, zum anderen steht jetzt das Ultimatum vermutlich von der UNESCO auf der Tagesordnung, nämlich entweder Waldschlösschenbrücke oder UNESCO Weltkulturerbe. Und ich sage ganz deutlich, ich lebe seit vielen Jahren hier in Dresden und ich liebe Dresden, und schon deshalb ist mit auch das Gut UNESCO Weltkulturerbe wesentlich höher als eine betonierte Waldschlösschenbrücke. Das mag dem einen oder anderen vielleicht nicht gefallen, aber ich denke, wenn dieses Ultimatum steht, dann müssen die Bürger auch wieder neu entscheiden in Dresden und müssen vor dieser Alternative die Entscheidung treffen.

Billerbeck: Vermutlich werden sich die Dresdner, so kunstinteressiert wie sie sind, dann auf Ihre Seite schlagen.

Stange: Ich kann es nur hoffen.

Billerbeck: Als Sie 1997 zur GEW-Chefin gewählt wurden, da geschah das damals quasi über Nacht, weil der alte Chef überraschend abgewählt worden ist und Sie sich dann haben breit schlagen lassen, wie Sie es mal gesagt haben. Jetzt wollten Sie eigentlich wieder als Lehrerin für Mathe und Physik an ein Gymnasium gehen. Pustekuchen, nun sollen Sie Ministerin werden. Liegt das unter anderem auch daran, dass die sächsische SPD so wenig Personal hat, dass ministrabel ist?

Stange: Darüber möchte ich momentan noch gar keine Aussage treffen, da ich die sächsische SPD in ihren Personen viel zu wenig noch kenne und insofern, denke ich, gibt es mit Sicherheit, und das hat ja die Diskussion im Vorfeld gezeigt, doch einige Personen, die ohne weiteres auch für das Ministeramt geeignet gewesen wären. Natürlich liebe ich meinen Beruf und insofern kommt mir auch jetzt eigentlich dieses Amt sehr nahe, denn ich bin auch mit Leib und Seele Lehrerin, Bildnerin, ich war ja in der Lehrerbildung und bin in der Lehrerausbildung tätig. Und insofern liegen natürlich die Hochschulen auch mit in meinem Interesse.

Billerbeck: Nun sind für Bildung in Sachsen drei Ministerien zuständig, wenn man das genau nimmt, das Sozialministerium, das Bildungsministerium und Ihres. Das heißt also, geteilte Zuständigkeiten für Kindergarten, für Schulen und Hochschulen. Wie wird das werden, wenn diese zuständigen Minister auch noch verschiedenen Parteien anhängen und sehr unterschiedliche Vorstellungen haben?

Stange: Also zum einen, sage ich noch mal, hoffe ich, dass am Kabinettstisch vor allen Dingen über Sachfragen diskutiert wird und die Ideologie außen vor bleibt. Und es hat in den letzten Jahren enorme Bewegungen gegeben, auch hier in Sachsen, gerade was den Kindertagesstättenbereich angeht, worüber ich mich sehr freue, denn letztlich ist das das Fundament, auf dem auch die Hochschulen, die Universitäten dann aufbauen. Ich hoffe darauf, dass man auch mit den beiden anderen Ministern in einen Sachdialog kommt, das heißt nicht Einmischung in die unterschiedlichen Ressorts, sondern dass man die bestmöglichen Wege sucht, um dann auch mehr Abiturienten und mehr Hochschulabsolventen zu haben.

Billerbeck: In ersten Interviews haben Sie sich ja für Eigenverantwortung oder für mehr Eigenverantwortung der Hochschulen ausgesprochen, aber auch gesagt, Universitäten und Hochschulen seien keine Wirtschaftsbetriebe. Was heißt das konkret?

Stange: Also, wir haben momentan eine starke Polarisierung in der Diskussion um die Weiterentwicklung von Hochschulen, übrigens auch von Schulen, aber von Hochschulen in ganz besonderem Maße. Die einen, die festhalten wollen an einer sehr starken, stringenten, staatlichen Leitung und, ich sage mal Gängelung, auch der Universitäten auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Umwandlung von Universitäten in Wirtschaftsunternehmen.

Ich glaube, die Wahrheit, oder die Lösung liegt zwischen beiden. Die Universitäten sind auf der einen Seite sehr komplexe, sehr komplizierte Gebilde, Organisationen, die auch eine innere demokratische Struktur benötigen, um die Balance zwischen der Freiheit von Forschung und Lehre auf der einen Seite und gesellschaftlicher Verantwortung auf der anderen Seite herzustellen.

Das ist die eine Seite und daher brauchen die Universitäten dringend mehr eigene Autonomie, um diese Balance selbst herstellen zu können, das heißt weniger gesetzliche Regelungen, mehr Verantwortung dort hinzugeben, wo auch die Entscheidungen anstehen.

Auf der anderen Seite, und da lege ich auch ausdrücklich Wert drauf, sind Universitäten, sind Hochschulen, Institutionen, die aus Steuergelder bezahlt werden, die eine gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen haben in der Lehre und in der Forschung. Und deshalb müssen sie sich auch kontrollieren lassen, müssen sie auch Rechenschaft ablegen gegenüber der Öffentlichkeit und das gebietet, dass der Staat auch noch ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat bei der Gestaltung der Hochschulen. So, und die Kunst liegt jetzt darin, beides auszubalancieren in dem neuen sächsischen Hochschulgesetz.

Billerbeck: Für diese Kunst wünsche ich alles Gute, Frau Stange. Man hat ja schon gemutmaßt, dass Ihre Nominierung die vorzeitige Eröffnung des sächsischen Wahlkampfes ist und dass Sie, oder Ihre Personalie sozusagen die Sollbruchstelle für die Koalition sein könnte, also der Grund für die Union, die Koalition irgendwann aufzukündigen, könnte Ihr Name sein. Was halten Sie davon?

Stange: Ja, ich sage noch mal, also das muss die Sachdiskussion zeigen. Und ich bin sehr froh, dass Herr Milbradt sich geäußert hat in der Öffentlichkeit, um mir auch unter dem Gesichtspunkt überhaupt erst mal die Chance zu geben, an Sachfragen sich zu reiben, und dann zu sehen, ob man im Rahmen der Koalitionsvereinbarungen miteinander arbeiten kann, oder ob es tatsächlich Punkte gibt, wo der Bogen überspannt wird. Das kann ich heute nicht sagen, das will ich auch heute überhaupt nicht in Aussicht stellen, sondern ich will das dann konkret in der Sache sehen.
Mehrere tausend Studenten demonstrieren in der Dresdner Innenstadt gegen die Einführung von Studiengebühren.
Studenten demonstrieren gegen die Einführung von Studiengebühren.© AP
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