Städtepartnerschaft Dresden - Hamburg

Als wir noch aufeinander neugierig waren

11:43 Minuten
Der Oberbürgermeister von Dresden Wolfgang Berghofer (l) und der Erste Bürgermeister von Hamburg Henning Voscherau (3. vl) sitzen an einem Tisch mit den Fähnchen ihrer Stadtwappen, ganz rechts Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt, der es sich nicht nehmen ließ, bei diesem "historischen Zusammentreffen" dabei zu sein, aufgenommen in der Hansestadt Hamburg am 26.11.1989. Weit über 900 DDR-Bürger aus Hamburgs Partnerstadt Dresden kamen am Abend zu einem gemütlichen Zusammensein mit Hamburgern in die Messehallen.
Oberbürgermeister von Dresden Wolfgang Berghofer (l) und der Erste Bürgermeister von Hamburg Henning Voscherau (3. vl) mit Helmut Schmidt 1989 in Hamburg. © dpa/Werner Baum
Von Axel Schröder und Bastian Brandau · 24.07.2019
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Dresden und Hamburg verbindet eine Städtepartnerschaft – schon seit 1987. Nach der Wende gab es regen Austausch, dann wurde der weniger, das 30-jährige Jubiläum schließlich abgesagt. Zeit, die sächsisch-hanseatische Verbindung in Erinnerung zu rufen.
Es ist schon dunkel in Dresden, als Hamburgs Bürgermeister Klaus von Dohnanyi am 14. Dezember 1987 aus seinem Dienstwagen steigt. Mit breitem Lächeln drückt er Wolfgang Berghofer, seinem Dresdner Amtskollegen, die Hand. Am nächsten Tag unterzeichnen die beiden das Partnerschaftsabkommen der beiden Elbanrainer-Städte. Und beantworten die Reporterfragen nach dem Sinn des Abkommen.
"Was haben die Hamburger davon?"
"Die Beziehung zwischen den Städten bedeutet eben auch, eine Beziehung zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik. Und bedeutet damit eine Vertiefung der Beziehungen zwischen den getrennten Teilen Europas und damit auch einen Pfeiler für Friedenspolitik. Aber darüber hinaus wird es kulturellen Austausch geben, die Begegnung von Menschen, Begegnungen von Einrichtungen und Institutionen."
"Reisemöglichkeiten? Gibt es da Möglichkeiten, Planungen?"
"Wir haben vereinbart – ich setze voraus, die Stadtverordnetenversammlung wird morgen beschließen – dass es natürlich einen regen Dialog, Meinungsaustausch und auch einen Austausch vielfältigster Reiseaktivitäten geben wird."

Initiative mit pragmatischem Hintergrund

Einen Tag später, am 16. Dezember 1987, wird der Vertrag im Hamburger Rathaus nochmals unterzeichnet.
Die Initiative zur zweiten deutsch-deutschen Städtepartnerschaft nach Saarlouis und Eisenhüttenstadt ging von der Hamburger Seite, von Klaus von Dohnanyi aus, erzählt die Professorin Dorothee Wierling von der Hamburger Forschungsstelle für Zeitgeschichte. Dohnanyis Initiative hätte aber zunächst einmal gar nichts mit Völkerverständigung und Friedenssicherung zu tun gehabt, so Wierling:
"Seine Motivation war eigentlich eine ganz pragmatische. Nämlich zu versuchen, die vollkommen festgefahrenen Gespräche, oder gar nicht stattfindenden Gespräche zwischen Hamburg und der DDR über die Elbverschmutzung, über diese Städtepartnerschaft auf einer anderen Ebene in Gang zu bringen. Das war eigentlich sein Ziel."


Und davon, so die Historikerin, wollte die DDR-Führung um Erich Honecker gar nichts wissen. Stattdessen sei bestritten worden, dass die chemische Industrie am Oberlauf der Elbe überhaupt Giftstoffe in großer Menge in den Fluss leiten würde.
Klaus von Dohnanyi (vorn li., GER/Erster Bürgermeister Hamburg) und Wolfgang Berghofer (vorn re., GDR/Oberbürgermeister Dresden) in Dresden 1987.
Klaus von Dohnanyi (vorn li., Erster Bürgermeister Hamburg) und Wolfgang Berghofer (vorn re., Oberbürgermeister Dresden) in Dresden 1987.© imago images / Ulrich Hässler
Offiziell rückte Hamburgs Bürgermeister von den Umweltaspekten seiner Initiative ab, stellte nun vielmehr den Friedenssicherung und Völkerverständigung in den Vordergrund. Schritt für Schritt kamen die Verhandlungen voran. Trotz des Argwohns im Ministerium für Staatsicherheit der DDR gegen allzu viel "Wandel durch Annäherung":
"Die politische Deutung der Staatssicherheit war natürlich, dass diese Städtepartnerschaften etwas ganz Schlimmes sind, das sei ein westdeutscher Trick, um die DDR von innen auszuhöhlen."

Erich Honecker musste überredet werden

Trotz der Bedenken gab es schon vor dem offiziellen Inkrafttreten der Städtepartnerschaft Treffen zwischen Hamburger und Dresdner Bürgern, im privaten Rahmen, ohne das Wissen der Staatssicherheit. Am Ende war es unter anderem der Intendant der Semper-Oper Gert Schönfelder, der Erich Honecker davon überzeugen konnte, auf die Hamburger Avancen einzugehen, erzählt Annette Tabbara, die Bevollmächtigte der Freien und Hansestadt Hamburg für auswärtige Angelegenheiten.


"Und ein sehr schönes Event war dann 1989. Da war Dresden Partnerstadt des Hafengeburtstags. Und da ist dann ein Elbdampfer über die Elbe gefahren, über die deutsch-deutsche Grenze gefahren. Und das war natürlich schon ganz was Besonderes, noch zu Zeiten der deutschen Teilung dann so einen Hafengeburtstag feiern zu können."
Klaus von Dohnanyi (li., GER/Erster Bürgermeister Hamburg) und Wolfgang Berghofer (Mitte, GDR/Oberbürgermeister Dresden) sitzen nebeneinander am Tisch und unterzeichnen die Papiere für die Städtepartnerschaft Hamburg Dresden in Dresden.
Klaus von Dohnanyi (li., Erster Bürgermeister Hamburg) und Wolfgang Berghofer (Mitte, Oberbürgermeister Dresden) beglaubigen die Städtepartnerschaft in Dresden 1987.© imago images / Ulrich Hässler

Die große Neugierde aufeinander

Noch vor dem Mauerfall gab es Austauschprogramme für Jugendgruppen. Und obwohl die Staatssicherheit bei der Planung und Auswahl der Westbesucher mitredete, setzten einige Dresdner sich bei einem Einkaufsbummel im Westen einfach ab. Nach der Grenzeröffnung schickten die Hamburger Sonderzüge nach Dresden, nahmen viele der ostdeutschen Partnerstädtler mit zurück in die Hansestadt.


Die große Neugierde aufeinander, der rege Austausch ist Vergangenheit. Und die Elbe wurde sauberer, allein durch die Abwicklung der großen Chemiewerke der DDR. Dorothee Wierling zieht sehr nüchtern Bilanz, verweist darauf, dass die Hamburger Seite die Feierlichkeiten zum 30-jährigen Partnerschafts-Jubiläum im Jahr 2017 einfach abgesagt hat:
"Ich glaube, dass faktisch die Städtepartnerschaft nicht mehr existiert, obwohl sie auf dem Papier noch vorhanden ist."
Hamburgs Bevollmächtige für auswärtige Angelegenheiten Annette Tabbara sieht es anders. Sie erzählt von der Hilfe, die die Hamburger zum Beispiel 2013 beim großen Elbehochwasser in Dresden geleistet haben.
"Ich würde schon sagen, dass nach wie vor für die Hamburger sicherlich gilt: Wenn man sie braucht, sind sie da. Und dass die Städte nach wie vor noch sehr viel verbindet!"
Henning Voscherau (Mitte li., GER/Erster Bürgermeister Hamburg) wird in Dresden empfangen.
Henning Voscherau (Mitte li., Erster Bürgermeister Hamburg) wird im Dezember 1989 in Dresden empfangen.© imago/Ulrich Hässler

Bastian Brandau über Annäherung und Austausch

"Wir sehen den Canaletto-Blick mit der mit internationaler Beteiligung wiedererbauten Frauenkirche."
Voller Begeisterung blickt Claus Dittrich über die Augustusbrücke auf die barocke Pracht seiner Heimatstadt. Sehr genau weiß der Dachdeckermeister, Jahrgang 1939, wie es hier noch vor wenigen Jahrzehnten aussah – nicht nur der Turm der Frauenkirche fehlte damals in der Stadtsilhouette.
Am Elbufer steht Dittrich vor dem in den 80er-Jahren erbauten Bellevue-Hotel. Einem Schauplatz der Städtepartnerschaft mit Hamburg, über die Dittrich ausführlich berichten kann. Etwa über eine Anfrage des Hamburger Ersten Bürgermeisters Henning Voscherau just in diesem Hotel:
"Bei dieser Gelegenheit hat Voscherau gesagt: ´Sie sind mit dem Trabbi hier? Da würde ich ja gern mal fahren, wenn wir in diese Genossenschaft fahren.` Und da habe ich ihn aufmerksam gemacht: ´Herr Bürgermeister, bedenken Sie, der Trabant hat keine Bremse.` Und da hat er gesagt, was? Er hat sich reingesetzt. Ich wusste, dass man in den westlichen Autos Bremskraftverstärker hatte. Er ist über die Brücke gefahren, die damals noch Dimitroff-Brücke hieß, und als es leichte Neigung runter zum Theaterplatz ging, da hat er zu mir gesagt, der hat ja wirklich keine Bremse."

Eine Städtepartnerschaft in Anekdoten

Henning Voscherau im Trabbi durch Dresden – die Städtepartnerschaft an der Elbe lebt natürlich auch in solchen Anekdoten weiter. Genau wie die vom ersten Zusammentreffen des SPD-Politikers mit dem Dachdeckermeister Claus Dittrich. Denn Dittrich gehörte nicht zur offiziellen Dresdner Delegation.
Beim ersten Hamburger Besuch im Januar 1990 habe die Stasi – die da schon in Amt für Nationale Sicherheit umbenannt und wenig später aufgelöst wurde – ihn nicht zu Voscherau durchgelassen. Und so schickte Dittrich seinen Sohn – in Arbeitsklamotten. Der schaffte es an den Beamten vorbei und überbrachte seine Einladung. In Dittrichs Genossenschaft, in der private Bauhandwerker organisiert waren. Am nächsten Morgen stand dort der Hamburger Bürgermeister auf dem Hof.
"Dort hatte ich dann 30 Obermeister gebeten zu kommen, wir haben ein Gespräch geführt und Voscherau hat immer wieder betont, ich komme wieder, ich erkundige mich nach Ihnen. Offensichtlich hatte er das gewusst, was wir erst Tage später erfahren hatten: Dass in der Nacht die Nachfolgeorganisation der Stasi bei uns in den Räumen Wanzen angebracht hatte. Ich bin gar nicht auf so einen Gedanken gekommen. Und er ist auch wiedergekommen."


Nicht nur zum Ersten Bürgermeister knüpfte Dittrich enge Kontakte, sein natürlicher Ansprechpartner war die Handwerkskammer Hamburg. Die Städtepartnerschaft habe entscheiden dazu beigetragen, dass sich zuvor getrennte Deutsche näher gekommen seien.
"Heute kann man das Ergebnis sehen. Die Innungen des Handwerks haben miteinander Kontakt, die einzelnen Berufe haben miteinander Kontakt, es findet dort ein Austausch statt. Es sind auch kommerzielle Beziehungen dabei entstanden, was ich für gut halte, dass man sich gegenseitig geholfen hat. Es hat sich auch verändert, indem es von der Politik weggekommen ist, hin zu persönlichen Freundschaften. Wenn jetzt hier ein 60., 70. Geburtstag gefeiert wird, dann ist mit Sicherheit ein Hamburger mit dabei."
Großer Empfang für den Hamburger Unternehmer Dr. Körber, er spendierte für Dresden Baumschinen und Gelder für die Sanierung des Stadtmuseums.
Der Hamburger Unternehmer Körber spendierte 1990 der Stadt Dresden Baumaschinen. Außerdem spendete er Geld für die Sanierung des Stadtmuseums.© imago/ Ulrich Hässler

"Hamburgisch-sächsische Abende"

Verstetigt hat die Partnerschaft das Hamburger Senatsbüro in Dresden, das bis 1995 existierte. Auch nach Feierabend kümmerte sich der Büroleiter um seine Mitarbeiter und organisierte "hamburgisch-sächsischen Abende", erzählt Jürgen Eggert. Er gehörte 1989 mit zur ersten Dresdner Delegation in Hamburg und ist heute Präsident des Freundeskreis Dresden-Hamburg. Der lädt nach wie vor mehrmals im Jahr zu hamburgisch-sächsischen Abenden ein.

"Es ist ein Freundeskreis, wo man sich kennt, wo man Bekanntschaften schließt und diese vertieft. Und diese andere Seite, dass man dann interessante Orte kennenlernt. Aber wir sind auch gern bereit, Unterstützung zwischen den Städten Dresden und Hamburg zu leisten."

Etwa bei Sportveranstaltungen, bei denen man in Dresden fast sicher sein kann, ein Hamburger Team anzutreffen. Ebenso besteht der Austausch im musikalischen und künstlerischen Bereich fort, etwa mit einem Künstlerstipendium. Und, dank dem früheren Intendanten der Staatsoperette Dresden Jürgen Eggert; auch bei der Operette. Als er 1989 zum ersten Mal nach Hamburg reiste, waren die Menschen dort erstaunt, dass dieses Genre in Dresden eine eigene Spielstätte hat. Gern erinnert sich Eggert an die Operetten-Bälle, die sie in Hamburg veranstaltet haben.
"Auf alle Fälle hat es dazu geführt, dass viele Hamburger, die erfahren hatten, dass es in Dresden ein Operettentheater gibt, dann nach Dresden gekommen sind, um sich dann im Operettentheater die entsprechenden Inszenierungen anzuschauen. Dazu hat es auf alle Fälle geführt."
Voll besetzte Bänke zur Unterzeichnung der Städtepartnerschaft Hamburg Dresden in Dresden.
Voll besetzte Bänke bei der Unterzeichnung der Städtepartnerschaft 1987 in Dresden.© imago images / Ulrich Hässler
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