Mit der Kompromissmaschine in die Zukunft
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Entwerfen Algorithmen die besseren Städte? Ja, meint Architekturprofessor Reinhard König: Mit Künstlicher Intelligenz lassen sich Effizienz und Lebenskomfort steigern - und transparenter werden Stadtplanungen auch.
Wie sollen die Städte der Zukunft geplant werden? Maßgeblich daran beteiligt sich auch weiterhin Stadtplaner und Architekten. Doch neuerdings bekommen sie Unterstützung von Künstlicher Intelligenz: Algorithmen rechnen aus und visualisieren, wie Platz optimal genutzt und bebaut werden kann.
Ein "doppelter Zwilling" der Stadt
Reinhard König ist Professor an der Bauhaus-Universität Weimar und entwickelt solche Systeme. Stadtplanung, sagt König im Gespräch im Deutschlandfunk Kultur, unterliege auch künftig Auflagen der Aufwand- und Kosteneffizienz. Künstliche Intelligenz sei hierbei ein gutes Tool, denn sie beschleunige die Arbeitsprozesse und gestatte es den Planern somit, über weitere Aspekte und Qualitäten von städtischem Leben nachzudenken.
Als Beispiel nennt König etwa die Anordnung von Parks, um eine lebenswerte Umwelt zu schaffen. Eine einzige ideale Lösung gebe es für solche Vorhaben selten. Mit den richtigen Parametern gefütterte Algorithmen schaffen hier nun eine ganze Auswahl von Lösungsvarianten. So entsteht im Computer ein "digitaler Zwilling" der Stadt, mit dem sich verschiedene Szenarien und Versionen durchspielen lassen.
Einsätze in Äthiopien und Singapur
Ein Land wie Äthiopien könne davon besonders profitieren, erzählt König. Das Land befindet sich derzweit an der Schwelle vom Agrar- zum Industriestaat. Prognosen gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren Millionen von Menschen vom Land in die Städte abwandern werden. Entsprechend hoch sei der Druck, für diese Herausforderung binnen kurzer Zeit eine städtebauliche Lösung zu finden. Ein Plan sehe beispielsweise vor, mehrere Städte über das Land verteilt zu errichten. Hierfür habe man Computerprogramme entwickelt, die automatisch Städte entwerfen, erklärt König:
"Man gibt dem Programm die Topografie vor - also ob es da Berge gibt, ob da Wüste oder Wasser ist. Wir geben vor, wie viele Leute dort wohnen sollen. Und dann entwickeln wir Programme, die verschiedene Arten von Städten - etwa für 10.000 Leute - automatisch erzeugen, sodass ich nur noch sagen muss: Okay, hier ist eine Straße und hier ist ein Berg und ein Wald - jetzt bau mir bitte eine Stadt hin. Dann geht das in wenigen Minuten, dass ich einen Stadtplan habe, mit dem ich bestimmte Dinge simulieren kann. Wie sich Leute bewegen werden, wie der Verkehr funktionieren könnte. Wie das Klima sein kann, wie die Leute sich treffen können."
Als weiteren Anwendungsort nennt König Singapur. Dort leben sehr viele Menschen auf sehr begrenztem Raum - entsprechend effizient muss der zur Verfügung stehende Raum genutzt werden. Hinzu kommt die klimatische Belastung durch das Tropenklima: Eine Künstliche Intelligenz gestatte es hier, Gebäude so anzuordnen, dass die Windströme klimatisch optimalen Nutzen entfalten können.
Eine "Kompromissmaschine"
Ein weiterer Vorteil solcher Systeme: Die Bürgerinnen und Bürger können bei der Parameter-Entwicklung einbezogen werden, so König. Transparenz ist hier Voraussetzung: In öffentlichen Sitzungen könnten verschiedene Parameter erklärt und deren Folgen in Echtzeit veranschaulicht werden: Welche Folgen hat etwa ein Radweg an dieser Stelle oder eine Verbreiterung von Gebäuden an einer anderen? Das sehe man nun sofort.
"Co-Design" nennt König diese Form der gesellschaftlichen Öffnung, eine wahre "Kompromissmaschine" seien algorithmengestützte Stadtplanungen. Das Resultat: Die Akzeptanz von städteplanerischen Vorhaben steige.
(thg)