Spurensuche

Wie kommt das Huhn ins Chlor?

Hühner in einer Halle einer Geflügelfarm in den USA
Geflügelfarm in den USA - es ist das meistverkaufte Fleisch in den USA © picture alliance / dpa / Erik S. Lesser
Von Jan Bösche  · 23.11.2015
Bekämpft man Salmonellen auf Geflügel – oder setzt man darauf, dass das Fleisch richtig durchgekocht wird? Die US-Regierung hat entschieden: Die Bakterien müssen bekämpft werden. Deshalb werden geschlachteten Hühnern Chemikalien zugesetzt.
Die Amerikaner lieben Geflügel – es ist das meistverkaufte Fleisch in den USA. Die amerikanische Geflügel-Industrie ist der weltgrößte Produzent. Eines ihrer Zentren ist der Norden Arkansas.
Entlang des Highways 71 in Springdale stehen Getreidespeicher, Bruthäuser, Schlachthöfe. Die großen Konzerne kümmern sich um die ganze Verwertungskette, von Küken bis zum fertigen Hähnchen-Schnitzel. Die Produktionsstätten sind abgeschottet, die Konzerne öffnen ihre Türen nur ungern.
John Marcy ist Professor und Experte für die Verarbeitung von Geflügel an der Universität von Arkansas. Er sagt, dass die geschlachteten Hühner mit Chemikalien bearbeitet werden, hat mit einer grundsätzlichen Frage zu tun: Bekämpft man Salmonellen auf Geflügel – oder akzeptiert man sie und setzt darauf, dass das Fleisch richtig durchgekocht wird? Die US-Regierung hat entschieden: Die Bakterien müssen bekämpft werden:
"Wir sind gezwungen, etwas zu unternehmen. Sie wollen, dass es eine Reduktion gibt. Früher ließen sie uns einfach nur tiefkühlen. Das stoppt das Wachstum. Seit 2002 heißt es, man muss aktiv reduzieren."
Die Schlachthöfe sind hochgradig automatisiert. Pro Minute werden bis zu 210 Hühner geschlachtet. Der entscheidende Unterschied zu europäischen Schlachthöfen ist der nächste Verarbeitungsschritt: Wenn die Hühner-Körper heruntergekühlt werden. In Europa muss das in Kühlkammern passieren, in den USA verwenden die meisten Schlachthöfe Kühlbecken mit Wasser. Marcy sagt, das gehe schneller und sei darum wirtschaftlicher. Um die Zahl der Salmonellen zu reduzieren, setzen die Unternehmen hier Chemikalien zu.
Essensqualität des Geflügels leidet
Unternehmens-Vertreter erzählen, sie würden lieber darauf verzichten, aber das seien nun mal die Vorgaben. Marcy erklärt:
"Diese Chemikalien helfen dem Produkt nicht. Sie sind nicht schädlich für Menschen, aber die Essensqualität des Geflügels leidet. Sie können weniger Wasser halten, es geht in die falsche Richtung bei der Feuchtigkeitskontrolle. Es gibt Zielkonflikte."
Wo bleibt das Chlor? Gute Frage, denn Chlor ist dabei in den meisten Fällen gar nicht im Spiel. Marcy sagt, von 75 Schlachthöfen in Arkansas verwendet keiner Chlor, sondern verschiedene andere Chemikalien-Mischungen. Dabei wäre Chlor effektiv und günstig.
Der Grund ist der Export: Viele Länder, in die amerikanische Hühnchen versandt werden, erlauben kein Chlor – darum werden die Salmonellen eben auf andere Weise bekämpft. Die strengen Vorgaben zum Kampf gegen Salmonellen sind ein Grund für den Chemikalien-Einsatz. Kritiker auch hier in den USA sagen, die auf Profit getrimmte Industrialisierung ist ein weiterer. Zu den Kritikern gehört Tony Corbo von der Organisation "Food and Water Watch"
"Chlor und die anderen Chemikalien, die die Unternehmen benutzen – wir sind besorgt darüber, dass diese Chemikalien-Cocktails zu viel eingesetzt werden und das man zu sehr von ihnen abhängig ist."
Er bemängelt unter anderem, wie die Tiere gehalten werden, dass die Kontrollen nicht intensiv genug sind. Solche Kritik gibt es aber auch an der Geflügelindustrie in Europa.
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