Hühnerhaltung ohne geschredderte Küken
50 Millionen männliche Küken pro Jahr werden in Deutschland entsorgt, weil sie zu wenig Fleisch ansetzen. Das brandenburgische Ökodorf Brodowin verweigert sich dieser Praxis. Ein Besuch bei Hennen und Hähnen.
"Die legt grad ein Ei."
"Ja ich will ja auch nicht stören, nun drück mal schön meine Kleine. Fein machst du das, zack."
"Ja ich will ja auch nicht stören, nun drück mal schön meine Kleine. Fein machst du das, zack."
Vorsichtig greift Hühnerwirt Dirk Boldt in das dicke Bett aus Dinkel-Spelzen, sammelt das gerade gelegte, noch feuchte Ei ein und legt es zu den anderen in seinen Plastikkorb. Dann schließt er vorsichtig die Klappe über dem Nestbereich des mobilen Hühnerstalls. Das so genannte Hühnermobil ähnelt einem langen Bauwagen mit schrägem Dach. Es steht neben einem Stallgebäude gemeinsam mit drei anderen auf einer großen, grünen Wiese in der Nähe des Ökodorfes Brodowin.
Alle drei bis vier Wochen fährt Boldt die Wagen ein paar Meter weiter. Er kümmert sich seit fünf Jahren um die 1200 Legehennen in den Hühnermobilen und den ebenso vielen Hähnen im Stall. Der 51-Jährige ist ein richtiger Hühnerflüsterer, kennt jedes Bedürfnis seiner Tiere.
Dirk Boldt: "Ich sage, wenn die Hühner jetzt anfangen zu legen, die jungen Hühner, müssen wir immer etwas später sammeln, weil die sich an die Nester gewöhnen müssen."
Die meisten Hühner picken auf der Wiese nach Würmern. Ein paar wenige haben sich durch die tagsüber offene Klappe in den mobilen Stall zurückgezogen, hocken auf ihren Stangen. Auch drei, vier Hähne sind dabei. Sie sollen die Herde zusammenhalten und vor dem Habicht warnen. Die Stangen im dem halbdunklen Wageninneren sind genormt, reichen exakt für 220 Tiere.
Kein Antibiotika, viel Platz für die Tiere
Boldt: "Ist alles kontrolliert und nachgemessen worden. Ganz streng sind sie da. Soll ja auch so sein, wenn das Ei 40 Cent kostet, soll das Huhn sich auch wohlfühlen."
Lohmann braun plus – so der Name der Hühner, die von einem Ökozüchter geliefert werden. Das Besondere an den Tieren: die Weibchen legen um die 300 Eier im Jahr, die Männchen können gemästet werden. Das ist in Deutschland eine absolute Ausnahme. Bei der Aufzucht von Legehennen werden jedes Jahr auch circa 50 Millionen männliche Küken ausgebrütet. Da sie kaum Fleisch ansetzen, sind sie für die Industrie wertlos und werden direkt nach dem Schlüpfen aussortiert, geschreddert oder mit CO² vergast. Ludolf von Maltzan, Chef des Ökodorfes Brodowin hat sich deshalb ganz bewusst für seine so genannten Zweinutzungshühner entschieden.
Maltzan: "Diese Form der Hühnerhaltung ist für uns hier wichtig, weil sie einfach in unsere Art Landwirtschaft zu betreiben, herein passt. Wir möchten als Demeter-Bauern einfach allen Seiten des Landlebens eine Chance geben. Das bedeutet, wir sind für eine gesunde Umwelt, für Tiere, die ohne Antibiotika und mit viel Platz leben können und auch für Menschen, die im ländlichen Umfeld zufrieden sein können."
Während Maltzan an diesem Morgen mit seinem Hühnerwirt fachsimpelt, klingelt schon wieder sein Handy. Seit 2006 ist er Mehrheitsgesellschafter des Ökodorfes bei Berlin und damit zuständig für rund 100 Mitarbeiter, Hofladen, Café, Ackerland, Lieferservice, Schaumolkerei, Kühe, Ziegen und die Hühner.
Maltzan: "Meine Aufgabe ist es natürlich einen Markt für diese Eier zu finden, Kunden, die uns folgen, die bereit sind für diesen großen Mehraufwand, den wir betreiben, auch ein bisschen mehr Geld zu bezahlen. Dafür brauchen wir Händler, mit denen wir zusammenarbeiten, die das auch als einen Wert betrachten. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, dass immer mehr Menschen, vom Kunden bis zum Händler und auch wir Landwirte dazu übergehen, zu verstehen, dass es nicht so weitergeht wie bisher und dass wir neue Wege suchen müssen."
"Ein sehr teures Huhn"
Nach dem Eiersammeln ist für Hühnerwirt Dirk Boldt an diesem Morgen das Hähnefüttern dran.Im zweiten Stallteil sind noch an die 100 Tiere, die ebenfalls in den nächsten Tagen zum Schlachthof müssen. Aus ihnen werden Suppenhühner und Ragoutfleisch, für alles andere sind sie zu dünn. Damit sich die Aufzucht der so genannten Bruderhähne trotzdem lohnt, zahlen die Kunden etwas mehr für die Eier.
Dirk Boldt: "Wer kann den für ein Hähnchen 20 Euro bezahlen, da können wir sie nicht so riesig füttern. Ist nicht wirtschaftlich, da kommt nichts raus. Pro Hähnchen bezahlen wir ja schon 4,50 pro Küken. Schlachten kostet ja schon 4.50 pro Hahn. Es wird ein sehr teures Huhn."
Nachdem Boldt alle Tiere gefüttert hat, fahren er und sein Chef zurück zum Hof. Die eingesammelten Eier werden gestempelt und anschließend über die eigenen Lieferservice und einen Biosupermarkt in Berlin verkauft. Ein kleiner Teil wandert direkt in den hofeigenen Laden. Paulina Gaugel macht an diesem Morgen einen Projekttag mit einer Schulklasse in Brodowin und gerade Pause im Ladenkaffee.
Paulina Gaugel: "Ich entscheid mich auch bewusst dafür. Man kann ja auch Bio-Eier bei Rewe oder so kaufen, die normalen Bio-Eier, wo ich auch weiß, dass die biologisches Futter bekommen, aber wo die auch tatsächlich die männlichen Küken schreddern oder was weiß ich. Und deswegen zahl ich dann noch mal ein bisschen mehr, ja damit die auch ein bisschen längeres Leben haben."