Spuren legen, verwischen, beseitigen
Wer politisch mordet, muss auch planen, wer danach in Verdacht geraten soll und wer ans Messer geliefert wird. Der Journalist Francisco Goldman beschäftigt sich mit diesen Fragen im Fall des 1998 ermordeten Weihbischofs von Guatemala.
Die Kunst des politischen Mordes ist eine dreifache. Die Tat selbst, der eigentliche Mord, ist das Kernstück dieser "Kunst". Die Überwachung des Opfers und die Vorbereitung des Verbrechens ein weiteres; der dritte und wesentliche Teil eines politischen Mordes aber ist die sorgfältige Lenkung und Planung der juristischen Folgen: Wie, durch wen und gegen wen ermittelt wird; wer in Verdacht geraten soll, und wer im Zweifelsfall ans Messer geliefert wird, um "höhere Interessen" zu schützen.
Francisco Goldman, der US-amerikanische Romancier und Journalist mit guatemaltekischen Wurzeln, widmet sich in seinem umfassenden und überaus gründlich recherchierten Buch über den Mord an Bischof Juan Gerardi vor allem diesem letzten Aspekt.
Der 75-jährige Weihbischof von Guatemala wurde am 26. April 1998 in seiner Garage erschlagen. Zwei Tage zuvor war die von ihm initiierte und betriebene Dokumentation der Verbrechen des guatemaltekischen Bürgerkriegs (1962 - 1996) der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Die Dokumentation mit dem Titel "Nie wieder" – vier Bände voller Augenzeugenberichte, plus ein Band mit 50.000 Namen – belastete vor allem die Armee und deren paramilitärische Hilfstruppen. Damit machten sich Gerardi und seine kirchliche Arbeits- und Ermittlungsgruppe die größte Macht im Staat zu Feinden: die Armee und die Geheimdienste.
Goldman kam als Reporter des "New Yorker" kurz nach dem Mord nach Guatemala-Stadt – und wurde zum Zeugen verwirrender Machenschaften im Lauf der Ermittlungen. Im Lauf von acht Jahren lernte er alle Beteiligten kennen, hielt engen Kontakt zu der einst von Gerardi initiierten Arbeitsgruppe, die nun neben Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch diesen Mord untersuchte. Im Jahr 2001 wurden ein Priester und drei hohe Offiziere als Mörder bzw. deren Helfer verurteilt – ein absolutes Novum in Guatemala.
Die Auftraggeber der Tat wurden nie ermittelt. General a. D. Otto Pérez Molina, der frühere Geheimdienstchef, den Goldman aufgrund seiner Recherchen damit in Verbindung bringt, trat 2007 bei den Präsidentschaftswahlen mit seiner rechten "Patriotischen Partei" an - und verlor, nachdem (wenn auch nicht unbedingt weil) eine in Guatemala-Stadt erscheinende Zeitung Ausschnitte aus Goldmanns Buch abgedruckt hatte. Er wird bei den Wahlen im Herbst erneut kandidieren.
Nach nunmehr 13 Jahren ist der "Fall Gerardi" jedoch immer noch nicht abgeschlossen. Vielleicht wird er es nie sein. Francisco Goldman ist akribisch den Spuren gefolgt, die auftauchten, die verwischt, gelegt, verschwiegen oder beseitigt wurden. Zeugen starben oder gingen plötzlich ins Ausland, die Öffentlichkeit wurde mit Gerüchten gefüttert. Der Gipfel war die Festnahme eines Schäferhundes, der als Mordverdächtiger in Polizeigewahrsam kam. Wegen dieser abstrusen Geschichte wurde der Leichnam des Bischofs exhumiert und auf Hundebisse untersucht.
Goldmans nur allzu wahre Geschichte aus einem Land, in der Gewalt und Terror institutionell verankert sind, ist ein wichtiges Stück investigativer Journalismus - das noch nicht zu Ende geschrieben werden kann.
Besprochen von Katharina Döbler
Francisco Goldman: Die Kunst des politischen Mordes
Aus dem Englischen von Roberto de Hollanda
Rowohlt Verlag, Reinbek 2011
512 Seiten, 24,95 Euro
Francisco Goldman, der US-amerikanische Romancier und Journalist mit guatemaltekischen Wurzeln, widmet sich in seinem umfassenden und überaus gründlich recherchierten Buch über den Mord an Bischof Juan Gerardi vor allem diesem letzten Aspekt.
Der 75-jährige Weihbischof von Guatemala wurde am 26. April 1998 in seiner Garage erschlagen. Zwei Tage zuvor war die von ihm initiierte und betriebene Dokumentation der Verbrechen des guatemaltekischen Bürgerkriegs (1962 - 1996) der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Die Dokumentation mit dem Titel "Nie wieder" – vier Bände voller Augenzeugenberichte, plus ein Band mit 50.000 Namen – belastete vor allem die Armee und deren paramilitärische Hilfstruppen. Damit machten sich Gerardi und seine kirchliche Arbeits- und Ermittlungsgruppe die größte Macht im Staat zu Feinden: die Armee und die Geheimdienste.
Goldman kam als Reporter des "New Yorker" kurz nach dem Mord nach Guatemala-Stadt – und wurde zum Zeugen verwirrender Machenschaften im Lauf der Ermittlungen. Im Lauf von acht Jahren lernte er alle Beteiligten kennen, hielt engen Kontakt zu der einst von Gerardi initiierten Arbeitsgruppe, die nun neben Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch diesen Mord untersuchte. Im Jahr 2001 wurden ein Priester und drei hohe Offiziere als Mörder bzw. deren Helfer verurteilt – ein absolutes Novum in Guatemala.
Die Auftraggeber der Tat wurden nie ermittelt. General a. D. Otto Pérez Molina, der frühere Geheimdienstchef, den Goldman aufgrund seiner Recherchen damit in Verbindung bringt, trat 2007 bei den Präsidentschaftswahlen mit seiner rechten "Patriotischen Partei" an - und verlor, nachdem (wenn auch nicht unbedingt weil) eine in Guatemala-Stadt erscheinende Zeitung Ausschnitte aus Goldmanns Buch abgedruckt hatte. Er wird bei den Wahlen im Herbst erneut kandidieren.
Nach nunmehr 13 Jahren ist der "Fall Gerardi" jedoch immer noch nicht abgeschlossen. Vielleicht wird er es nie sein. Francisco Goldman ist akribisch den Spuren gefolgt, die auftauchten, die verwischt, gelegt, verschwiegen oder beseitigt wurden. Zeugen starben oder gingen plötzlich ins Ausland, die Öffentlichkeit wurde mit Gerüchten gefüttert. Der Gipfel war die Festnahme eines Schäferhundes, der als Mordverdächtiger in Polizeigewahrsam kam. Wegen dieser abstrusen Geschichte wurde der Leichnam des Bischofs exhumiert und auf Hundebisse untersucht.
Goldmans nur allzu wahre Geschichte aus einem Land, in der Gewalt und Terror institutionell verankert sind, ist ein wichtiges Stück investigativer Journalismus - das noch nicht zu Ende geschrieben werden kann.
Besprochen von Katharina Döbler
Francisco Goldman: Die Kunst des politischen Mordes
Aus dem Englischen von Roberto de Hollanda
Rowohlt Verlag, Reinbek 2011
512 Seiten, 24,95 Euro