Spotify in der Kritik

Identitätskrise beim Streamingdienst

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Das Bild zeigt einen kleinen Ausschnitt eines Smartphone-Bildschirms, auf dem drei App-Icons zu sehen sind. Die mittler App ist das Logo von Spotify.
Spotify wurde von den Reaktionen auf den Podcast von Joe Rogan überrascht, vermutet der Medienblogger Thomas Knüwer. © imago images / ZUMA Wire / Thiago Prudencio
Thomas Knüwer im Gespräch mit Axel Rahmlow · 31.01.2022
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Wegen eines kontroversen Podcasters hat sich eine Welle der Kritik über Spotify aufgebaut – mitsamt Boykott wichtiger Künstler wie Neil Young und Joni Mitchell. Die Plattform werde daraus lernen, denkt Medienblogger Thomas Knüwer.
Wie geht Spotify mit strittigen Inhalten um? Die Aufmerksamkeit, die vor allem Neil Young und nach ihm auch Joni Mitchell auf das Thema gelenkt haben, hat erste Veränderungen bewirkt. Spotify-Gründer und -Chef, Daniel Ek, kündigte in einem Blogpost an, künftig alle Beiträge zu Covid-19 mit einem Hinweis zu versehen, der Nutzerinnen und Nutzer zu wissenschaftlich fundierten Informationen aus verlässlichen Quellen führen soll.
Der Medienblogger Thomas Knüwer denkt, dass der Streamingdienst neue Erfahrungen macht, denn er hat sein Stammgeschäft verlassen. Nun müsse das Unternehmen noch einige Lektionen lernen. Knüwer traut aber dem Dienst zu, dass er das bewältigt.

Episode 1757 von "The Joe Rogan Experience"

Was war passiert? Joe Rogan, mit seinem Podcast exklusiv bei Spotify unter Vertrag, hatte Ende 2021 einen Impfkritiker zu Gast in "The Joe Rogan Experience". Robert Malone sagte in der Folge, die Pandemie sei geplant gewesen und es seien Behandlungsmethoden unterdrückt worden, um die Coronaimpfungen durchzusetzen.
Der Mediziner hatte auch schon zuvor irreführende Aussagen verbreitet. Einen Tag vor der Aufnahme des Podcasts war er von Twitter gesperrt worden.
Auf diese unwissenschaftlichen Aussagen reagierten neben den beiden Musiklegenden Young und Mitchell 270 Menschen aus Wissenschaft, Medizin, Physik und Gesundheitswesen in einem offenen Brief an Spotify. Plötzlich standen neue Fragen im Raum für das Unternehmen, etwa die nach Regulierung.
Rogan hat unterdessen auf seinem Instagram-Kanal ein zehnminütiges Video gepostet, in dem er sagt, dass es ihm leidtue und dass er ein großer Fan von Neil Young sei. Zugleich verteidigte er seinen Podcast – einzelne Folgen wurden bis zu 16 Millionen Mal heruntergeladen, monatlich soll Rogan auf mindestens elf Millionen Hörerinnen und Hörer kommen.
Er wisse nicht, ob die Aussagen Malones stimmten, da er kein Doktor und kein Wissenschaftler sei, so Rogan. Er wolle sich einfach mit den Menschen unterhalten und mache dabei auch Fehler. Aber, so der Podcaster: Er sei auf der Suche nach der Wahrheit.
Auch die Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot verteidigt solche Formate: „Wir wollen uns doch drauf einlassen, dass wir noch live Diskussionen führen können, in denen ab und zu jemand etwas nicht richtigmacht.“ Das könne dann hinterher richtiggestellt werden. „Das ist ein Diskurs.“ Sie wehre sich auch „gegen diesen Begriff des absoluten wissenschaftlichen Faktums“, da sie es eher mit dem ewig zweifelnden Sokrates halte.

Spotify in der Identitätskrise

Knüwer sieht in den Ankündigungen von Spotify einen ersten richtigen Schritt. Er sieht das Unternehmen, so wie es auch die "New York Times" formuliert hat, in einer Identitätskrise: Der eigentliche Bereich von Spotify sei Musik, im zweiten Schritt sei man dann zu Podcast übergegangen und dabei so gehandelt wie bei der Musik. „Bei Musik achtet auch keiner drauf, was da ausgespielt wird – und mit einem Mal sehen sie sich mit Inhalten konfrontiert, die problematisch sind.“
Knüwer regt eine Unterscheidung an zwischen Beiträgen, für die Spotify lediglich eine Plattform bietet und solchen Inhalten, für die der Streamingdienst viel Geld zahle, damit sie exklusiv auf Spotify stattfinden. Bei Rogan seien dies angeblich 100 Million US-Dollar.
„In diesem Moment ist Spotify nicht einfach nur eine Ausspielstation, die sich irgendwie demokratisch verhält, sondern in diesem Moment verhält es sich durchaus wie ein Verleger, der einen Inhalt kauft. Deshalb muss man den Fall Joe Rogan ein bisschen besonders behandeln."
Braucht Spotify also eine externe Regulierung oder ein externes Ethikgremium wie den Presserat? „Ich glaube, dass Spotify das auch von allein schaffen kann.“ Er halte den Spotify-Gründer für einen durchaus klugen Menschen:
„Die sind gerade ein bisschen überrascht worden von der Welle, die da entsteht. Ich gehe davon aus, dass Spotify Stück für Stück Schritte unternehmen wird, zumindest diejenigen Podcasts zu regulieren, für die sie die Exklusivrechte haben.“

Viel zu schnell von Zensur die Rede

Dass Spotify Zensur betreibe oder in Zukunft betreiben würde, sehe er nicht, sagt Knüwer, auch wenn das von einigen Seiten womöglich insinuiert werde: "Natürlich schreibt man viel zu schnell Zensur in diesen Zeiten."
Auch da müsse man wieder unterscheiden: „Würde Spotify jetzt die Ausspielmöglichkeit für Podcast kappen, die nicht von ihnen exklusiv bezahlt werden, ist das eine andere Situation, als wenn sie jemandem, den sie bezahlen, sagen: Das, was du da machst, wollen wir hier nicht mehr haben.“

Spotify wird seine Rolle finden

Knüwer unterstreicht, dass Spotify seine Rolle finden wird: Der Medienmarkt, insbesondere auch der von Podcasts, verändere sich rasant und in unerwartete Richtung. Der Medienblogger verdeutlich dies an einem Beispiel aus Deutschland: dem NDR-Podcast "Coronavirus-Update" mit Christian Drosten und Sandra Ciesek.
Dies sei "ein hochwissenschaftliches Format, das eine Stunde oder anderthalb Stunden dauert. Wenn jemand erzählt hätte: Das wollen die Leute hören, hätten ihm alle den Vogel gezeigt". Nun erreiche die Reihe aber ein Millionenpublikum.
(mfu)

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