Spotify

Echokammer des Geschmacks

07:52 Minuten
Ein Hund steckt seinen Kopf in ein Grammophon.
Wie wir hineinrufen, so schallt es heraus: Algorithmen bestimmen, was wir hören. © Imago / Cover-Images
Tobi Müller im Gespräch mit Marietta Schwarz · 28.12.2020
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Spotify ist der erfolgreichste Musikstreamingdienst. Auch unser Musikkritiker Tobi Müller hört dort oft und viel. Doch er hat Bauchschmerzen dabei, und zwar wegen der intransparenten Ausschüttungen an die Künstler und weil dort Pop zur Gefühlsware werde.
Mit 320 Millionen Nutzerinnen und Nutzern ist der schwedische Musikstreamingdienst Spotify erfolgreicher als alle Konkurrenten. Das erste Ziel von Spotify sei es, die Nutzerinnen möglichst lange auf der Plattform zu halten, sagt Musikkritiker Tobi Müller. Denn den Nutzerdaten gelte das eigentliche Interesse des Streamingdienstes.
Ein schwedisches Forscherteam habe untersucht, was die Firma wirklich macht: "Und die haben gesagt, Spotify ist ein Datenbroker und keine Musikplattform", so Müller. Das führe zu einer Umkehrung im Popmarkt: "Früher konnte man sagen, die Fans wollen alles über den Künstler oder über die Künstlerin erfahren. Das hat sich komplett umgedreht. Die Künstler wollen alles über die Fans erfahren."

Je größer der Star, desto mehr Geld

Auch die Vergütung der Kunstschaffenden sei problematisch, meint Müller: "Es ist komplett intransparent, wie die Ausschüttung zustande kommt." Klar sei, dass Stars bevorzugt würden: "Sie verdienen überproportional."
Zwar versuchen zum Beipiel Helene Fischer oder Herbert Grönemeyer dagegen vorzugehen, aber: "Die Plattenfirmen haben Angst, weil Spotify sie schon ziemlich im Griff hat."
Das größte Problem sei allerdings, dass Pop zur Gefühlsware werde, meint Müller, bei der jede und jeder eine eigene, personalisierte Nische habe. "Schuld daran ist die Kultur der Liste", sagt Müller. Dass der Musikgeschmack diverser werde, halte er für eine Illusion. "Listen sorgen vor allem für eins: Ähnlichkeit in der Geschmacksblase".

Musik ist nur Schmiermittel

So werde eine Musikidentität erzeugt, die sich von "Inneneinrichtungsdiskussionen eigentlich nicht mehr unterscheidet", urteilt Müller.
Überhaupt sei Musik nur das Schmiermittel, um andere Businessmodelle durchzusetzen. Sie werde in Zukunft eine viel geringere Rolle spielen: "Podcast ist das neue Ding für Spotify."
(beb)
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