Sportlerin mit Spenderorgan

Chantal Bausch hütet das Tor eines Hockey-Zweitligisten

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Chantal Bausch zeigt Einsatz im Tor.
Chantal Bausch steht im Tor der Bundesligamannschaft des Bremer HC. © Privat
Von Fritz Schütte · 07.06.2020
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Im Alter von zwölf Jahren wird Chantal Bausch das Herz eines Verstorbenen transplantiert. Sie wird wieder gesund. Die begeisterte Hockey-Stürmerin wechselt daraufhin ins Tor. Und ihre Sportkarriere geht weiter – bis heute.
Plötzlich schafft sie es kaum noch, die Treppe hochzusteigen. Ein Herzmuskel ist entzündet. Chantal Bausch ist zwölf Jahre alt. Ohne Spenderorgan wird sie das Krankenhaus nicht mehr verlassen können.
Es ist nun 15 Jahre her, dass sie die erlösende Nachricht tatsächlich bekommt. Der Organspender bleiben anonym. Chantal weiß nur, dass ihr Herz vorher in einem Achtzehnjährigen schlug. "Insofern ist dieser Tag immer ein ganz spezieller Tag, weil ich dann auch immer sehr an die Spenderfamilie denke", sagt sie.

Aus der Stürmerin wird eine Torwärtin

Damals war Chantal Stürmerin in einem Hockeyteam. Nach der Operation erfährt sie, dass sie ihr Leben lang Medikamente nehmen muss. Sie darf aber – und soll sogar – Sport treiben. "Und dann hatte ich mir überlegt: Es wäre ein guter Plan, ins Tor zu gehen. Da musst du nicht so viel laufen. Und dann, wenn ich wieder konditionell auf der Höhe bin, starte ich wieder durch als Stürmer. Aber das steht noch aus. Ich bin immer noch im Tor."
Und das recht erfolgreich. Vor kurzem ist sie aus der Dritten Liga in die Bundesliga gewechselt. "ich habe keine Bälle gehalten am Anfang", erinnert sie sich. "Mit der Zeit ging es dann. Man gewöhnt sich ja schon daran, aber am Anfang war das wirklich krass, dieser Unterschied."
Porträt von Chantal Bausch in Hockey-Montur.
Chantal Bausch lebt seit ihrem zwölften Lebensjahr mit einem Spenderorgan.© Privat
Der Bremer HC führt die Tabelle der Zweiten Bundesliga an. Wegen Corona finden erst im August wieder Punktspiele statt. Dennoch ist inzwischen wieder dreimal die Woche Training. "Und wir sind ja auch Hobbysportler, also das ist schon eine intensive Sache."

World Transplant Games: Herz gegen Niere

Das Team kommt gerade von einem Langstreckenlauf zurück. Chantal ist auch hier dabei, aber nicht in vorderster Reihe.
Sie spielt auch Tennis und Golf und hat bei den World Transplant Games in Newcastle die Silbermedaille zusammen mit Doppelpartnerin Elke Bagusa gewonnen. Herz aus Bremen, Niere aus Hamburg. "Im Golf hatte ich gegen ein Herz aus Paraguay um zwei Schläge auch verloren. Also da war ich dann auch Zweiter. Also, zweimal Silber."
Die EM in diesem Jahr und die WM im nächsten Jahr sind leider abgesagt. "Über 4000 Leute wären da angepeilt gewesen, dass sie kommen aus der ganzen Welt. Und ja, leider Gottes, kann man das ja nicht voraussehen, wie es sich auf der Welt jetzt entwickeln wird mit dem Virus."
Ihre anfängliche Panik hat sich gelegt. Ein befreundeter Sportler mit Spenderherz hat eine Infektion unbeschadet überstanden.
"Also, klar. Trotzdem bin ich weiter sehr, sehr vorsichtig. Ich würde da nie ein Risiko eingehen und passe wirklich sehr auf. Aber das hat mich ein bisschen ruhiger gestimmt, dass ich da etwas gelassener ran gehe."
Chantal streift den Helm mit dem Gitter vor dem Gesicht über, außerdem Brust- und Armpanzer, zwei riesige rosafarbene Handschuhe und die Torwartschienen, die Füße und Beine schützen sollen. "Da bin ich schon durchgeschwitzt, wenn ich mich anziehe", sagt sie.

Sie wirbt für den Organspende-Ausweis

Als Botschafterin des Vereins Kinderhilfe Organtransplantation ist Chantal Gast in Talkshows. Anfang des Jahres hat sie für die Einführung der Widerspruchsregelung geworben. Wer nicht ausdrücklich widerspricht, kommt als Organspender in Frage.
Aber im Bundestag gab es keine Mehrheit dafür. "Ich war einfach unheimlich traurig an dem Tag. Als dann tatsächlich das Ergebnis feststand, wusste ich halt, dass darunter viele Menschen leiden werden", sagt Chantal Bausch. "Das einzige was mich positiv stimmt, ist tatsächlich, dass die Bestellungsrate von Organspende-Ausweisen im Internet, die ist tatsächlich nachweislich jetzt erhöht gewesen im Frühjahr im Vergleich zum letzten Jahr."
Kurz vor dem Lockdown hat Chantal ihr Magisterzeugnis in BWL erhalten. In der Abschlussarbeit ging es um die Firma, die das Herzkreislauf-Unterstützungssystem herstellt, das ihr ermöglichte, bis zur OP durchzuhalten, ein externes Gerät, das Blut durch die Adern pumpt.
"Es kommen aus der Bauchdecke zwei Schläuche heraus, und dann hängt da so ein Korpus daran, da fließt auch das Blut durch. Das ist transparent. Man sieht das auch. Das war ganz emotional teilweise, wenn ich dann durch die Produktionsräume gegangen bin und diese Herzen tatsächlich auch noch einmal gesehen habe und selbst in der Hand halten durfte. Das war dann tatsächlich das erste Mal nach ganz langer Zeit, dass ich das noch einmal alles abgerufen habe, wie brenzlig es bei mir war und wie gut es ist, dass es solche Erfindungen überhaupt gibt."

Weltmeister, Olympiasieger, Grand-Slam-Champion - die Mitglieder im Verein "Sportler für Organspende" unterstützen mit ihren bekannten Namen die Idee der Organspende. Ein Netzwerk hilft dabei, dass transplantierte Kinder wieder Schulsport machen dürfen. Im Vorstand sitzt auch die zweimalige Paralympics-Siegerin Franziska Liebhardt. Redakteur Thomas Wheeler hat mit ihr gesprochen:
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