Spielen im Netz

Die Lust am Online-Schach

Eines von 550 Schachbrettern steht am 10.11.2008 kurz vor Beginn der 38. Schacholympiade im Dresdner Kongresszentrum. Helfer haben für den vom 12.-25. November 2008 stattfindenden Wettbewerb 17.600 Schachfiguren auf die Bretter gestellt. 2160 Aktive aus 152 Nationen werden an der Schacholympiade 2008 teilnehmen.
Wie beim echten Schach wird bei der Online-Version nach dem Elo-Punkte-System gewertet. © picture alliance / dpa / Ralf Hirschberger
Von André Hatting |
Auf Seiten wie Gameknot, Chessbomb oder schach.de spielen Millionen Menschen jeden Tag Schach. Sie spielen über mehrere Tage mit Bedenkzeit, aber auch in Echtzeit. Mitmachen kostet nichts - und kann schneller als gedacht süchtig machen.
Passwort, einloggen, 15 Millionen Mitglieder - und jetzt gerade um diese Zeit über 38.000 Spieler online. Dann spielen wir jetzt mal drei Minuten für jeden. Mal gucken, wen ich als Gegner bekomme. Er sucht..."Eldar Aserbaidschan" aus, na der Name sagt‘s, Aserbaidschan. So, und jetzt geht das hektische Geklicke los.
Drei Minuten, Blitzschach. Das ist nicht viel Zeit, reicht aber, um auch schöne Partien hinzubekommen. Das zeigen die vielen Großmeister, deren Spiele man auf diesen Plattformen beobachten und genießen kann. Beeindruckend, was die manchmal in sechs Minuten für Kombinationen spielen! Ich stehe in meiner Partie nach insgesamt fünf gespielten Minuten klar auf Verlust. Mein Gegner aus Aserbeidschan holt sich gerade seine zweite Dame. Aber da kommt mir die Zeit zur Hilfe! Gerettet! Richtig irre wird es, wenn nur eine Minute Zeit ist. Für die gesamte Partie. Bullet heißt das, wie die Kanonenkugel. Reflexschach wäre auch passend. Da ist die Zugfrequenz noch einmal eine ganz andere.

Spinner treffen und Freunde

Über zehntausend Partien habe ich so in den letzten Jahren gezockt. Gegen Spieler aus der ganzen Welt. Sogar Nordkorea und der Vatikanstaat waren dabei. Angeblich. Die Staatsangehörigkeit darf man sich beim Registrieren aussuchen. Ich habe Isle of Man genommen. Weil mir die Flagge so gut gefällt.
Der Suchtfaktor beim Online-Schach ist die Jagd nach dem eigenen Rekord. Wie im echten Schach auch werden die Spiele nach dem Elo-Punkte-System gewertet. Mein größter Triumph war ein Sieg gegen einen Spieler mit über 2000 Elo-Punkten. Zum Vergleich: Der amtierende Weltmeister Magnus Carlsen liegt aktuell bei 2853. Meine größte Schmach war die Niederlage gegen einen Spieler mit nur 700 Punkten. Mitten in der Partie ist meine Internetverbindung zusammengebrochen. Das wird als Sieg für den Gegner gewertet.
Leider trägt die Anonymität des Netzes dazu bei, dass sich auch auf Online-Schachseiten der eine oder andere Spinner verirrt. Beleidigungen, Schmähungen, Flüche, habe ich alles schon mehrfach erlebt im Chat. Aber den kann man zum Glück ausschalten. Und einmal habe ich sogar online einen Schachfreund für offline kennengelernt. Es stellte sich heraus, dass der Spieler ebenfalls in Berlin lebt. Da haben wir dann einfach unsere Computer ausgestellt und uns in einer Kneipe zum Schachspielen getroffen.
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