Spiele-App "Lifeline"

Die Atmosphäre entsteht im Kopf

Smartwatch
Da die Spiele-App "Lifeline" nur aus Textnachrichten besteht, lässt sie sich auch auf der Smartwatch spielen. © dpa / picture alliance / Rainer Jensen
Stefan Mesch im Gespräch mit Jörg Magenau  · 24.07.2015
"Lifeline" gehört derzeit zu den erfolgreichen Spiele-Apps. Obwohl das Spiel grafisch unspektakulär ist und nur aus Textnachrichten besteht, findet der Literaturkritiker Stefan Mesch es aufregend und wegweisend.
Die Geschichte erinnert an einen klassischen Science-Fiction-Roman. Eine Person namens Taylor hat als einzige den Absturz eines Raumschiffes auf einem fremden Planeten überlebt. Doch Taylor ist kein Astronaut, sondern einfach nur studentische Hilfskraft - und hat keine Ahnung, wie mit der Situation umzugehen ist. Also schickt man Taylor Nachrichten an die Erde, und damit beginnt das Spiel: Wer die "Lifeline"-App auf seinem Smartphone (oder seiner Apple Watch) installiert hat, bekommt eine Chat-Anfrage von Taylor und kann versuchen, mit guten Ratschlägen (in Echtzeit) zu helfen.
Nur Textnachrichten
"Es ist ein Spiel, das ganz ohne Grafik auskommt", sagte der Literaturkritiker Stefan Mesch im Deutschlandradio Kultur. "Alles, was wir mitbekommen von der Spielwelt, von der Atmosphäre entsteht wirklich in meinem Kopf als Leser." Man sehe alles mit den Augen einer "vermutlich jungen, sehr patzigen, sarkastischen Person, die um so galliger und umso nervöser wird, je schlimmer die Situation wird." Das Spiele bestehe nur aus kurzen Textnachrichten, in denen es beispielsweise heiße: "Warte, ich geh kurz rein" oder "Oh, ich sehr hier gar nichts, es ist ganz dunkel. Soll ich trotzdem weitergehen?" Darauf könne man dann mit Ja oder Nein antworten.
Fehlende Psychologie
"Ich finde es aufregend", sagte Mesch."Das funktioniert auch sehr gut." Das Spiel habe ihn richtig reingezogen und mitgenommen. Es würden bestimmte Filmtricks benutzt, sodass man bei spannenden Vorfällen länger auf Taylors Verbleiben warten müsse. Dennoch war der Literaturkritiker enttäuscht, denn bei der Spielmechanik wäre aus seiner Sicht viel mehr drin gewesen. "Es geht eigentlich vor allem ums nackte Überleben", sagte er. "Psychologie oder so, das fehlt da ein bisschen." Die Hauptfigur Taylor komme einem zwar sehr nahe, sei aber literarisch nicht knackig genug.
In zwei Jahren ein klügeres Spiel
"Das Tolle an dem Spiel ist weniger, dass es jetzt dieses Spiel gibt, sondern wie viele Leute das gerade ganz begeistert spielen, obwohl es relativ primitiv ist in seinen Handlungsmöglichkeiten", sagte Mesch. Dennoch glaube er, dass "Lifeline" wegweisend sei und es in zwei Jahren ein klügeres Spiel geben werde.
Ideal für die Smart Watch
Seine Vermutung sei auch, dass ein Teil des Erfolgs daher rühre, dass sich gerade alle fragten, ob sie eine Smart-Watch bräuchten und was sie damit eigentlich machen wollen. "Das ist einfach nur ein kleines Display, wo kurze Nachrichten draufkommen und voilà, das Ding ist seit einem Monat auf dem Markt und die erfolgreichste App handelt von kurzen Nachrichten." Mesch sagte, er rechne damit, dass diese Spiele in naher Zukunft immer besser und komplexer würden.
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