SPD-Parteitag

Woidke fordert Wandel der Linkspartei

Dietmar Woidke im Gespräch mit Marietta Schwarz · 15.11.2013
Für Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke muss die Linkspartei erst verlässlicher in wichtigen Politikfragen werden, bevor eine rot-rote Koalition in Frage komme. Dazu zähle die Bündnistreue zur Nato. Außerdem müsse die Linke ihre DDR-Vergangenheit aufarbeiten.
Marietta Schwarz: Die SPD und die Linke könnten künftig ein Bündnis schmieden. Ein entsprechender Leitantrag wurde gestern beim Parteitag in Leipzig mit überwältigender Mehrheit verabschiedet. Nach dem klaren Nein im Wahlkampf jetzt also das Ja-Vielleicht, das sich viele SPD-Linke schon früher gewünscht haben, gegen das aber unter den potenziellen Wählern gerade im Westen nach wie vor erhebliche Widerstände bestehen. In Hessen scheint es mit dem Linksbündnis nicht zu klappen, in Brandenburg hingegen hat man damit schon länger Erfahrung. Und am Telefon ist jetzt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke, guten Morgen!
Dietmar Woidke: Schönen guten Morgen!
Schwarz: Herr Woidke, was ist das für eine SPD, die nicht mal den Koalitionsvertrag mit der Union unterzeichnet hat und sich jetzt den Linken öffnet?
Woidke: Na ja, ganz so ist es ja nicht. Wir reden auf dem Parteitag natürlich über die Perspektiven für die Zukunft. Es geht jetzt nicht um die nächsten vier Jahre, es geht schon gar nicht um diese Koalitionsverhandlung, sondern es geht um eine Option für die Zukunft für die SPD. Wobei hier ganz klar gesagt werden muss, es liegt vor allen Dingen an der Linkspartei, und hier an der Linkspartei auf Bundesebene, ob diese Koalition jemals möglich ist, und da geht es natürlich um Verlässlichkeit, Verlässlichkeit in Bündnisfragen, ich denke hier an die NATO-Frage, Verlässlichkeit in Sachen Bundeswehr, Verlässlichkeit in Sachen Außenpolitik insgesamt. Und da ist momentan keine gemeinsame Basis da.
Schwarz: Ja, aber warum jetzt nicht? Sie könnten jetzt auch in Koalitionsverhandlungen mit der Linken stecken, das muss man sich mal vorstellen, dann hätten Sie vielleicht auch ein Druckmittel in der Hand gegen die Union! Was will diese SPD?
Woidke: Jetzt nicht, schon aus einem Grund: Wir haben zum Wahlkampf kategorisch ausgeschlossen, das ist auf der Bundesebene ganz klar gesagt worden und wir werden nicht unsere Wahlaussagen jetzt korrigieren oder brechen. Das würde in der Bevölkerung, aber erst recht natürlich auch in der SPD als sehr kritisch wahrgenommen. Das ist eine Option für die Zukunft und es kommt vor allen Dingen auf die Linkspartei selber an, wie sie sich diesen Herausforderungen stellt, ob sie denn überhaupt in eine Koalition will. Das ist ja die Frage. Man hört immer, nach außen postuliert man gerne, ja, wir würden ja sofort in eine Koalition gehen. Wenn man aber die Positionen sich genauer anguckt, die dann gleichzeitig hinterhergeschoben werden, dann ist es schon relativ schwierig, auf Bundesebene über eine Koalition überhaupt nachzudenken. Auf Landesebene ist das was anderes, weil diese großen Fragen, diese teilweise in der Linkspartei auch sehr ideologisch diskutierten Fragen da erstens weniger eine Rolle spielen und zweitens auch andere Leute am Werk sind, das muss ich ganz klar sagen. Das betrifft vor allen Dingen Brandenburg.
Schwarz: Hubertus Knabe, der Leiter der Berliner Stasiopfer-Gedenkstätte, der sagt, ich bin geschockt, wie leichtfertig führende SPD-Politiker die Linkspartei plötzlich für salonfähig erklären. Hat die Linke sich aus Ihrer Brandenburger Sicht genug von ihrer Vergangenheit in der DDR distanziert?
Woidke: Ich kenne Hubertus Knabe sehr gut und ich schätze ihn auch sehr. Und man muss natürlich sagen, dass eine der Grundvoraussetzungen, da hat er vollkommen recht, eine der Grundvoraussetzungen für eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ist, dass sie sich ihrer Vergangenheit stellt, dass die Vergangenheit aufgearbeitet wird. Das ist vor allen Dingen natürlich eine Frage wiederum für die Ostverbände. Dass da ganz offen mit umgegangen wird, das war hier in Brandenburg eine Grundvoraussetzung dafür, dass die Koalition am Ende dann doch ganz gut funktioniert hat und jetzt seit mittlerweile vier Jahren gut funktioniert.
Schwarz: Und ist das der Fall?
Woidke: Es ist der Fall. Es kamen natürlich viele Dinge zusammen, es war öffentlicher Druck da, es war eine Riesendiskussion da, Sie wissen ja, dass vor vier Jahren da einige Leute als Stasi-IM enttarnt worden, die Landtagsabgeordnete waren. Aber ich muss sagen, dass ich damals überrascht war – und ich bin es eigentlich heute noch, wenn ich darüber nachdenke –, wie souverän und klar die Linkspartei damit umgegangen ist, dass sie diese Leute dann aus der Fraktion ausgeschlossen hat und sich da auch klar positioniert hat.
Schwarz: Und das gilt auch für die anderen ostdeutschen Bundesländer?
Woidke: Ich kann es jetzt nicht für alle Landesverbände der Linken sagen. Momentan gibt es diese gemeinsame Regierung ja nur hier in Brandenburg, es gibt kein anderes Bundesland, wo das passiert. Aber ich glaube, damals auch in Sachsen-Anhalt war ja die erste gemeinsame Regierung, mit einer Duldung fing das an, aber das hat schon immer eine große Rolle gespielt gerade auch für die SPD. Wir haben ja in unseren Reihen noch viele Mitglieder, die selber die DDR erlebt haben, und auch die negativeren Seiten der DDR, nämlich Stasi-Bespitzelung und vieles andere. Und da wird schon ganz großer Wert drauf gelegt und das ist eine ganz wichtige Frage, dass man sich dieser Vergangenheit stellt.
Schwarz: Herr Woidke, die Große Koalition, an der jetzt in Berlin gebastelt wird, die könnte ja auch dazu führen, dass die Linke bei den Landtagswahlen im Osten, die anstehen, erstarkt. Was machen Sie denn beziehungsweise Ihre Kollegen, wenn die Linkspartei dann stärker ist als die SPD? Haben wir dann den ersten linken Ministerpräsidenten?
Woidke: Es ist natürlich kein Automatismus mit diesem gestrigen Beschluss da, es ist kein Automatismus auf Bundesebene, es ist kein Automatismus auf Landesebene. Die Landesverbände werden selber überlegen müssen, wie sie das genau machen. Bei uns war es eine intensive Diskussion vor vier Jahren. Es wird wahrscheinlich in einem Jahr – da sind Landtagswahlen –, da wird es wieder eine ähnliche Diskussion geben. Die SPD wird sich vorher hier in Brandenburg nicht zu einer Koalition äußern, wir werden einen Wahlkampf für die SPD machen, wir wollen stärkste Partei bleiben und werden dann überlegen, welchen Partner brauchen wir, um dieses Land voranzubringen.
Schwarz: Und ich höre da raus, Sie fänden das schon schwierig!
Woidke: Das haben Sie nicht richtig herausgehört, dann haben Sie sich da verhört. Wir haben zwei Partner, die infrage kommen, und wir haben ja, diese Koalition mit der Linkspartei sind wir nicht eingegangen, weil wir Lust hatten auf große öffentliche Debatten, die ja in Brandenburg dann losgebrochen sind, sondern wir sind sie eingegangen, weil die CDU einfach als Partner nicht mehr infrage kam. Da gab es verschiedene Gründe, das würde jetzt die Zeit sprengen, aber das war die damalige Situation. Und wir werden uns in einem Jahr dann ganz genau die Situation wieder angucken, analysieren, und dann am Ende entscheiden, was ist gut für dieses Land. Und das ist am Ende der Maßstab, um den es geht.
Schwarz: In Hessen sind ja jetzt die Koalitionsverhandlungen mit Links quasi gescheitert. Schade?
Woidke: Ich habe mich nicht so sehr darüber gewundert, dass es in Hessen äußerst schwierig ist, weil die hessische Linkspartei schon aufgrund der Personen, die da die Fraktion verkörpern im hessischen Landtag, aber auch aufgrund der Parteiaufstellung insgesamt natürlich eine ganz andere Linkspartei ist als die Brandenburger. Es gibt einen riesengroßen kulturellen Unterschied zwischen Ost und West, und ich glaube, im Westen ist es wesentlich schwieriger, auf Landesebene mit den Linken in irgendeiner Art und Weise zusammenzuarbeiten als hier in Ostdeutschland.
Schwarz: Das war Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke zum gestrigen Leitantrag der SPD, sich möglicherweise für die Linke zu öffnen. Herr Woidke, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Woidke: Herzlichen Dank, alles Gute, tschüss!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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