Pressefreiheit in Spanien

Ein Fotograf kämpft gegen das „Maulkorbgesetz“

05:32 Minuten
Porträt des spanischen Fotojournalisten Javier Bauluz bei einer Ausstellung.
Javier Bauluz wurde als erster Spanier mit dem Pulitzer Preis geehrt. Er dokumentiert vor allem das Schicksal von Flüchtlingen und Kriegsopfern. © picture alliance / Pacific Press / RoverImages / Mercedes Menendez
Von Franka Welz · 04.08.2022
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Wer in Spanien Fotos von einem Polizeieinsatz macht, muss mit einem Bußgeld rechnen. Grundlage dafür ist das sogenannte "Maulkorbgesetz". Auch den Pulitzer-Preisträger Javier Bauluz hat es erwischt - doch der missachtet es und wehrt sich.
Spaniens sogenanntes „Maulkorbgesetz“ stellt immer wieder auch Journalistinnen und Journalisten vor Probleme, denn es sieht zum Beispiel Strafen für Personen vor, die Fotos oder Videos von Sicherheitskräften im Einsatz machen und ins Netz stellen. Eines der großen Wahlkampfversprechen von Spaniens amtierendem Ministerpräsidenten Pedro Sánchez war die Reform des 2015 verabschiedeten „Gesetzes zur Sicherheit der Bürger“, doch daraus wurde bisher nichts.
Unlängst wurde ein bekannter spanischer Fotojournalist belangt, er will die Strafe aber nicht zahlen. Javier Bauluz geriet Anfang Dezember 2020 am Hafen von Arguinegin im Süden von Gran Canaria mit mehreren Polizisten in Streit, während er seiner Arbeit nachging. Andere Journalisten filmten die Auseinandersetzung. Im Hintergrund der Aufnahmen ist ein Schiff der spanischen Seenotrettung mit Geflüchteten an Bord zu sehen.

Ankunft der Geflüchteten

Javier Bauluz wurde 1995 als erster Spanier mit den renommierten Pulitzer Preis für seine Arbeit ausgezeichnet und ist seitdem als Fotojournalist international bekannt. Auf dem Video von der Auseinandersetzung ist zu sehen, wie er mit den Beamten diskutiert und sie ihn wegschicken wollen. Einer packt Javier Bauluz am Arm, der, wie er sagt, seinen Job machen wollte, als er die Ankunft der Geflüchteten dokumentierte: "Um den Menschen zu zeigen, was da passiert. Das ist doch, soweit ich weiß, unsere gesellschaftliche Funktion."
Zwei Sicherheitskräfte beobachten Migranten, die gerade mit einem Boot an der Küste von Gran Canaria gestrandet sind.
Bilder wie dieses von Javier Bauluz könnten in Spanien strafbar sein, denn zu sehen sind Sicherheitskräfte im Einsatz.© picture alliance / AP Photo / Javier Bauluz
Gemeinsam mit andere Journalisten war er an diesem Tag auch vor Ort, um sich anzusehen, wie es dort aussah, nachdem die spanische Regierung das Auffanglager für Bootsflüchtlinge aufgelöst hatte, in dem gut drei Monate lang tausende Menschen unter prekären Bedingungen untergebracht waren. "Bis zu 2600 Personen gleichzeitig, auf 3000 Quadratmetern, die auf dem Boden schlafen mussten, wenig Wasser, keine Duschen. So ist es den meisten ergangen", beschreibt Javier Bauluz seine Eindrücke.

Ein Mensch ist kein Auto

Rund anderthalb Jahre nach dem Vorfall bekommt Javier Bauluz Post mit einem Bußgeldbescheid über knapp 1.000 Euro. Das Bußgeld gründet sich auf Spaniens umstrittenen "Gesetz zur Sicherheit der Bürger", im Volksmund auch "Ley Mordaza" ("Maulkorbgesetz") genannt.
"Das ist ganz so, als wenn sie einen Strafzettel für ein falsch geparktes Auto ausstellen. Aber ich bin kein Auto, ich bin ein Bürger, ich bin ein Mensch. Ich bin Bürger eines demokratischen Landes und ich fordere meine Grundrechte", sagt Bauluz. Dazu gehöre nicht nur, über den Vorwurf und das Bußgeld informiert zu werden, sondern auch gehört zu werden, sich gegen die Anschuldigungen eines Polizisten zu verteidigen, sagt der Journalist.
Bei der Anwendung des Gesetzes gibt es keine Unschuldsvermutung wie in einem Strafprozess. Alles, was die Polizei angibt, gilt als wahr: Der Beschuldigte muss das Gegenteil beweisen.
Eingeführt hatte das Gesetz die damalige konservative Regierung unter Ministerpräsident Mariano Rajoy als Reaktion auf die großen Proteste in Madrid gegen Austerität und Korruption. Der damalige Innenminister Jorge Fernandez Díaz erklärte dazu, Zweck des Gesetzes sei es, gesellschaftliche Freiheit und Sicherheit besser zu garantieren: "Das Gesetz soll die Grundrechte der Bürger stärken, indem wir die Sicherheit verteidigen. So garantieren wir ein friedliches, freies und demokratisches Zusammenleben."

Das Wahlversprechen bleibt bisher uneingelöst

Seit 2018 stellt die Sozialistische Partei den spanischen Ministerpräsidenten. Und Pedro Sánchez hatte schon im Wahlkampf und dann im Laufe der Jahre immer wieder gesagt: Das "Maulkorbgesetz" müsse weg oder zumindest entschärft werden.
Passiert ist das bis heute nicht. Die Regierung hat keine eigene Mehrheit im Parlament und die Verhandlungen, unter anderem mit den Konservativen, stecken fest. Ende vergangenen Jahres haben Polizisten gegen die geplante Reform protestiert. In Spanien haben derweil in den vergangenen Jahren selbst Puppenspieler die Härte dieses Gesetzes zu spüren bekommen, ebenso wie Tweet-Schreiber und Journalisten.
Protestierende laufen mit einem Banner gegen das sogenannte "Maulkorbgesetz" durch die Straßen von Madrid.
Immer wieder wird wie hier im Februar 2022 in Madrid gegen das sogenannte "Maulkorbgesetz" demonstriert.© picture alliance / NurPhoto / Oscar Gonzalez
Zehntausende Strafbescheide ergingen wegen "Respektlosigkeit" oder Ungehorsam gegenüber Sicherheitskräften. Dabei konnte es schon genügen, das Foto eines Polizeiautos ins Netz zu stellen, das auf einem Behindertenparkplatz steht.
Fotojournalist Javier Bauluz hat sich für zivilen Ungehorsam entschieden. Er will die Strafe nicht zahlen und erinnert die Regierung in Dutzenden Interviews an ihr Versprechen. Ihm bleibe nichts anderes übrig, als das Gesetz zu missachten, sagt er: „Ich bin ein Bürger, der seine Rechte hat, und ich fordere sie öffentlich ein und missachte das Gesetz und sage, dass ich das Gesetz missachte, weil das die einzige Möglichkeit ist, die ich kenne."
Man könne zwar sein Konto sperren, so Bauluz weiter, aber "ich bin nicht gerade sehr reich. Freiberuflicher Journalist zu sein, hört sich toll an, aber Sie wissen selbst, dass Sie damit nicht sehr reich werden.“

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