"Es geht nicht darum, jeden einzelnen Mann zu verurteilen"
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Was tun gegen sexualisierte Gewalt? Laut der Soziologin Sabine Hark vollzieht sich in den Geschlechterverhältnissen ein Wandel – zum einen durch das Strafrecht, zum anderen durch die Aufdeckung kulturell tief verankerter Vorstellungen von Männlichkeit.
Die Beweisaufnahme ist nach sechs Wochen abgeschlossen, die Schlussplädoyers sind gehalten – nun beraten die Geschworenen im New Yorker Prozess gegen Harvey Weinstein, ob sich der Ex-Filmmogul sexueller Vergehen schuldig gemacht hat. Mehr als 80 Frauen haben Weinstein sexualisierte Übergriffe bis hin zu Vergewaltigungen vorgeworfen, darunter so prominente Schauspielerinnen wie Salma Hayek, Angelina Jolie und Gwyneth Paltrow.
Viele der Fälle sind allerdings schon verjährt oder wurden aus anderen Gründen nicht zur Anzeige gebracht. Im New Yorker Prozess geht es um insgesamt fünf Anklagepunkte, die auf die Vorwürfe von zwei Frauen zurückgehen: Die Schauspielerin Jessica Mann beschuldigt Weinstein, sie 2013 vergewaltigt zu haben. Die frühere Produktionsassistentin Mimi Haleyi wirft dem 67-Jährigen vor, ihr 2006 Oralsex aufgezwungen zu haben.
Die Frage der Beweisfähigkeit sexualisierter Gewalt
Weinstein weist jegliche Vorwürfe zurück und beteuert, immer einvernehmliche sexuelle Kontakte gehabt zu haben. "Das ist generell ein Problem bei sexueller oder sexualisierter Gewalt, dass hier oft die Beweisfähigkeit sozusagen in Frage steht, und das ist natürlich auch hier gewesen", kommentiert die Soziologin Sabine Hark.
Die Leiterin des Zentrums für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin meint, dass in einem Bereich, "der von extremen Abhängigkeiten, von extremen Hierarchieverhältnissen strukturell geprägt ist" – wie beispielsweise in der Filmindustrie – "vieles als normal erscheint, was die Frauen als Bedrängung, als Verletzung ihrer Selbstbestimmung, als sexuelle Gewalt, gar als Vergewaltigung erlebt haben".
Der gesellschaftliche Wandel hin zu mehr sexueller Selbstbestimmung vollziehe sich zum einen durch das Recht, betont die Soziologin. So sei in Deutschland nach den Vorfällen auf der Kölner Domplatte in der Silvesternacht 2015 das Sexualstrafrecht in einer Weise verändert worden, "für die feministische Juristinnen viele, viele, viele Jahre gekämpft haben". Nun gilt der Grundsatz "Nein heißt Nein".
"Toxische Männlichkeit" – nicht "toxische Männer"
Der andere Weg vollziehe sich über die Aufdeckung der "Verknüpfung von Männlichkeit und Gewalthandeln", wie es in der Geschlechterforschung geschehe. Offengelegt werde dabei die noch immer etablierte Vorstellung, der Körper der Frau gehöre dem Mann.
Hark hebt hier hervor, dass die Forschung "nicht von toxischen Männern, sondern von toxischer Männlichkeit" spreche. Männlichkeit sei als kulturelles Konstrukt oder auch als Stereotyp zu verstehen. "Es geht nicht darum, jeden einzelnen Mann und das soziale Kollektiv der Männer gewissermaßen zu verurteilen oder haftbar zu machen, sondern eine bestimmte Vorstellung von Männlichkeit zu kritisieren."
Auch Männer machten auf unterschiedlichen Ebenen Politik gegen diese Vorstellung von Männlichkeit. In Deutschland gebe es etwa jede Woche zwei tödliche Beziehungstaten, die Frauen das Leben kosten. Dies zeige, "wie problematisch diese Vorstellung von Männlichkeit in der Tat ist", betont die Geschlechterforscherin.
(huc)