Soziologe zu strukturschwachen Regionen

"Gleichwertige Lebensverhältnisse sind eine Fiktion"

10:32 Minuten
Die Figuren eines Rentners und einer Rentnerin sitzen auf verschieden hohen Geldstapeln.
"Man kann nicht vollkommen ausgleichen, dass in bestimmten Gegenden bessere wirtschaftliche Bedingungen sind als in anderen", sagt Martin Diewald. © picture alliance/dpa-Zentralbild/Sascha Steinach
Martin Diewald im Gespräch mit Dieter Kassel |
Audio herunterladen
Da kann sich die Bundesregierung noch so bemühen: Gleichwertige Lebensverhältnisse in allen deutschen Regionen gab es nie - und wird es nicht geben, sagt Martin Diewald. Auch der Osten ist nicht erst seit der deutschen Teilung wirtschaftsschwächer.
Wie können überall in Deutschland gleichwertige Lebensverhältnisse hergestellt werden? Auf diese Frage hat der Soziologe Martin Diewald, Professor für Sozialstrukturanalyse, eine klare Antwort: gar nicht.
"Gleichwertige Lebensverhältnisse kann es im engeren Sinn überhaupt nicht geben", sagt Diewald. "Das hieße ja, dass in allen Regionen – egal, ob wirtschaftsstark oder wirtschaftsschwach – exakt die gleichen Lebensverhältnisse, die gleichen Voraussetzungen für die Lebensführung gegeben sein sollten. Das ist eine Fiktion und war auch schon immer eine Fiktion."

Ostdeutschland war schon immer das Armenhaus

Auch die Ungleichheiten zwischen Ost- und Westdeutschland, die jetzt zum Teil skandalisiert würden, seien nicht allesamt Folgen der deutschen Teilung: "Sondern ungleiche Lebensverhältnisse zwischen Regionen in Ost- und Westdeutschland hat es lange vor der deutschen Teilung gegeben."
Das heißt Diewald zufolge aber nicht, dass der Staat nichts tun solle, um das Ausmaß ungleicher Lebensverhältnisse zu begrenzen. "Man kann sich darauf verständigen, dass Regionen nicht unter ein bestimmtes Ausstattungsniveau an Infrastruktur sacken sollten", sagt er. "Dass der Staat gewährleisten muss, dass überall bestimmte Bedingungen gegeben sein sollten."

Auch die Provinz braucht schnelles Internet

Schnelles Internet zum Beispiel werde auch auf dem Land gebraucht. "Ein großer Teil des Digitalisierungsgeschäfts ist die vorausschauende Wartung von intelligenten Maschinen. Die gibt es eben auch auf dem Land. Und die gibt es auch in der Landwirtschaft."
Auch könne der Staat dafür sorgen, dass nicht beispielsweise in einem Dorf in Oberbayern beste Verkehrsanbindungen herrschten, während in einem Dorf in Nordhessen keine Züge führen.
"Das sind Dinge, die kann man durchaus als Aufgabe der staatlichen Infrastrukturleistung ansehen, die zumindest aufgrund allgemein als wichtig angesehener Grundversorgung doch gewährleistet sind und damit die Ungleichheiten, die es immer geben wird, unten gedeckelt sind."
(uko)
Mehr zum Thema