"Asoziale" im Nationalsozialismus

Angehörigen ignorierter NS-Opfer eine Stimme geben

05:53 Minuten
Stacheldrahtzaun in der Gedenkstätte Sachsenhausen.
Zwischen 1936 und 1945 waren im Konzentrationslager Sachsenhausen mehr als 200.000 Menschen inhaftiert. Darunter auch sogenannte "Asoziale". © picture alliance / dpa / Jens Kalaene
Frank Nonnenmacher und Sebastian Puschner im Gespräch mit Nicole Dittmer · 05.11.2022
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Millionen Menschen fielen dem Verfolgungswahn der Nazis zum Opfer, darunter auch sogenannte „Asoziale“. Ihre Nachkommen zu vernetzen, ist das Anliegen des emeritierten Sozialwissenschaftlers Frank Nonnenmacher. Deshalb gründet er nun einen Verband.
Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Kommunisten – sie alle wurden von den Nazis verfolgt, in Konzentrationslager gebracht, ermordet. Auch Obdachlose und Bettelnde betraf der nationalsozialistische Wahn. Als Opfergruppe wurden diese als "Asoziale" verunglimpften Menschen bisher allerdings kaum wahrgenommen. Erst 2020 wurden sie als verfolgt anerkannt, was auch dem Engagement des emeritierten Sozialwissenschaftlers Frank Nonnenmacher zu verdanken ist. Nun will er einen Verband gründen.

Bisher kein Forum für Angehörige sozialrassistisch Verfolgter

Sein Ziel sei es, Menschen anzusprechen, die wie er selbst Nachkommen solcher Verfolgter seien, so Nonnenmacher. Im Januar möchte er dann in Nürnberg den "Verband der Angehörigen der von den Nazis sozialrassistisch Verfolgten" gründen.
Kopfporträt von Frank Nonnenmacher.
Frank Nonnenmacher will den Angehörigen sozialrassistisch Verfolgter eine Stimme geben.© picture alliance / ZB / Klaus-Dietmar Gabbert
Betroffene zu finden war bislang nicht einfach, sagt Nonnenmacher, dessen Onkel als "Asozialer" ins Konzentrationslager gebracht wurde. "Sie wissen nicht, dass es in irgendeiner Weise eine Möglichkeit gibt, sich zu vereinigen, sich zu versammeln."
Das gesellschaftliche und familiäre Schweigen über Betroffene, die als "Asoziale" oder "Berufsverbrecher" in den Konzentrationslagern saßen, war groß, sagt Nonnenmacher. Auch deshalb habe es nie so etwas gegeben wie bei anderen Verfolgten – "dass sich eine Assoziation gegründet hat wie die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, der Sinti und Roma oder der Homosexuellen, die auch sehr spät anerkannt worden sind, aber die sich vereinigt haben".

Späte Anerkennung als NS-Opfergruppe

2020 hat der Bundestag sogenannte "Asoziale" als NS-Opfergruppe anerkannt. Das habe "Schwung in das Thema gebracht", so Nonnenmacher, "deshalb wäre es gut, darüber zu sprechen, inwieweit dieser Bundestagsbeschluss sinnvoll und vollständig umgesetzt worden ist. Das ist er nämlich nicht." Deshalb sei es wichtig, dass es Personen gebe, die sich aus einer Betroffenenperspektive heraus einmischen und Stellung nehmen könnten – "und das nicht individuell, sondern als Verband".
(ckü)

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