Sonja Koppitz: "Spinnst du?"

Nicht mutig, sondern normal

13:34 Minuten
Autorin Sonja Koppitz grinst in die Kamera. Sie steht vor einer rustikalen Holzwand.
Sonja Koppitz hatte selbst Depressionen. © Privat
Sonja Koppitz im Gespräch mit Andrea Gerk |
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Mehr als jeder vierte Erwachsene in Deutschland leidet pro Jahr an psychischen Erkrankungen. Doch Betroffene werden noch immer stigmatisiert. Die Journalistin Sonja Koppitz, die selbst an Depressionen litt, will das mit ihrem Buch "Spinnst du?" ändern.
Als ihre "depressive Karriere" begann, hoffte Sonja Koppitz, von jemandem an die Hand genommen zu werden, der ihr die Erkrankung sachlich erklärt. Als ausgebildete Journalistin habe sie zwar nach Informationen über Depressionen recherchieren können, sagt Koppitz heute, doch diese seien wenig zugänglich formuliert gewesen. Es fiel der Journalistin damals schwer, die Informationen kognitiv zu verarbeiten. Mit "Spinnst du?" hat Koppitz sich zum Ziel gesetzt, ein Buch zu verfassen, das medizinisches und therapeutisches Wissen auf einer menschlichen Ebene erzählt.
Der Titel spielt dabei auf die gängigen Bemerkungen an, die sich Betroffene anhören müssen, ähnlich wie "Hab dich doch nicht so" oder "Reiß dich mal zusammen!" Doch wie Koppitz aus der eigenen Erfahrung mit Depressionen weiß, funktionieren solche Ratschläge oder Tipps wie: In den Urlaub fahren nicht. Denn Erholung sei in einer Depression unmöglich, selbst Schlaf sei nicht erholsam. Es sei nicht möglich, sich "am eigenen Schopf aus dem Gefühlsmorast zu ziehen", sagt Koppitz.
Da das für viele Außenstehende schwer zu verstehen sei, empfiehlt die Autorin, das Gespräch mit den Erkrankten zu suchen:

Wenn ihr euch unsicher seid, einfach fragen und die eigene Verunsicherung verbalisieren. Ich als Betroffene kann das im besten Falle erklären, auch wenn es schwer zu erklären ist. Aber man kommt wieder in einen Dialog.

Sonja Koppitz, Moderatorin und Buchautorin

In einer depressiven Episode merke sie selbst, dass sie sich verändere, berichtet Koppitz. Sie sei zum Beispiel oft gereizt, anders als in gesunden Phasen. "Natürlich ist man dann verändert, und das ist auch schwierig für Beziehungen und Zwischenmenschliches."
Darauf angesprochen zu werden könne gerade am Anfang einer depressiven Episode sogar dabei helfen, selbst zu merken, dass man in eine solche hineinrutscht. Deshalb sei es gut, die Frage "Wie geht es dir?" einfach ganz ehrlich gemeint zu stellen.

Volkskrankheit Depressionen

Koppitz betont jedoch auch, dass Depressionen nur eine von vielen psychischen Erkrankungen sind, die in ihren Erscheinungsformen alle unterschiedlich sein können und über die viele Menschen gar nichts wissen. Doch dass die Psyche auf viele verschiedene Arten und Weisen erkranken könne, werde noch nicht als so normal wie Rückenschmerzen wahrgenommen. Dabei seien Depressionen leider ebenfalls eine Volkskrankheit, so die Autorin.
Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde sind pro Jahr 27,8 Prozent aller Erwachsenen in Deutschland von psychischen Erkrankungen betroffen. Dass Menschen seelisch krank sind, ist also nichts Ungewöhnliches. Koppitz wünscht sich, dass auch so darüber gesprochen wird, "dass es kein Tabu mehr ist und dass mir auch nicht jemand sagen muss, dass er mutig findet, dass ich darüber spreche". Denn für sie gehöre das zu ihrem Leben dazu und sei damit leider ganz normal.

Sonja Koppitz: "Spinnst du?"
Rowohlt Polaris, Hamburg
352 Seiten, 16 Euro

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