Sonarisationen - Klimaklänge

"Daten sind immer Interpretationen"

Resonator aus KLIMA-ANLAGE
Resonator aus KLIMA-ANLAGE © Thomas Hermann
Von Esther Schelander · 24.09.2015
In Zusammenarbeit mit Sonifikationsforschern der Universitäten Bielefeld und Graz hat der Klangkünstler Werner Cee ein interaktives Klangobjekt gestaltet. Es besteht aus Klangerzeugern, die für die Parameter Niederschlag, Wind, Sonneneinstrahlung und Temperatur stehen.
Werner Cee, Klangkünstler:
"Ich misstraue exakten Daten. Weil da steht immer eine Entscheidung dazwischen, wie gewinnt man diese Daten aus diesen Millionen und Abermillionen oder Milliarden von Möglichkeiten. Da gibt's ne Entscheidung dahinter und was man dann mit den Daten wieder weitermacht, wie man die weiter verwendet und wie man die auswertet - da ist auch ne Entscheidung dahinter. Das heißt: Es ist nichts ... für mich jetzt persönlich ist es nichts Objektives, sondern es ist es auch eine Art künstlerische Herangehensweise. Und so war für mich das Spannungsfeld interessant: Wenn jemand sagt, das sind Fakten, und ich sage, Daten sind immer Interpretationen. Auch im Beginn schon. Und dieses Spannungsfeld hat mich sehr interessiert an diesem Projekt."
Live-Performance von Werner Cee 
Live-Performance von Werner Cee © Deutschlandradio / Bettina Straub
Katharina Vogt, Sonifikationsforscherin:
"Wir haben uns ganz bewusst für Klimadaten entschieden. Aus verschiedenen Gründen. Zum Einen ist es ganz offensichtlich jetzt nicht eine Randdisziplin, sondern es gibt ein großes öffentliches Interesse. Auf der anderen Seite waren wir selber überrascht, wie sehr die Klimaforschung von Visualisierung abhängt. Ich hab' selber viele wissenschaftliche Poster, wo Hunderte kleine Grafiken neben einander waren. Daran sieht man schon: Es könnte ja einen besseren Weg geben solche Dinge darzustellen."
Thomas Hermann, Sonifikationsforscher:
"Grundsätzlich lässt sich fast alles sonifizieren. Ich kann mir jetzt kaum Daten vorstellen, für die es nicht eine Möglichkeit gibt sie klanglich darzustellen. Denn die Sonifikation - die Übersetzung von Klang in Daten - ist ein ganz universelles Prinzip."
In Zusammenarbeit haben der Klangkünstler Werner Cee und die Sonifikationsforscher Katharina Vogt und Thomas Hermann eine begehbare Installation gebaut: die "Klima Anlage". Sie besteht aus vier datengesteuerten Klangerzeugern, die für die Parameter Niederschlag, Wind, Sonneneinstrahlung und Temperatur stehen. Die "Klima Anlage" arbeitet mit dem Prinzip der Sonfikation.
Katharina Vogt, Sonifikationsforscherin: "Bei Sonifikation gibt es da ein gewisses Grundproblem, das da alles sagen: Aha wie, was man hört das? Aber ich hör nicht gut, oder so. Das stimmt natürlich nicht, wir hören alle gut genug, unsere Ohren sind gut geschult. Aber es gibt keine Kultur des Hörens."
Ein-Bit, also Ja-Nein- Informationen
Dabei nutzt der Mensch täglich den Informationsgehalt von Klang. Hat der Wecker bereits geläutet? Ist die Melone reif? Die Tür in Schloss gefallen? Das sind Ein-Bit, also Ja-Nein-Informationen. Die Sonifikation widmet sich der Verklanglichung von komplexen Datensätzen und nutzt dafür die besonderen Eigenschaften unseres Gehörs. Denn das Ohr hat unter anderem eine hohe zeitliche Auflösung und kann dadurch sehr gut Rhythmen erkennen.
Thomas Hermann, Sonifikationsforscher: "Das ist auch ein Aspekt, der bei der Klimaanlage ganz zentral ist, denn wir haben hier Klimaphänomene, die sich über Jahrhunderte verändern in Modellrechnung. Wenn man die in Realzeit abspielen würde, würden wir überhaupt kein Muster erkennen können, aber durch eine Kompression, wie wir sie jetzt haben von einem Jahr Originalzeit auf 6 Sekunden Klang, werden auf einmal Muster wahrnehmbar, verstehbar und dadurch für uns intuitiver zugänglich."
Thomas Hermann, Sonifikationsforscher: "Und um dieses Muster dann zu interpretieren braucht man dann natürlich die Aufschlüsselung, man braucht dieses Übersetzungsbuch, welches einem erklärt, wie den jetzt die Klänge aufgrund der Daten zustande gekommen sind, das ist ganz essentiell."
Für den Hörer muss nachvollziehbar, welches Instrument für welchen Parameter steht. Er muss zum Beispiel wissen, dass die Temperatur ansteigt, wenn der Klang der Bleche lauter wird. Wie die Klangerzeuger und die Parameter korrelieren, müssen die Forscher vorab festlegen. Dieser Arbeitsschritt heißt Mapping.
Katharina Vogt, Sonifikationsforscherin: "Das Mapping kann auch manipulativ sein, weil natürlich entscheidet man, wie stark hört man jetzt eine Änderung, die in den Daten vielleicht so und so groß ist, wie stark hör ich das dann."
Doch die Klänge sollen nicht nur informativ sein. Die Klima Anlage ist ein bewusster Zusammenschluss von Forschung und Kunst. Das bringt für beide Seiten neue Herausforderungen.
Die Sonifikationsforscher Dr. Thomas Hermann (CITEC Bielefeld) und Katharina Vogt (iem Graz)
Die Sonifikationsforscher Dr. Thomas Hermann (CITEC Bielefeld) und Katharina Vogt (iem Graz)© Deutschlandradio / Bettina Straub
"Wir arbeiten normalerweise mit Computerklängen und ich fand es am Spannendsten da jetzt wirklich mit realen Klangkörpern zu arbeiten."
Doch die sind träge. Eine Saite zum Beispiel braucht Zeit um Auszuschwingen.
Thomas Hermann, Sonifikationsforscher: "Eine gewisse Trägheit in den Klangkörper bedeutet ja auf der Ebene der Datendarstellung eine Mittelung über Zeit. Diese Art der Mittelung kann man vergleichen mit einer Datenfilterung. Und insofern ist der Klangkörper selber eine Signalverarbeitung, die einen gewissen Akzent setzt."
Katharina Vogt, Sonifikationsforscherin: "Und ich find eigentlich einen ganz schönen Punkt, dass diese ... ein bisschen Unregelmäßigkeit der physikalischen Klangerzeuger widerspiegelt, dass in den Modellen ja auch die Daten nicht ganz exakt sind, sondern immer einen gewissen Wahrscheinlichkeitsbereich haben, für den sie stimmen. Und für uns von der Wissenschaft war das auch eine schöne Metapher, des so umzusetzen."
Man kann die Klanginstallation auf zwei Arten erfahren: Wissend oder unwissend. Um die Daten zu entschlüsseln gibt es Infoblätter. Man kann aber auch nur zuhören. Egal wie, man wird Klangmuster entdecken, denn dafür ist das Ohr gemacht.
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