Meinung
„Soldaten sind Mörder“: Das darf man sagen. So hat es das Bundesverfassungsgericht vor 30 Jahren entschieden. © picture alliance / zb / Reinhard Kaufhold
Sind Soldaten Mörder?
04:42 Minuten

„Soldaten sind Mörder“ – ein Satz, der empört und zugleich von der Meinungsfreiheit gedeckt ist. Vor rund 30 Jahren bestätigte das Bundesverfassungsgericht das Recht auf drastische Kriegskritik.
Darf man Pazifist sein in Deutschland?
Natürlich darf man.
Natürlich darf man.
Darf man das auch zeigen?
Man darf.
Man darf.
Darf man es auch drastisch sagen?
Man darf.
Man darf.
Darf man es auch heute noch, in Zeiten, in denen das Wort „Kriegstüchtigkeit“ auch in Deutschland wieder hoch im Kurs steht?
Man darf es hoffentlich auch heute so scharf sagen.
Man darf es hoffentlich auch heute so scharf sagen.
Das Bundesverfassungsgericht gab jedenfalls im Oktober 1995 die Erlaubnis dazu, drastische Kriegskritik zu üben - weil sonst, so die Verfassungsrichter, die Meinungsfreiheit nicht viel wert wäre.
Tucholsky schrieb "Soldaten sind Mörder"
„Soldaten sind Mörder“ – das war, das ist so ein drastischer Satz. Aber: Ein Pazifist muss nicht vorsichtiger formulieren als ein Bellizist. Er muss auch nicht Kurt Tucholsky heißen, um mit scharfer Kritik straffrei zu bleiben.
Er darf, so hat es das Verfassungsgericht vor 30 Jahren gesagt, sagen und schreiben, was Kurt Tucholsky schon 1931, zum 17. Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs, schreiben durfte: „Soldaten sind Mörder.“
Ich hoffe, ja ich erwarte, dass das auch heute, 2025, noch so gilt. Auch wenn die Zeiten wieder viel militaristischer geworden sind, als sie es vor 30 Jahren waren.
Ein Trommelfeuer politischer Kritik an Karlsruhe
Soldaten sind Mörder. Dieser Satz ist straffrei. So hat es das Bundesverfassungsgericht entschieden. Damals gab es schon vorab und dann nachher erst recht ein Trommelfeuer politischer Kritik gegen Karlsruhe. Die Richter haben sich davon nicht beeindrucken lassen. Das war gut so; das ist gut so.
Wohlgemerkt: Es ging ja nicht und es geht nicht darum, ob der Satz über die Soldaten richtig oder falsch ist. Es geht darum, ob man für so einen Satz bestraft werden darf. Man darf nicht.
Die Richter in Karlsruhe stellten sich damals nicht hinter diesen Satz; sie teilen nicht die Aussage, sondern schützten den, der sie macht, vor strafrechtlicher Verfolgung – nicht mehr, nicht weniger. Und die Richter würden und werden es hoffentlich auch heute noch tun, in viel erregteren und kriegsbewegteren Zeiten als damals.
Werden nämlich nur noch solche Meinungen von der Meinungsfreiheit geschützt, die von der Mehrheit geteilt werden, dann müsste die Meinungsfreiheit künftig Mehrheitsmeinungsfreiheit heißen.
Empörung ist kein Strafgrund
Soldaten sind Mörder: Es mag sein, dass der Satz gegen die Soldaten viele Menschen empört, weil sie den ganz allgemeinen Satz auf ganz konkrete Personen beziehen. Es mag sein, dass der Satz heute, in der Zeit der Kriegstüchtigkeits-Renaissance, noch mehr Menschen empört als 1995, als Karlsruhe seinen Soldaten-sind-Mörder-Beschluss verkündete. Solche Empörung ist aber kein Strafgrund.
Nicht einmal 1932 haben sich die Richter dazu verleiten lassen, Tucholskys Satz wegen allgemeiner Empörung zu bestrafen. In dieser Zeit, in der der Militarismus und der Nazismus Deutschland im Griff hatten, schrieb Kurt Tucholsky in der „Weltbühne“ den Beitrag über den Ersten Weltkrieg, in dem der bis heute umstrittene Mörder-Satz steht.
Reichswehrminister Groener klagte damals für den Satz nicht Tucholsky an, der auf der Flucht vor den Nazis in Schweden lebte, sondern Carl von Ossietzky, den verantwortlichen Redakteur. Die Justiz wollte seinerzeit das Verfahren gar nicht erst eröffnen, doch die Reichswehr setzte sich durch. Vor dem Kammergericht Berlin kam es dann zum Freispruch: Der Satz „Soldaten sind Mörder“ war in seiner Abstraktheit nicht justitiabel, so die Richter damals.
Das blutige Handwerk der Soldaten
Das Bundesverfassungsgericht folgte 1995, vor 30 Jahren also, dieser alten Linie – und es bleibt hoffentlich auch weiter dabei. Straffrei bleibt, wer sich mit dem Kriegshandwerk als solchem auseinandersetzt; und der Krieg ist nun einmal das blutige Handwerk der Soldaten. Wer sich wünscht, dass dieses Handwerk ausstirbt, ist ein pazifistischer Mensch. Es wäre gut, wenn dieser Wunsch in Deutschland auch wieder eine Heimat hätte.