Soldat aus Berufung

Dominik Wullers im Gespräch mit Liane von Billerbeck |
Zusammen mit anderen Offizieren hat er 2011 den Verein "Deutscher Soldat" gegründet - nur dass er als Sohn eines kapverdischen Vaters nicht gerade wie ein typischer Bundeswehrsoldat aussieht. Gerade deshalb versteht er sich als eine Art Botschafter, der mit den üblichen Klischees aufräumen will.
Liane von Billerbeck: Wer eine etwas dunklere Hautfarbe hat und eine Bundeswehruniform trägt, der hat Feinde von allen Seiten. Während vom rechten Rand Zustimmung zur Uniform, aber Vorurteile gegen die Hautfarbe kommen, beäugt das linke Spektrum wohlwollend den Migrationsstatus, aber argwöhnisch den Militär. So formuliert es Oberleutnant Dominik Wullers, Sohn einer Deutschen und eines Kapverdianers, und der hat zusammen mit anderen Offizieren und Offiziersanwärtern der Bundeswehr mit Migrationshintergrund 2011 den Verein Deutscher Soldat e. V. gegründet. Herr Oberleutnant, ich grüße Sie!

Dominik Wullers: Einen wunderschönen guten Tag, Frau von Billerbeck!

von Billerbeck: Das klingt irgendwie fast so, als sollte schon mit dem Namen Ihres Vereins das Klischee unterlaufen werden, denn unter deutscher Soldat stellen sich die meisten vermutlich nicht zuallererst einen schwarzen Offizier vor.

Wullers: Ja, der Name ist in der Tat also kein Problem, aber er ist immer wieder Stein des Anstoßes – aber auch bewusst von uns so gewählt. Einerseits, wie Sie schon richtig gesagt haben, gibt es immer noch Menschen, die unter "Deutscher Soldat" hoffen, etwas anderes zu finden, und dann enttäuscht sind, und dann gibt es Leute, die sich gerne darüber aufregen wollen und dann auch enttäuscht sind, wenn sie hören, wer wir denn sind.

von Billerbeck: Was hat Sie denn eigentlich bewogen, sich als Nicht-Weißer bei der Bundeswehr zu bewerben?

Wullers: Das ist eigentlich eine gute Frage. Ich bin geboren in Stadtlohn, Westfalen, in einem eigentlich eher pazifistischen, linken, bürgerlichen Milieu – würde ich so beschreiben –, und als es dann bei mir so weit war, die Musterung ins Haus kam, habe ich mir gedacht, das mache ich. Ich habe schon früher drüber nachgedacht, dass ich die Armee interessant fand, und ich wollte die Gelegenheit einfach mal nutzen, fernab aller Vorurteile die Armee wirklich kennenzulernen, das habe ich dann auch gemacht.

von Billerbeck: Wussten Sie schon vorher von Migrantenkindern, die in der Bundeswehr sind, also gab es da Vorbilder? Oder haben Sie gesagt, jetzt will ich doch mal sehen, wie es wirklich ist?

Wullers: Nein, nein, überhaupt nicht, also es war eher so, dass ich dann doch ein bisschen mit mulmigen Knien vor dem Tor der Kaserne stand, als es so weit war, 2003, und ich mich gut an all die Dinge erinnert habe, die mir meine Klassenkameraden gesagt haben, die dann ganz bestürzt waren, als ich meinte, ich mache das. Und dann bin ich auch da reingegangen, und dann saß da die Wache hinter der schusssicheren Scheibe und wollte meinen Einberufungsbescheid sehen – und ich habe den erst mal falsch rangehalten an die Scheibe –, und dann haben die mich dann so ein bisschen zurechtgewiesen, und dann musste ich auch noch den Personalausweis aus der Tasche holen … also so langsam hatte ich dann doch ein bisschen Bammel, und dann saß ich auch noch in meinem kleinen Stübchen – also am Anfang werden immer die neuen Rekruten dann in ihrem späteren Stuben gesammelt, und ich saß da als erster und ich hatte noch einen Afro. Und dann lief über den Gang jemand völlig ohne Haare, schaute in den Raum und rief: Da muss noch jemand zum Frisör! Und dann hatte ich endgültig ein bisschen Panik, und dann kam aber mein Gruppenführer rein – und der hatte einen italienischen Migrationshintergrund. Dann bin ich vor die Tür gegangen – der Zugführer war schwarz, ein anderer Zugführer war ebenfalls schwarz, und dann hatte sich für mich das Vorurteil eigentlich gegessen.

von Billerbeck: Trotzdem ist es ja so – ich habe das gerade meinen Kollegen neulich erzählt –, ich bin am Verteidigungsministerium vorbeigegangen, hier in Berlin, Bundesverteidigungsministerium, und da hängt ein großes Plakat von einem weißen Mann mit Dreitagebart und so einer Ausrüstung, die nach Star Wars aussieht, und der sieht genau so aus, wie man sich einen Bundeswehrsoldat vorstellt. Noch ist es nicht so, dass die Bundeswehr mit Schwarzen wirbt, oder?

Wullers: Es ist nicht so, das finde ich jetzt aber auch gar nicht so schrecklich, denn das, was Sie eben gesagt haben mit dem … man stellt sich darunter einen blonden Deutschen vor, männlich – also ich bin zwar nicht blond …

von Billerbeck: Deutsch sind Sie ja nun sehr.

Wullers: … genau darauf wollte ich hinaus! Ich bin deutsch, und genau darauf wollen wir auch mit dem Verein hinaus, dass wir nämlich sagen, wir sind zunächst mal deutsche Soldaten. Und dass sich unter deutsch was anderes subsumiert, als sowohl das linke oder rechte Lager an den beiden Rändern vermuten würde, das ist auch eine der Aussagen dieses Namens.

von Billerbeck: Nun haben Sie schon geschildert, dass es da durchaus noch andere gab, die nicht ganz so eindeutig aussahen, wie man sich das immer vorstellt, so klischeehaft als deutscher Soldat. Das klingt, als hätte es überhaupt keine Probleme gegeben bei der Bundeswehr. Ist das so gewesen, oder ist das so?

Wullers: Nein, das darf man so nicht sagen. Also die Bundeswehr hat durchaus Rassismus in ihren Reihen, aber ich fände das sehr ungewöhnlich, wenn es nicht so wäre, weil die Bundeswehr immerhin 250.000 Mitarbeiter hat, die überwiegende Zahl natürlich Soldaten. Aber die Bundeswehr bemüht sich, und ich finde, in Teilen deutlich mehr als der Rest.

Die Bundeswehr kann zum Beispiel verweisen einmal auf die politische Bildung, die sie durchführt, in deren Rahmen sie den Soldaten im Bild der inneren Führung zum Staatsbürger in Uniform erziehen möchte – man darf nicht vergessen, dass der Soldat ja schon durch die Erziehung des Elternhauses, der Schule gelaufen ist und dann erst bei der Bundeswehr ankommt. Und die Bundeswehr bemüht sich nach Kräften, da ihr Idealbild des Staatsbürgers in Uniform anzuerziehen oder noch mal zu verstärken.

Darüber hinaus hat die Bundeswehr den Paragrafen 12, das gibt es so in anderen Unternehmen, wie ich das weiß, nicht. Der Paragraf 12 Soldatengesetz bedeutet Kameradschaft, heißt Kameradschaft, das bedeutet für die Soldaten, dass jeder seinem Kameraden Respekt zollen muss, er ist gezwungen, ihn so zu akzeptieren, wie er ist, er muss ihm Respekt erweisen. Und letztendlich muss man auch sagen, die Bundeswehr betreibt mit dem Militärischen Abschirmdienst einen eigenen Geheimdienst, der im Schwerpunkt sich damit auseinandersetzt, Rechtsradikale aus der Bundeswehr fernzuhalten und zu entfernen.

von Billerbeck: Herr Verteidigungsminister, ich hoffe, Sie haben jetzt Ihren Oberleutnant gehört, der hat jetzt richtig gute Werbung für die Bundeswehr gemacht. Sie haben das eben schon erwähnt, Herr Wullers, nicht erst, seit die Bundeswehr keine Wehrpflichtarmee mehr ist, gibt es ja das Vorurteil oder das Urteil, dass die Armee Rechtsextreme anzieht und auch rassistisch ist. Sie sagen also, das stimmt so nicht?

Wullers: Also dieses Vorurteil begegnet mir häufig. Ich mag dieses Vorurteil gar nicht, das muss ich dazu sagen. Es erschwert auch sehr meine Arbeit, denn ich bin ja im Verein Deutscher Soldat e. V., wie wir schon erwähnt haben, und dieser Verein hat zum Ziel, dass wir Integration als etwas sehr, sehr Positives verkaufen wollen und sagen wollen, das gehört in die Mitte, dieser Dialog gehört in die Mitte, diese Debatte darf nicht den Extremisten überlassen werden, und eines unserer Projekte ist zum Beispiel, dass wir gerne mit Schülern sprechen möchten, dass wir denen erzählen, wie wir in der Mitte dieser Gesellschaft angekommen sind, was unser Weg war, und dass es auch für sie machbar ist, dass es schaffbar ist, in diesem Land etwas zu erreichen, und dass sie das auch können. Und dazu müssen wir natürlich mit Lehrern sprechen, wir müssen mit Schülern sprechen.

von Billerbeck: Treffen Sie da auf offene Ohren in den Schulen, wenn da so ein Bundeswehroffizier kommt und sagt, ich möchte hier mal ein bisschen Werbung machen, die Bundeswehr ist prima, kommt doch auch dahin?

Wullers: Das – erst mal – sagen wir gar nicht, da möchten wir uns sehr, sehr weit von distanzieren, dass wir irgendeine Form von Rekrutierung unternehmen. Also in die Schulen gehen wir auch auf keinen Fall in Uniform. Das ist sozusagen, die Uniform ist nur unsere Plattform, wo wir sagen, wir haben diesen Eid geleistet, wir haben auf die Bundesrepublik Deutschland unseren Eid geleistet, wir haben geschworen, die Rechte und Pflichten, wir haben geschworen, das Grundgesetz, die freiheitlich-demokratische Grundordnung, dieses Land zu verteidigen. Und das ist sozusagen die Grundlage, wo wir sagen, wie viel weiter sollte man sich denn noch integrieren, das geht ja gar nicht. Also wir sind integriert, und wir haben es geschafft, und das ist aber nur das Vehikel. Wir wollen nicht den Kindern erklären, hier sind die Broschüren, da unterschreiben und dann viel Spaß. Das ist auf gar keinen Fall die Message.

von Billerbeck: Sondern? Sie wollen was?

Wullers: Wir wollen den Kindern mitteilen, dass sie auch eine Chance und eine Gelegenheit in dieser Gesellschaft haben, dass sie nicht ihre Stereotypen, die Stereotypen, die sie von anderen aufnehmen, die sie hören, die sie lesen in den Medien, dass sie diese nicht verinnerlichen dürfen.

von Billerbeck: Heißt das auch, die Bundeswehr ist ein besonders guter Aufstiegsort, wenn Sie also beispielsweise in Schulen gehen, wo der Migrantenanteil sehr hoch ist?

Wullers: Nun, ich glaube, die Bundeswehr hat die Möglichkeit und eröffnet die Möglichkeit für viele der sozialen Weiterentwicklung sozusagen, also sich selber vielleicht zu verbessern, Kindern aus Schichten, die nicht die Möglichkeit sonst hätten, die Vorbilder hätten, weiterzukommen, auch ein Studium oder eine Prüfung zu absolvieren für den Meisterbrief und so weiter. Aber das kann ich ja in vielen Bereichen auch – also die Bundeswehr soll da nicht, soll da explizit für uns nicht der Grund sein, weshalb wir in die Schulen gehen. Aber das Problem ist dann eher nicht, dass wir das erzählen würden, sondern das Problem ist dann, dass viele unsere Uniform sehen und sich daran stören.

von Billerbeck: Ihr Verteidigungsminister hat ja vor einigen Tagen in einem Interview gesagt und ist dafür heftig gerügt worden, Soldaten und Offiziere der Bundeswehr seien gierig nach Anerkennung. Das hat er zwar im Ton zurückgenommen, aber im Inhalt, also sachlich, in der Sache nicht. Hat Sie das gefuchst, Herr Wullers?

Wullers: Das kann ich natürlich weder als Soldat noch als Vereinsmitglied kommentieren, aber ich als Privatperson, als Bürger …

von Billerbeck: … als Bürger.

Wullers: … natürlich trifft mich das irgendwo – natürlich trifft mich das, weil ich denke nicht, dass der Soldatenberuf etwas Normales ist, wo man mit durchschnittlichen Anreizkriterien arbeiten sollte, sondern es ist etwas Idealistisches. Und da muss man auch mit Idealismus rangehen dürfen. Aber …

von Billerbeck: Also ich bin jeden Tag stolz, Offizier der Bundeswehr zu sein?

Wullers: Es ist ja jetzt nicht so, dass ich morgens aufwache, mich im Spiegel anschaue, die Uniform anlege und …

von Billerbeck: Das stand so ähnlich auf diesem Plakat am Bundesverteidigungsministerium.

Wullers: Ja, es ist ja legitim, dafür Werbung zu machen, aber da muss auch jeder sein eigenes Selbstverständnis dazu entwickeln, zu seinem Beruf. Aber letztendlich ist die Definition des Offiziersberufs mehr als Beruf, sondern auch Berufung. Und ich würde niemandem dazu raten, und das vielleicht auch noch zu den Schulen, ich würde niemandem dazu raten, das zu machen, wenn er das nicht wirklich will.

Ich als Schüler zum Beispiel, da auch wieder auf die Schulen zurückzukommen, weil da häufig der Vorwurf kommt, ja, da kommt dann die Bundeswehr und ihr erzählt dann den Kindern, und es geht doch bestimmt nur darum, dass ihr da rekrutieren wollt, und dann erzählt ihr da eine Stunde, und dann rennen die alle zur Bundeswehr. Und wenn ich an mich denke, ich war wirklich ein unangenehmer Schüler, weshalb ich auch nie im Leben hätte Lehrer werden wollen, und mich hätte da sicherlich niemand mit 60 Minuten Redezeit davon überzeugt, irgendetwas zu tun, wohl eher vom Gegenteil.

von Billerbeck: Sie haben vorhin das Wort Mitte irgendwo beiläufig erwähnt, und wir hatten schon das Thema, dass Rechte zwar die Uniform toll finden, aber nicht unbedingt, wenn sie ein Schwarzer trägt, dass Linke zwar den Schwarzen toll finden, aber die Uniform nicht. Was sagen Sie denn Linken, wenn Sie von der Bundeswehr sprechen?

Wullers: Nun, ich habe da eigentlich gar keine Probleme, drüber zu sprechen, weil wie gesagt, ich komme ja selber eher aus einem linksbürgerlichen Milieu, und ich kenne die Vorurteile, ich finde viele der Vorurteile schade, aber man hat ja auch gesehen, dass diese Schwarzweißmalerei der vergangenen Jahrzehnte stückweise durch die neuen Herausforderungen für die Sicherheits- und Außenpolitik zurückgedrängt wurde, dass mehr und mehr eine Fall-zu-Fall-Unterscheidung stattfindet von Einsatz zu Einsatz. Und das erlebe ich eigentlich in allen Lagern.

Aber ganz außen tut sich sehr wenig, da sind noch sehr viele – ich möchte nicht sagen beratungsresistent, aber Menschen, die eine sehr extreme Meinung annehmen. Und ich finde das völlig legitim. Meine Mutter ist selber Friedensbewegte, und ich finde das eine sehr, sehr wichtige Meinung innerhalb der Pluralität der demokratischen Meinungsbildung, diese zu haben. Ich finde es aber …

von Billerbeck: Sie raten aber, sich die Bundeswehr genauer anzugucken, und sie hat sich verändert?

Wullers: Ich weiß nicht, inwieweit sie sich verändert hat, weil das würde ja unterstellen, dass sie früher anders war. Das kann ich nicht beurteilen, weil ich erst seit zehn Jahren in der Bundeswehr bin. Aber ich denke, es ist nicht legitim, wenn man von vornherein andere Meinungen kategorisch ausschließt und sich dem Dialog verweigert.

von Billerbeck: Das sagt Oberleutnant Dominik Wullers, der mit anderen Bundeswehroffizieren und Offiziersanwärtern mit Migrationshintergrund den Verein Deutscher Soldat e. V. gegründet hat, der demnächst übrigens ein Büro in Berlin eröffnet. Ich danke Ihnen!

Wullers: Sehr gerne! Vielen Dank!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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