Falsche Vorbilder, seltsame Vorurteile
Nein, der Mann auf dem Foto ist kein Dönerverkäufer - er ist Offizier! Dominik Wullers hat Passanten gefragt, ob sie Menschen mit dunkler Haut eine Karriere bei der Bundeswehr zutrauen. Nicht einmal Migrantenkinder kamen auf diese Idee.
Mit uns wolle man nicht zusammenarbeiten, denn wir seien eine militärische Einrichtung. Meine Erklärung, es handele sich um einen gemeinnützigen Verein, bei dem viele Mitglieder auch Soldaten seien, ist zwecklos.
Die Dame, die mir da absagte, arbeitet bei einer Initiative gegen Intoleranz, zum Teil finanziert aus öffentlichen Mitteln, hilft beispielsweise der freiwilligen Feuerwehr, sich als bunt und liberal zu bewerben. Die Bundeswehr aber, so schrieb sie mir, sei potenziell rechts und würde boykottiert.
Dass ich selbst halb-schwarz bin und das genaue Gegenteil sage, war ihr egal: Toleranz auf den Fahnen, Vorurteile im Herzen. Eigentlich wollte ich das Schulprojekt unseres Vereins anbieten, bei dem wir Kindern von unseren Biografien und Integrationsgeschichten erzählen. Stattdessen wurde ich diskriminiert wegen meines Berufs.
Die Denkart, dass die Armee Rassismus bedinge, hat sich aus einer generellen Ablehnung von Streitkräften entwickelt und verselbstständigt. Sie verortet Migranten in exotisch dekorierten Räumen, wo sie Kaftan tragen, Couscous essen und mit toleranten Deutschen rituelle Tänze einstudieren. Die Wahrheit ist aber, dass die Einwanderer in der Mitte der Gesellschaft ankommen sind. Mir hat dabei die Bundeswehr geholfen.
Das ist und soll nicht der Weg für jeden sein. Wichtig ist allein, dass alle Kinder wissen, dass es auch für sie einen Weg gibt. Und wie wichtig diese Erkenntnis ist, habe ich erfahren müssen, als wir mit der Kamera auszogen, um Stereotype über Migranten einzufangen.
Wir zeigten Passanten ein Foto und fragten, welcher Beruf zu dem scheinbar arabischen Gesicht gehöre. Keiner erriet den Offizier, aber es war allerhand Unschmeichelhaftes zu hören. So auch von zwei Jungs, die ihn als "Dönerverkäufer”, "Hausmeister” und "Knastbruder” einschätzten. Nur, dass die beiden genauso aussahen wie der Mann auf dem Foto.
Sie waren selbst Einwandererkinder und hatten fremdenfeindliche Vorurteile verinnerlicht. Das ist nicht nur verblüffend und erschreckend, sondern stellt der aufnehmenden Gesellschaft auch eine Frage: Wie kann Integration gelingen, wenn junge Leute sich mittlerweile selbst als nicht gewollte Unterschicht identifizieren, wenn sie völlig falsche Stereotypen in sich aufgesogen haben?
Die Antwort können nur Vorbilder geben und zwar authentische. Mesut Özil ist zwar bekannt. Aber wie viele Kinder werden später mal bei Real Madrid spielen? Mütter und Väter sind selten beruflich erfolgreich, haben weder ein Diplom noch einen Meisterbrief an der Wand hängen. Wir jedoch, die Migrantenkinder, die es an die Universitäten, in die Büros oder Werkstätten der Republik geschafft haben, können durchaus Vorbild sein.
In unserer Generation können und sollen sich die jungen Deutschen wiedererkennen, nicht in Musikern oder Fußballern, die schlechtes Deutsch sprechen, schon gar nicht in Jugendlichen, die sich als U-Bahnschläger profilieren, lieber "abhängen", als zur Schule oder zur Arbeit zu gehen.
Wir wissen, wie es ist, anders auszusehen, seinen Namen buchstabieren zu müssen, gefragt zu werden, wann man denn wieder nach Hause fahre – wie es ist, seinen Weg über Hindernisse hinweg zu gehen.
Oder einem Gutmenschen auf der Straße zu begegnen, der uns auf seine Weise diskriminiert. Der junge Mann ordnete dem Gesicht auf dem Foto den Beruf Autolackierer zu. Nein, auch er konnte sich nicht einen Migranten als deutschen Offizier vorstellen. Und überhaupt, wiegelte er ab, wolle er mit der Bundeswehr nichts zu tun haben. Ob er denn nicht für Integration sei, fragen wir zurück. Doch, für Integration schon, aber nicht bei der Bundeswehr.
Soldaten schwören, Demokratie und Menschenrechte notfalls mit dem Leben zu verteidigen. Doch gibt es Menschen, die das nicht anerkennen. Um zu verstehen weshalb, bin ich wohl noch nicht gut genug integriert.
Dominik Wullers, geboren 1984 in Stadtlohn als Sohn einer Deutschen und eines Kapverdiers, studierte als Offizier der Bundeswehr in Hamburg, Harvard und West Point das Fach Volkswirtschaftslehre, arbeitet derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg und ist Gründungsmitglied der Pro-Integrationsinitiative "Deutscher Soldat e.V."
Die Dame, die mir da absagte, arbeitet bei einer Initiative gegen Intoleranz, zum Teil finanziert aus öffentlichen Mitteln, hilft beispielsweise der freiwilligen Feuerwehr, sich als bunt und liberal zu bewerben. Die Bundeswehr aber, so schrieb sie mir, sei potenziell rechts und würde boykottiert.
Dass ich selbst halb-schwarz bin und das genaue Gegenteil sage, war ihr egal: Toleranz auf den Fahnen, Vorurteile im Herzen. Eigentlich wollte ich das Schulprojekt unseres Vereins anbieten, bei dem wir Kindern von unseren Biografien und Integrationsgeschichten erzählen. Stattdessen wurde ich diskriminiert wegen meines Berufs.
Die Denkart, dass die Armee Rassismus bedinge, hat sich aus einer generellen Ablehnung von Streitkräften entwickelt und verselbstständigt. Sie verortet Migranten in exotisch dekorierten Räumen, wo sie Kaftan tragen, Couscous essen und mit toleranten Deutschen rituelle Tänze einstudieren. Die Wahrheit ist aber, dass die Einwanderer in der Mitte der Gesellschaft ankommen sind. Mir hat dabei die Bundeswehr geholfen.
Das ist und soll nicht der Weg für jeden sein. Wichtig ist allein, dass alle Kinder wissen, dass es auch für sie einen Weg gibt. Und wie wichtig diese Erkenntnis ist, habe ich erfahren müssen, als wir mit der Kamera auszogen, um Stereotype über Migranten einzufangen.
Wir zeigten Passanten ein Foto und fragten, welcher Beruf zu dem scheinbar arabischen Gesicht gehöre. Keiner erriet den Offizier, aber es war allerhand Unschmeichelhaftes zu hören. So auch von zwei Jungs, die ihn als "Dönerverkäufer”, "Hausmeister” und "Knastbruder” einschätzten. Nur, dass die beiden genauso aussahen wie der Mann auf dem Foto.
Sie waren selbst Einwandererkinder und hatten fremdenfeindliche Vorurteile verinnerlicht. Das ist nicht nur verblüffend und erschreckend, sondern stellt der aufnehmenden Gesellschaft auch eine Frage: Wie kann Integration gelingen, wenn junge Leute sich mittlerweile selbst als nicht gewollte Unterschicht identifizieren, wenn sie völlig falsche Stereotypen in sich aufgesogen haben?
Die Antwort können nur Vorbilder geben und zwar authentische. Mesut Özil ist zwar bekannt. Aber wie viele Kinder werden später mal bei Real Madrid spielen? Mütter und Väter sind selten beruflich erfolgreich, haben weder ein Diplom noch einen Meisterbrief an der Wand hängen. Wir jedoch, die Migrantenkinder, die es an die Universitäten, in die Büros oder Werkstätten der Republik geschafft haben, können durchaus Vorbild sein.
In unserer Generation können und sollen sich die jungen Deutschen wiedererkennen, nicht in Musikern oder Fußballern, die schlechtes Deutsch sprechen, schon gar nicht in Jugendlichen, die sich als U-Bahnschläger profilieren, lieber "abhängen", als zur Schule oder zur Arbeit zu gehen.
Wir wissen, wie es ist, anders auszusehen, seinen Namen buchstabieren zu müssen, gefragt zu werden, wann man denn wieder nach Hause fahre – wie es ist, seinen Weg über Hindernisse hinweg zu gehen.
Oder einem Gutmenschen auf der Straße zu begegnen, der uns auf seine Weise diskriminiert. Der junge Mann ordnete dem Gesicht auf dem Foto den Beruf Autolackierer zu. Nein, auch er konnte sich nicht einen Migranten als deutschen Offizier vorstellen. Und überhaupt, wiegelte er ab, wolle er mit der Bundeswehr nichts zu tun haben. Ob er denn nicht für Integration sei, fragen wir zurück. Doch, für Integration schon, aber nicht bei der Bundeswehr.
Soldaten schwören, Demokratie und Menschenrechte notfalls mit dem Leben zu verteidigen. Doch gibt es Menschen, die das nicht anerkennen. Um zu verstehen weshalb, bin ich wohl noch nicht gut genug integriert.
Dominik Wullers, geboren 1984 in Stadtlohn als Sohn einer Deutschen und eines Kapverdiers, studierte als Offizier der Bundeswehr in Hamburg, Harvard und West Point das Fach Volkswirtschaftslehre, arbeitet derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg und ist Gründungsmitglied der Pro-Integrationsinitiative "Deutscher Soldat e.V."