Sklavenhandel

Was hatte Deutschland damit zu tun?

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Sklaven, die bei der Zuckerrohrernte arbeiten, chinesische Tintenwäsche, c. 1800, im Musee d'Aquitaine, Bordeaux, Frankreich.
Auch deutsche Kaufleute stiegen in den Zuckeranbau ein - und in den Handel mit afrikanischen Sklaven. © akg-images / Manuel Cohen
Von Gunnar Lammert-Türk · 20.05.2020
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Bei Sklaverei denken wir an Frankreich, an Amerika. Als der deutsche Nationalstaat entstand, war das Zeitalter der Sklaverei schon vorbei. Gab es für Deutschland also eine „Gnade der späten Geburt“? Eine Spurensuche.
"Die deutschen Kaufleute, die in westeuropäischen Hafenstädten wie Bordeaux oder Lissabon oder Cádiz niedergelassen waren, um sich dort in den Kolonialhandel der entsprechenden Mächte einzuklinken, gehörten natürlich zu dieser merkantilen Oberschicht, zu der Handelselite der Städte. Und ein Beispiel wäre Lutger oder Rodrigo, wie er sich in Cádiz, in Spanien nannte, Schröder. Und als dieser Lutger Schröder 1709 ein Testament schrieb, da vermachte er seine Sklaven Juan, Antonio und Isabel Maria seiner Ehefrau."

Rodrigo Schröder, von dem der Historiker Klaus Weber erzählt, war einer von vielen deutschen Kaufleuten, die im 17. Jahrhundert an die Westküste Europas gezogen waren, um Handel zu treiben.

Haussklaven zu halten, und gar drei, zeigte außergewöhnlichen Wohlstand an. Den hatte Schröder als Lieferant von Schiffsausrüstungen spanischer Seehändler erlangt. Ihre Schiffe transportierten Sklaven in die Plantagen Mittel- und Südamerikas und brachten von dort vor allem Zucker zurück.

Gute Geschäfte mit Leinenprodukten

Schröder war aber auch ein überaus erfolgreicher Leinenhändler. Leinen: das war ein Produkt, mit dem man gute Geschäfte machen konnte, schon seit dem Mittelalter. Und im Gegenzug bekamen die Händler ersehnte Luxusgüter aus dem Orient und aus Asien, wie Baumwolle und Seide, Indigo, Muskat, Pfeffer, Zimt, Nelken, Kaffee und Zucker.

Den ließen europäische Geschäftsleute bald auch selbst herstellen. Den ersten eigenen Zuckerrohrplantagen auf Kreta, Malta und Rhodos folgten solche an der Südostküste Spaniens, auf den Kanaren und Madeira. Hier wurden bereits Sklaven aus Westafrika eingesetzt.
Dann brachte Kolumbus Zuckerrohrsetzlinge in die neue Welt, und damit begann auch der transatlantische Handel mit Sklaven aus Westafrika. Mit dabei: süddeutsche Leinenhändler und Finanziers. Auftraggeber: das spanische Königshaus.
"Die Welser verpflichteten sich, von 1528 an 4000 afrikanische Sklaven nach Hispaniola zu liefern", sagt Klaus Weber. "Und das erste im Rahmen dieses Kontraktes gecharterte Schiff überquerte 1528, also im selben Jahr schon, mit 215 gefangenen Afrikanern und Afrikanerinnen den Atlantik. Und der gesamte Vertrag war innerhalb von zehn Jahren erfüllt. Und in den 1530er-Jahren erwarben die Welser selbst dann auch auf Hispaniola ihre ersten eigenen Zuckerplantagen."

Deutsche Kaufleute stiegen in Zuckeranbau ein

Auch die Fugger stiegen in den Zuckeranbau ein. Und in der Folge weitere deutsche Händler und Kaufleute. Eine wichtige Rolle spielte deutsches Leinen. Geringe Lohnkosten und für den Flachsanbau geeignetes Klima machten es unschlagbar. Es kam nicht nur aus Süddeutschland. Auch aus dem hessischen Bergland, Westfalen und vor allem Schlesien.
Leinen war eine wesentliche Tauschware für den Erwerb der Sklaven. Und es war ihre Arbeitsbekleidung. Ganz gleich, ob sie auf spanischen, portugiesischen, englischen, holländischen oder französischen Plantagen arbeiteten. Einer, der Sklaven für die französischen Kolonialplantagen beschaffte, war der aus Sundwig bei Iserlohn stammende Transportunternehmer Friedrich Romberg.

"In den 1780er-Jahren gründete er eine eigene Reederei für den Sklavenhandel in Bordeaux gemeinsam mit zwei Kompagnons, den Gebrüdern Walckiers, das waren Brüsseler Bankiers", sagt Klaus Weber. "Das war die größte Sklavenhandelsgesellschaft in Bordeaux. Bordeaux war nach Nantes der zweitwichtigste Sklavenhandelshafen in Frankreich. Sie versorgten vor allen Dingen Saint Domingue, die größte französische Kolonie in den Antillen, mit Sklaven. Und man muss sich vergegenwärtigen, dass dieser kleine Flecken, das heutige Haiti, im 18. Jahrhundert etwa drei Viertel des gesamten Zuckers produzierte, der in der westlichen Hemisphäre produziert wurde."

Verdeckte deutsche Beteiligung am Sklavenhandel

Die Beteiligung von Deutschen am Sklavenhandel war zumeist nicht so offensichtlich. In der Regel segelten die Schiffe, die sie charterten, unter portugiesischer Flagge. Unbekannt war die Beteiligung am Sklavenhandel in den deutschen Ländern allerdings nicht. Denn immer wieder wurden hier neben Gefangenen aus den Kriegen mit dem Osmanischen Reich auch afrikanische Sklaven, verkauft und verschenkt. Und getauft.
Die Historikerin Renate Dürr, die die lutherischen Taufen von Sklaven untersucht hat, gibt ein Beispiel aus einer Taufpredigt.

"Benjamin Textor sprach im Jahre 1686 von einer Sklavin, deren neugeborenes Kind er nun taufe. Und er spezifizierte das und ich zitiere aus der Taufpredigt: 'Die Mutter ist jure belli an ihren Gefangennehmer verfallen. Von deme ist sie durch einen anderen um ein gewiss Stück Geld als eine Sklavin rechtmäßig erkaufet worden.'"

In den Taufpredigten erfuhren die Menschen in den deutschen Städten und Dörfern auch, woher die getauften Sklaven kamen. Von der Beteiligung deutscher Geschäftsleute an der Plantagenwirtschaft in Übersee und am Sklavenhandel wohl eher nicht. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Sklaverei und Sklavenhandel international geächtet.

Deutsche Sklaven getauscht gegen Waffen

Zur selben Zeit aber wurde der afrikanische Kontinent kolonial unterworfen. Eine der Rechtfertigungen dafür war der Kampf gegen den innerafrikanischen Sklavenhandel. Ziemlich zynisch, wenn man sich die Verflechtung von Kolonialkriegen mit europäisch-afrikanischer Sklaverei und einer lokalen Elite vergegenwärtigt. Ein Beispiel: der König von Dahomé, Behanzin.

"Der König von Dahomé benötigte für den Kampf gegen die Franzosen moderne Waffen und erhielt sie über die deutsche Firma Wölber & Brohm und den Waffenhändler und Waffeninstrukteur Leopold Witt: 5000 moderne Gewehre, ein Maschinengewehr und ein Dutzend leichter Kanonen der Marke Krupp. Bezahlt wurden diese Waffen unter anderem mit Sklaven, die Behanzin an deutsche, portugiesische und belgische Reeder lieferte. Und die wiederum transportierten die Sklaven nach Kamerun, nach Togo, nach Belgisch Kongo und auf die portugiesische Insel Sao Tome."

Dieser verdeckte Sklavenhandel flog auf. Nach dem Sturz des Königs von Dahomé 1894 musste in Berlin der Leiter der Kolonialabteilung im Auswärtigen Amt, Paul Kaiser, zugeben, dass Deutsche Sklaven gegen Waffen getauscht und diese in den deutschen Kolonien Kamerun und Togo eingesetzt hatten.

Sklaverei endete mit Entstehung des Deutschen Reichs

Die systematische Sklaverei war allerdings vorbei, als das Deutsche Reich entstand. Die Beteiligung deutscher Geschäftsleute am Handel mit Sklaven und an der Plantagensklaverei hatte in den Jahrhunderten davor stattgefunden. Ganz vorne dabei: Leinenhändler und Finanziers. Davon geben die Ladelisten der nach Übersee gefahrenen Schiffe Auskunft.

Freilich sind diese deutschen Anteile an der Sklavereigeschichte nicht so leicht erkennbar, weil die Schiffe für den Handel mit Sklaven, Zucker und anderen Gütern, wie gesagt, zumeist nicht unter deutscher Flagge fuhren...

"... sondern unter portugiesischer, britischer, französischer, niederländischer Flagge" sagt Klaus Weber. "Und er wurde ja auch zu einem großen Teil von diesen nichtdeutschen Kaufleuten kanalisiert. Ungeachtet der sehr erfolgreichen Beteiligung und des Einschaltens deutscher Kaufleute über diese Häfen. Und nicht wenige dieser Familien sind dann in diesen Ländern naturalisiert worden. Das heißt, sie wurden wurden bald niederländische Bürger oder englische Untertanen. Und das hat dann wieder zu der Unsichtbarkeit beigetragen."
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