Sinnbild der Hoffnung

Von Hannelore Heider · 21.03.2012
Christinnen und Musliminnen gehen Hand in Hand - und verschwören sich gemeinsam gegen ihre Krieg spielenden Männer. Diese Utopie zeichnet die Libanesin Nadine Labaki in ihrem Oscar nominierten Film "Wer weiß wohin".
2007 machte die Libanesin Nadine Labaki als Schauspielerin in der französisch-libanesischen Filmproduktion "Caramel" international Furore. In einem Beiruter Schönheitssalon spiegelten sich damals auf komödiantische Weise die gesellschaftlichen Konfliktherde des Bürgerkriegslandes im Nahen Osten. Dieser Intention bleibt Nadine Labaki auch in ihrer eigenen Regiearbeit nicht nur treu, sie verschärft den Fokus sogar.

Jetzt ist er aus Sicht der Frauen und in märchenhaft komödiantischer Erzählweise direkt auf den latenten Kriegszustand in einem nicht genannten, aber erkennbaren Land gerichtet. Da ist ein kleines, staubiges Dorf, in dem Moschee und Kirche friedlich nebeneinander stehen und Priester wie Imam Friedfertigkeit predigen. Doch die robuste Männergesellschaft des Dorfes nutzt jede Nichtigkeit, um die religiösen Konflikte handfest auszutragen. Dabei sind die Felder ums Dorf und die Brücke ins Tal längst vermint, der Friedhof vereint auf getrennten Gräberfeldern die jungen Toten beider Gemeinschaften.

Als ein neu angeschaffter Fernseher wieder einmal brisante Nachrichten von Bürgerkriegsunruhen bringt, eskaliert die Situation zum wiederholten Male. Die Frauen haben es endgültig satt und versuchen mit List und Tücke, ihre Männer zur Räson zu bringen. Aber ob die Jungfrau Maria plötzlich blutige Tränen weint oder die von den Dorffrauen angemietete Truppe ukrainischer Stripperinnen die Energie ihrer Männer in andere Gefilde lenkt, der nächste Tote lässt sie wieder zu Knüppeln und Waffen greifen. Es muss ein größeres Wunder geschehen, denn selbst die aus Literatur, Theater und Film bekannten Waffen der Frauen wäre hier wirkungslos.

Nadine Nabaki lässt ihre Filmheldinnen auf eine überraschende und in dem sehr politischen Kontext auch überzeugende Idee kommen, die vor allem die Tragik hinter dem turbulenten Geschehen nicht verdeckt. Sinnbildhaft hat sie es in der ersten wunderschönen Szene des Filmes schon vorgeführt: Musliminnen und Christinnen gehen gemeinsam zum Friedhof, aus dem Marsch in der Abendsonnen wird ein Tanz mit staubigen Schuhen, ob elegant oder ausgetreten, ob mit bedeckten Köpfen oder frei. Dieses reizvoll-fremdartige Miteinander der Frauen ist ganz sicher als Utopie und Sinnbild der Hoffnung zu sehen für ein Land im Nahen Osten, das Libanon heißen könnte.

Der Film wurde an Originalschauplätzen mit einem leidenschaftlich spielenden Ensemble aus Profis und vielen Laiendarstellern gedreht. Er lief auf den Filmfestspielen in Cannes, konkurrierte um den Oscar als "Bester fremdsprachiger Film", gewann auf dem Filmfestival in Toronto den Publikumspreis und kommt synchronisiert ins deutsche Kino.
Frankreich, Italien, Libanon, Ägypten 2011. Drehbuch und Regie: Nadine Labaki. Darsteller: Nadine Labaki, Julien Farhat, Claude Baz Moussawbaa, Layla Hakim, Yvonne Maalouf. 102 Minuten, ab 12 Jahren.

Filmhomepage "Wer weiß wohin"
Mehr zum Thema