Singer-Songwriterin Bedouine

Getrieben von Krieg und Gentrifizierung

06:11 Minuten
Porträtaufnahme der Musikerin Azniv Korkejian
Bedouine: "Ich habe das Gefühl, dass sich meine Vergangenheit hinter mir auflöst" © Moises Galvin
Von Christoph Reimann · 26.06.2019
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Azniv Korkejian ist in Syrien auf die Welt gekommen. Nach vielen Stationen lebt sie heute in Los Angeles. Als Bedouine erzählt sie auf ihrem Album "Bird Songs Of A Killjoy" mit sanften Folksongs von ihrem Schicksalsthema - der Vertreibung.
"Bird Songs Of A Killjoy" heißt Bedouines neues Album. Vogelgesang eines Spielverderbers: Das ist ironisch, höchstens halbernst gemeint. "Ich bin die Spielverderberin", sagt Azniv Korkejian, die unter dem Namen Bedouine Musik macht. Sie mache sich manchmal eher zu viele Gedanken als zu wenige, erzählt sie. Wie sie auf andere wirke, zum Beispiel. Und wer zu viel nachdenke, könne schnell als Spielverderber abgestempelt werden. Das mit dem Vogelgesang dagegen kann man ernst nehmen: Bedouine findet auf ihrem zweiten Album wirklich betörende Melodien.
Es ist zehn Uhr morgens, als das Interview stattfindet. Bedouine ist in ihrer Wohnung in Los Angeles. Ihr Hund spielt im Hintergrund verrückt. Er besteht auf seine Morgenrunde durch Echo Park, den Stadtteil, in dem Bedouine seit neun Jahren lebt.
Früher wollte keiner in Echo Park wohnen. Die Gegend war runtergekommen und gefährlich. Heute entwickelt sie sich ins komplette Gegenteil. "Ich finde Echo Park wunderschön. Ich habe das Gefühl, dass noch viel von früher da ist. Der namensgebende Park zum Beispiel wurde wieder hergerichtet. Der Song spielt darauf an, was sich alles verändert hat, seitdem ich da wohne."
Jeder ist hier Avantgarde, singt Bedouine über die durchgentrifizierten Straßen mit ihren kreativen Bewohnern. Auch das ist wieder halbernst gemeint:
"Als eine Person, die wegen der Künstler-Community hier hergezogen ist, habe ich das Gefühl, zwischen den Stühlen zu sitzen. Denn ich bin ja nicht die große Investorin, die die gesamte Nachbarschaft umkrempelt. Aber ich weiß, dass Leute mit Geld gerne in Gegenden investieren, die eine lebhafte Künstler-Community haben. Ich weiß, dass das ein schwieriges Thema ist. Ich habe ja Vertreibung am eigenen Leib erlebt, mehrere Male. Und ich wünsche das keinem anderen."
Azniv Korkejian ist in Syrien auf die Welt gekommen, ihre Eltern stammen aus Armenien. Sie wächst in Saudi-Arabien auf. Als sie zehn Jahre alt ist, wandern ihre Eltern mit ihr in die USA aus.
"Ich habe das Gefühl, dass sich meine Vergangenheit hinter mir auflöst, verschwindet", sagt sie: "Das Land, mit dem mich am meisten verbunden hat, war Syrien. Da war meine ganze Familie zuhause, bis der Krieg es unmöglich gemacht hat. Große Teile meiner Familie haben das Land dann verlassen. Aber in Syrien habe ich mich zuhause gefühlt."

Getrieben von Krieg und Gentrifizierung

Bedouine. Es hätte wohl kein Name besser gepasst. Wie bei den nomadischen Beduinen treibt es sie lange Zeit von einem Ort zum nächsten. Displacement, Vertreibung, ist ein Wort, das sie immer wieder verwendet. Musikalisch aber hat sie ganz klar eine Heimat gefunden: in der westlichen Popkultur.
"Eine Zeitlang habe ich in Kentucky gelebt. Da habe ich Leute kennengelernt, die sich für ältere Popmusik interessiert haben. Die haben mir die Folkmusik der 60er und 70er nahegebracht, die Bands der British Invasion. Das hat mich beeinflusst, nicht so sehr die Musik, die bei uns zuhause lief, als ich klein war."

Die Melancholie von Nick Drake

Und es gibt noch zwei weitere Künstler, die großen Einfluss auf Bedouine hatten. Ein wenig lasten sie wie ein Fluch auf ihr, weil ihre Namen immer wieder fallen, wenn es doch eigentlich um die Musik der 34-Jährigen geht. Joni Mitchell ist die eine, auf die Bedouines Songwriting mit den ungewöhnlichen Harmoniefolgen verweist. Nick Drake der andere. Auf "Bird Songs Of A Killjoy" klingt er in den melancholischen Momenten an. Wenn die Streicher einsetzen, die Gitarre klagt.
"Nick Drake konnte so eine Stimmung erzeugen, schwer zu sagen, was genau die ausmacht, aber die ist toll. Ich bin keine besonders tolle Gitarristen, oft weiß ich gar nicht, was ich da eigentlich mache. Aber manchmal, besonders dann, wenn ich mal eine andere Stimmung ausprobiere, entstehen Klänge, die mich an ihn erinnern. Und das ist ein gutes Zeichen."

Auf der Suche nach einem Zuhause

Auch Bedouine kann eine besondere Stimmung erzeugen, die alt und gegenwärtig zugleich klingt. Es sei ihr immer noch nicht gelungen, irgendwo anzukommen, erzählt Bedouine. Die Trump-Regierung macht es ihr nicht gerade leichter. Doch die Musikerin hat auf ihre Weise geantwortet: Kurz vor den Midterm-Wahlen im November 2018 veröffentlichte sie den Anti-Trump-Song "There is no future in our frontman", geschrieben von ihrem Labelchef Matthew E. White.
"Es sieht aussichtlos aus. Aber die Geschichte wiederholt sich nun einmal. Und ich glaube daran, dass sich das Pendel auch wieder in die andere Richtung bewegt. Ich wünschte natürlich, wir, als Gesellschaft, würden uns stetig in nur eine Richtung bewegen – nach vorn", sagt sie.
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