Simone Paganini: "Von Evas Apfel bis Noahs Stechmücken"

Was die Bibel falsch vermeldet

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Der Theologe Simone Paganini hat eine Zusammenstellung populärer Bibelmythen verfasst. © Herder Verlag
Von Uwe Bork · 26.09.2019
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Die Frau entstand aus der Rippe des Mannes, und Josef von Nazareth war Zimmermann - beides ist falsch, stellt der Theologe Simone Paganini fest. Sein Buch "Von Evas Apfel bis Noahs Stechmücken" handelt von Übersetzungsfehlern und Falschmeldungen in der Heiligen Schrift.
Nein, er war wohl doch nicht der Sohn eines Zimmermanns. Jesus von Nazareth, Sohn Gottes und nach weit verbreiteter Meinung Ziehsohn eines unbedeutenden Handwerkers aus einem nicht minder unbedeutenden Dorf in Galiläa, stammte vermutlich aus nicht ganz so kleinen Verhältnissen. Nach dem von Simone Paganini vorgestellten aktuellen Erkenntnisstand war der biblische Josef eher Steinmetz, Baumeister oder sogar Architekt als simpler Tischler.
Paganini, unter anderem durch eine Theologie-Professur an der RWTH Aachen als einschlägiger Sachkenner ausgewiesen, macht für den weitverbreiteten Irrglauben jahrhundertealte Übersetzungsungenauigkeiten und ein Missverständnis verantwortlich: Auch für Martin Luther, der die Bibel im 16. Jahrhundert ins Deutsche übersetzte, war Josef zwar ein Baumeister, doch baute man im Deutschland seiner Zeit die meisten Häuser eben aus Holz und nicht aus Stein. Der irdische Vater des Gottessohnes geriet so zum Zimmermann.

Nein, die Bibel wurde nicht auf Deutsch verfasst!

Von ähnlichem Kaliber wie diese falsche Berufszuschreibung sind auch die anderen in die Bibel hineingelegten oder aus ihr herausgelesenen Fehler, von denen Simone Paganini ebenso informativ wie unterhaltsam zu berichten weiß. Da geht es dann beispielsweise um die Frage, ob das Alte Testament das weibliche Geschlecht wirklich aus einer männlichen Rippe entstehen lässt und ihr damit eine ewige Unterlegenheit andichtet. Es geht darum, ob der Hauptjob von Propheten wirklich darin bestand, die Zukunft vorauszusagen. Oder auch darum, ob Maria Magdalena wirklich eine Frau von zweifelhaftem Ruf und einschlägigem Gewerbe war.
Kritischen Bibellesern bietet Paganini mit seinen Richtigstellungen zwar nicht unbedingt Neues, als handliches Kompendium von "Fake News in der Bibel" – so der modische Untertitel des mit rund 160 Seiten nicht übermäßig umfangreichen Buches – ist seine Zusammenstellung populärer Bibelmythen aber dennoch mehr als nur brauchbar.

Evangelisten nutzten literarische Mittel

Wenn es darum geht, wie die Fehler und Falschmeldungen genau in das heilige Buch des Christentums kamen, zeigt Simone Paganini erfreuliche Differenziertheit. So unterscheidet er zwischen – von ihm so genannten – 'unechten Fake News', die wie die Annahme, die Erde sei eine in sieben Tagen entstandene Scheibe, vor allem auf mangelnden wissenschaftlichen Kenntnissen beim Verfassen der Bibel beruhen, und bewusst in die religiöse Welt gesetzten Fakes. Etwas zur Bildung und Erbauung des Publikums so darzustellen, wie es hätte sein können, galt zur Zeit der Entstehung der Bibel aber nicht unbedingt als ehrenrührig: Nicht nur die Evangelisten, auch griechische, römische und jüdische Historiker arbeiteten mit diesem eher literarischen als wissenschaftlichen Mittel.
Andererseits verfolgten unrichtige Darstellungen eindeutige Interessen. Wie der Theologe Paganini darlegt, ist beispielsweise die biblische Behauptung, der Monotheismus sei die älteste und damit gleichsam die natürliche Form der Gottesanbetung, ein solcher Fake. Mit ihm sollten gleichermaßen die nichtjüdischen Nachbarvölker ins Unrecht gesetzt und herabgewürdigt werden, wie er auch dazu diente, innerreligiös und innergesellschaftlich Druck aufzubauen, mit dem sich kritisches (Weiter-)Denken quasi im göttlichen Auftrag verhindern ließ.

Simone Paganini: Von Evas Apfel bis Noahs Stechmücken. Fake News in der Bibel
Herder, Freiburg 2019
160 Seiten, 14 Euro

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