Simone Buchholz: "Mexikoring"

Kein Weg nach Hause

Das Cover von "Mexikoring" von Simone Buchholz vor einem verschwommenen Bild einer Autobahn in der Dämmerung.
Simone Buchholz' Romane landen regelmäßig in der Krimibestenliste. © Suhrkamp / imago / Bild13 / Montage: DLF Kultur
Von Kolja Mensing  · 26.10.2018
Schmuddelwetter, Bier und Zigarettenrauch: Simone Buchholz’ Romane um die trinkfeste Staatsanwältin Chastity Riley tauchen verlässlich in der Krimibestenliste auf. „Mexikoring“ erzählt von Clans, Lebenskünstlern – und dem Ende einer Utopie namens Freundschaft.
Das erste, was auffällt: Chastity Riley ist schlecht drauf. Also, nicht lustig schlecht drauf, wie man sie aus den anderen Romanen der Serie kennt, sondern richtig schlecht drauf: "Ich komm nicht klar, live und direkt komm ich nicht klar", das ist der aktuelle Beziehung-mit-sich-selbst-Status der Hamburger Staatsanwältin.
Der Tatort, an den sie am Anfang von "Mexikoring" gerufen wird, macht es nicht besser. In einem leicht heruntergekommen Büroviertel im Norden von Hamburg steht zwischen Waschbetonfassaden ein ausgebranntes Auto mit einer Leiche darin. Es handelt sich um Nouri Saroukhan, einen jungen Mann, der Beziehungen zum organisierten Verbrechen hat und der – das finden Chastity Riley und ihre Kollegen vom LKA heraus – von seiner Familie verstoßen worden ist. Ein Fememord?

Rache an den eigenen Kindern

"Mexikoring" erzählt von Clanstrukturen und von Familien, die Rache an ihren eigenen Kindern nehmen. Das ist harter Stoff. Gleichzeitig – und auch das kann einen beim Lesen ganz schön hart erwischen – nimmt Simone Buchholz Abschied von dem warmen, satten Sound der Freundschaft, mit dem ihre Romane bisher unterlegt waren. Am Ende landeten Chastity Riley und ihre Freunde (verzweifelte Polizisten, Kleinkriminelle, Roth-Händle-Raucher und Lebenskünstler) bisher ja immer in der "Blauen Nacht", dieser fast schon legendären Bar auf Sankt Pauli, wo sie sich bei Flaschenbier und wortkargen Dialogen ganz vorsichtig aneinander anlehnen, um sich zu versichern, dass sie nicht allein sind.

"Mexikoring" wirkt noch trostloser als seine Vorgänger

Aber: Trostsaufen, Thekenkuscheln, "Seelen-Security", das funktioniert in "Mexikoring" nicht mehr. Wenn die Protagonisten sich diesmal in der "Blauen Nacht" treffen, dann nur, um festzustellen, dass "bei allen ja schon das eine oder andere Teil kaputtgegangen ist". Beziehungsdrama, versehrte Körper und vernarbte Seelen, das alles opernreif inszeniert, mit schummrigen Licht, Zigarettenrauch und trauriger Musik - und dazu Sätze wie "Das Konzept des Nachhausekommens war noch nie so richtig mein Ding."
Mit "Mexikoring" verdichtet Simone Buchholz das Gefühl der Heimatlosigkeit und Verlorenheit noch einmal, das ihre Figur Chastity Riley von Anfang an beherrscht hat, bis man es fast nicht mehr erträgt.
Krasses Buch. Aber, und das ist wahrscheinlich das Geheimnis jeder wirklich überzeugenden Serienfigur, am Ende will man dann doch wissen, wie es weitergeht. Auch wenn es eigentlich nicht mehr weitergehen kann.

Simone Buchholz: "Mexikoring"
Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2018
247 Seiten, 14,95 Euro

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