Silvio Witt in Neubrandenburg

Kabarettist tritt an zur Oberbürgermeisterwahl

Der Parteilose Silvio Witt
"Ich meine das todernst", sagt der parteilose Kabarettist Silvio Witt zu seiner Kandidatur als Oberbürgermeister für Neubrandenburg. © Privat
Von Gerhard Richter · 09.02.2015
Mit Neugier und Naivität möchte Silvio Witt die Amtsgeschäfte in Neubrandenburg führen - wenn er Oberbürgermeister werden sollte. Der parteilose Kommunikationsexperte und Kabarettist hat zwei Vorteile: Er kennt seine Mitbürger und kann mit allen.
Silvio Witt ist klein, drahtig und sehr agil. Er betreibt eine Kommunikationsagentur und arbeitet nebenher als Kabarettist und Comedian. Seine Kandidatur als Oberbürgermeister für die rund 60.000 Neubrandenburger ist alles andere als ein Scherz:
"Ne, also ich mein das todernst. Ich hab ja wirklich seit August überlegt, und ich hab gesagt, du kannst es nur machen, wenn du es auch machen würdest. Also wenn du wirklich auch in dieses Rathaus einziehst und das diese vollen sieben Jahre auch durchziehst. Und ich mach das nicht, um irgendjemanden zu ärgern. Gar nicht."
Silvio Witt trägt selten Anzug und Krawatte, durchquert die Stadt mit dem Fahrrad, duzt die meisten Neubrandenburger und will mit Eigenschaften wie Neugier und Naivität die Amtsgeschäfte führen. In den Augen der amtierenden Politelite ist er eigentlich ein Anti-Kandidat.
"Und Neubrandenburg hat so festgefahrene politische Strukturen, dass das schon ein Schock für die ist."
Noch sitzt Paul Krüger von der CDU auf dem Bürgermeister-Stuhl. Der frühere Bundesforschungsminister kandidiert aus Altersgründen nicht mehr. Um die Nachfolge konkurrieren neben den Kandidaten der CDU, der LINKEN, der FDP und der SPD nur zwei parteilose. Silvio Witt findet es erschreckend, dass 25 Jahre nach der Wende viele Leute immer noch glauben, ein Kandidat müsse in einer Partei sein.
"Ich möchte einfach den Leuten mein Verständnis von Demokratie zeigen. Dass da nämlich aus der Mitte des Volkes jemand gewählt werden darf. Und der braucht in keiner Partei sein, das steht in der Kommunalverfassung gar nicht drin. Sondern jeder kann, wenn er die Kriterien erfüllt, Oberbürgermeister werden."
Einen siebenseitigen Fragebogen musste er allerdings ausfüllen, die zwei Seiten zur Stasivergangenheit konnte er überspringen. Dafür ist er zu jung. Zur Wende war er grade elf. Den medizinischen Test hat er auch bestanden.
"Die amtsärztliche Untersuchung kommt schon einer Musterung gleich. Das find ich schon faszinierend, dass die physischen Fähigkeiten eines Oberbürgermeisters da unter die Lupe genommen werden. Nur die physischen …"
Seine mentalen, analytischen Fähigkeiten beweist Silvio Witt regelmäßig in seinen scharfsinnigen Spötteleien. Und er kann auch begeistern.
Silvio Witts Slogan heißt "verbindlich"
Ausschnitt Programm Silvio Witt: "Was diese Stadt wirklich braucht in so einer Situation, wo alles so verfahren scheint, ist eine Vision. Und ich habe eine Vision, muss ich ihnen sagen. Ich glaube, für diese Vision, braucht es halt auch mal das Volk. Fassen sie sich einfach mal an. Bitte mitmachen. Da kommt man sich näher in dieser kalten Gesellschaft. Hallo, ja, ich dachte, sie gehören zusammen…?" (Lachen)
Silvio Witt kennt seine Mitbürger. Er ist ganz in der Nähe aufgewachsen, in Groß Nemerow, einem sozialistischen Musterdorf. Nach einer Banklehre hat er noch Betriebswirtschaft studiert. Jetzt ist er selbstständig und verdient sein Geld mit Kommunikation. Macht Firmenzeitschriften, Seminare, schreibt Artikel. Das alles bringt er mit für das höchste Amt in der Stadt.
"Aber es war schon dieser solide Background, aber immer eine Begeisterung für Sprache und für Menschen. So. Ich finde es immer spannend, wenn ich vor mir jemanden habe, wo ich an der Mimik und Gestik erkenne, der mag mich eigentlich gar nicht."
Er kann also mit allen. Darauf fußt auch sein Wahlkampf. Weniger Plakate, mehr Gespräche. Sein Slogan heißt "verbindlich". Und den erprobt er gern.
Abends stellt er sich in eine Kneipe und redet mit den Leuten. Gern über Kultur, über die sehr unterschiedlichen Stadtteile, über den Wegzug, über Mut und Vielfalt und über einen kreativen Aufbruch.
"Wie kann man die Generationen hier verbinden, wie kann man irgendwie hier vermitteln, weil die Stadt ist zu groß um klein zu sein und zu klein um groß zu sein. Das ist so eine kritische Größe, wo das eben nicht eine Straße weiter den nächsten gibt, also dass man immer wieder vermitteln muss."
Bis nachts um halb eins geht Silvio Witt von Stehtisch zu Stehtisch und lässt sich in Gespräche verwickeln. Kommunikation ist seine Stärke.
"Ich finde das so befreiend, ich finde das führt aus meiner Sicht Politik dahin zurück, was Politik sein sollte. Da gibt’s ne Sache und Menschen diskutieren darum, und dann findet man eine Mehrheit für die Sache. So albern und einfach das klingen mag, so seh ich das."
Wie auch immer die Wahl ausgeht, der Kandidat Silvio Witt wirkt erfrischend auf die Demokratie in Neubrandenburg.
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