Silke Vry: "Das Buch der Labyrinthe und Irrgärten"

Warum es keinen längeren Weg gibt als den kürzesten

11:14 Minuten
Das Foto zeigt das im Steinboden der Kathedrale von Chartres zu sehende Labyrinth. Im Hintergrund der Altar, unscharf sind zwei Menschen auf dem Labyrinth zu erkennen, die dort gehen.
Das Labyrinth in der Kathedrale von Chartres ist das Lieblingslabyrinth von Silke Vry. Die Kinderbuchautorin sieht im Labyrinth ein archaisches Symbol. © imago / Leemage
Silke Vry im Gespräch mit Joachim Scholl · 20.01.2022
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Silke Vry schreibt faszinierende Kinderbücher, in ihrem neuesten geht um Labyrinthe und Irrgärten. Dabei will sie jungen und erwachsenen Leserinnen und Lesern mehr vermitteln als nur den Unterschied zwischen beiden.
„Ein Labyrinth ist ein Irrweg, auf dem man sich nicht verirren kann“, klärt Silke Vry auf, gefeierte Kinderbuchautorin und promovierte Archäologin. „In einem Labyrinth kann man nicht verloren gehen, und das ist im Irrgarten schon ganz anders“, grenzt sie das eine von dem anderen ab.
Silke Vry studierte Archäologie und Kunstgeschichte und ist seit vielen Jahren Kinderbuchautorin. „Da bin ich eigentlich immer auf der Suche nach Themen, die erstens ich selber faszinierend finde, von denen ich aber auch annehme, dass andere sie auch faszinierend finden könnten, und die uns auch gleichzeitig in die Geschichte zurückführen."
Da habe sich das Thema Labyrinthe, das sie mit dem Illustrator Finn Dean umgesetzt hat, besonders angeboten.

Das Labyrinth als archaisches Symbol

„Labyrinthe gibt es tatsächlich schon seit Tausenden von Jahren“, sagt Vry. Es handle sich wohl um ein archaisches Symbol, das offenbar den Menschen helfen könne, den Weg zu finden beziehungsweise sich immer wieder klarzumachen, dass man sich gar nicht verirren könne, sagt die Autorin.
Im Labyrinth ist der Weg verschlungen, aber verzweigungsfrei, man gelangt zwangsläufig zum Ziel, dem Mittelpunkt. Und weil es nur einen Weg gibt, ist der kürzeste zugleich der längste Weg.
„Man kann nicht abkürzen. Man kann aber auch keinen anderen Weg gehen, der noch länger sein könnte“, klärt Vry über einen Satz aus ihrem Buch auf, der auf den ersten Blick verwirrend erscheint.

"Wenn man in ein solches Labyrinth hineingeht und diesen fast unendlich erscheinenden, wahnsinnig langen Weg spaziert und dabei unglaublich viele Wendungen und Winkel gehen muss, wird man am Ende, wenn man ankommt, sagen: ‚Wow, ich bin jetzt einen wahnsinnig langen Weg gegangen, und ich musste so oft vom eigentlichen Weg scheinbar abkommen. Ich bin es aber nie. Ich musste nur meine Wendung gehen und habe das Ziel, nämlich die Mitte dieses Labyrinths, vielleicht erst aus den Augen verloren, aber ich bin doch angekommen. Ich wusste auch, ich werde ankommen."

Sillke Vry, Kinderbuchautorin

"Insofern", fügt sie an, "kann ein verwirrender Weg auch ein Weg sein, der einem Stärke oder vor allem das Vertrauen gibt: Man wird schon sein Ziel erreichen. Irgendwann."

Gleichnis für den Lebensweg

Vry betont, ihr gehe es bei ihren Büchern auch um mehr als reine Wissensvermittlung. Das Labyrinth sei auch ein Gleichnis für das Leben, die Irrwege, die man einschlagen könne, die Sackgassen, aus denen man schwer herausfinde.
Sie hat schon über die Diebe von Troja, optische Täuschungen, Leonardo da Vinci und Paul Klee geschrieben, insgesamt über ein Dutzend Kinderbücher, zu denen sie auch Workshops an Schulen und Büchereien anbietet.

Die Erfahrung des Labyrinths

Ihr Lieblingslabyrinth sei das der Kathedrale von Chartres, bekennt Silke Vry. Aber man müsse nicht weit weg fahren, um mal die Erfahrungen eines solchen Labyrinths am eigenen Leibe zu fühlen: „Oft reichen auch wirklich die kleinen, manchmal selbst gezeichneten, selbst aufgestellten, mit Steine gelegten oder wie auch immer geformten, ganz einfachen Labyrinthe, um diese Erfahrungen zu machen.“
Und ansonsten rät sie jedem, der irgendwo ein Labyrinth erblickt, unbedingt reinzugehen. „Es muss nicht prächtig sein.“
(mfu)

Silke Vry, Finn Dean: „Das Buch der Labyrinthe und Irrgärten“
Prestel, München 2021
93 Seiten, 25 Euro

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