„Sie ist nicht so konfrontativ“
Der ehemalige britische Botschafter in Deutschland, Sir Peter Torry, zollt Bundeskanzlerin Angela Merkel Respekt für die Art und Weise, wie sie ihre Ziele verfolge. „Es war einfach, sie zu unterschätzen“, meint Torry – und sieht einen anderen Politikstil als bei der früheren britischen Premierministerin Margret Thatcher.
Gabi Wuttke: Die eiserne Kanzlerin oder Frau Bismarck – Angela Merkel beantwortet die Frage nicht, wie sie diesen Titel findet, der kursiert, seit sie die Eurokrise erst eisern auszusitzen suchte, der ihr aber nun, da sie sich vehement weigert, noch mehr Geld aus Deutschland für die Rettung Europas auf den Tisch zu legen, offen ans Revers geheftet wird. Haben die Umstände die mächtigste Frau Europas zur eisernen Kanzlerin gemacht, ist Angela Merkel schon immer eisern gewesen oder war sie es womöglich nie? Bei der Suche nach der Antwort hilft Sir Peter Torry, von 2003 bis 2007 Botschafter Großbritanniens in Deutschland. Guten Morgen, Sir Peter!
Sir Peter Torry: Guten Morgen!
Wuttke: Hat sich Angela Merkel verändert oder ist sie sich treu geblieben aus Ihrer Sicht?
Torry: Ich glaube, Frau Merkel verfolgt ihre Ziele ganz genau und ganz sorgfältig. Man kann darüber sprechen, ob die Politik richtig ist oder ob Sie anderer Meinung sind. Es sind viele in Großbritannien, die der Auffassung sind, dass die Politik Deutschlands momentan verfehlt ist, aber ich würde sagen, die Leute, die so was sagen, verstehen möglicherweise nicht, wie eng eingeschränkt ist die Kanzlerin durch die politischen Umstände hier in Deutschland.
Wuttke: Sir Peter, Sie sagen, Angela Merkel ist eine zielstrebige Frau. Man kann trotzdem beobachten, dass ihr Auftreten in den vergangenen Monaten sich geändert hat. In Davos war er ungewöhnlich energisch, geradezu aggressiv, und man war schon versucht, an die klaren Ansagen einst vom Maggie Thatcher zu denken.
Torry: Der Vergleich mit Mrs. Thatcher, glaube ich, ist falsch. Die Frau Thatcher war viel schriller, viel konfrontativer, und die Frau Merkel verfolgt ihre Ziele auf andere Art und Weise. Das bedeutet nicht, dass sie ihre Ziele nicht erreicht, aber sie macht das ganz anders. Es ist einfach, die Frau Merkel zu unterschätzen. Es gibt eine Menge von Politikern der CDU, die das gemacht haben. Ich glaube, sie wird ihre Politik fortsetzen, und sie versteht, glaube ich, dass die Lösung der Krise liegt in den Händen der deutschen Regierung. Die anderen sind nicht in der Lage, diese Krise zu meistern, und ...
Wuttke: Glauben Sie tatsächlich, dass es noch irgendjemanden gibt, der Angela Merkel unterschätzt?
Torry: Es waren eine Reihe.
Wuttke: Es waren – ja, aber das tut doch sicherlich inzwischen niemand mehr, oder doch?
Torry: Momentan nicht, nein, nein. Aber es war einfach, sie zu unterschätzen, weil ihre Art und Weise ist ziemlich auf Konsens gerichtet. Sie ist nicht wie Frau Thatcher, argumentativ, und sie ist nicht so konfrontativ wie die Frau Thatcher. Aber das bedeutet nicht, dass sie nicht entschieden ist.
Wuttke: Aber sie steckt doch eigentlich in einem Konflikt. Die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung ist, dass Deutschlands Solidarität Grenzen hat, das ist die eine Seite der Medaille. Der Druck, als größter Nettozahler der EU mit außerordentlich guten Wirtschaftsdaten tiefer in die Tasche zu greifen, ist die andere Seite der Medaille. Also wie gilt es, diesen Konflikt zu lösen? Sind wir jetzt schon sozusagen im Theater in der ersten Reihe und sehen einen von vielen Akten auf dem Weg dahin, dem Druck von außen nachzugeben und sich trotzdem die Wähler nicht zu vergrätzen?
Torry: Das ist ein sehr dickes Problem. Die öffentliche Meinung hier in Deutschland ist nicht bereit, mehr deutsches Geld auszugeben. Und ich glaube, das muss man akzeptieren, man muss daran arbeiten, um den Deutschen zu überzeugen, dass es im deutschen Interesse ist, so eine Politik zu verfolgen.
Ohne die Bevölkerung mitzubringen ist es nicht machbar. Es ist ebenso nicht machbar, die Austeritätsprogramme in Spanien und Griechenland, Portugal und woanders durchzuführen, ohne die öffentliche Meinung in diesen Ländern. Die sind alle Demokratie, und wir müssen mit unseren Wählern arbeiten.
Wuttke: Kommen wir auf den zweiten Begriff, den man Angela Merkel gerade ans Revers heftet, nämlich Frau Bismarck. Was halten Sie von dieser Bezeichnung?
Torry: Lieber die eiserne Kanzlerin als Frau Bismarck. Also Bismarck war der erste Politiker seit Napoleon, der eben bereit war, die Grenzen Europas durch Macht zu verändern. Der war ein ganz anderer Politiker, ich würde keine Vergleiche mit Bismarck machen. Lieber nicht, also das sind alte Zeiten, die glücklicherweise vorbei sind.
Wuttke: Wir haben gerade schon über das Jahr 2005 gesprochen. In diesem Jahr haben Sie als Botschafter Ihrer Majestät in Deutschland gesagt, für die Lösung der Probleme in Deutschland mache es eigentlich keinen Unterschied, ob Gerhard Schröder oder Angela Merkel an der Macht sei. Sind Sie heute auch noch davon überzeugt, das allein ein starker Wille zählt?
Torry: Man muss etwas sagen. Kanzler Schröder war bereit, für sein Programm Agenda 2010 einzutreten. Es ist dank dieser Agenda, dass Deutschland ist in der Lage, wo es ist, dass die deutsche Wirtschaft ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder gewonnen hat, das hat Gerhard Schröder die Wahl gekostet, weil die Agenda ziemlich unpopulär war.
Ich glaube, um die Krise zu lösen, ist es durchaus möglich, dass Frau Merkel irgendwann etwas Ähnliches tun wird, um die deutsche Öffentlichkeit, um die deutsche öffentliche Meinung zu überzeugen. Es kann wohl sein, dass mit der Zeit die deutsche Regierung sich in einer ähnlichen Situation finden wird, und ich hoffe, dass diese Regierung die gleiche Kraft und Entscheidungswillen hat, so eine möglicherweise unpopuläre Politik durchzuführen und den Euro zu retten.
Wuttke: Im Interview der Ortszeit von Deutschlandradio Kultur Sir Peter Torry, der ehemalige britische Botschafter in Deutschland. Sir Peter, besten Dank und schönen Tag!
Torry: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Sir Peter Torry: Guten Morgen!
Wuttke: Hat sich Angela Merkel verändert oder ist sie sich treu geblieben aus Ihrer Sicht?
Torry: Ich glaube, Frau Merkel verfolgt ihre Ziele ganz genau und ganz sorgfältig. Man kann darüber sprechen, ob die Politik richtig ist oder ob Sie anderer Meinung sind. Es sind viele in Großbritannien, die der Auffassung sind, dass die Politik Deutschlands momentan verfehlt ist, aber ich würde sagen, die Leute, die so was sagen, verstehen möglicherweise nicht, wie eng eingeschränkt ist die Kanzlerin durch die politischen Umstände hier in Deutschland.
Wuttke: Sir Peter, Sie sagen, Angela Merkel ist eine zielstrebige Frau. Man kann trotzdem beobachten, dass ihr Auftreten in den vergangenen Monaten sich geändert hat. In Davos war er ungewöhnlich energisch, geradezu aggressiv, und man war schon versucht, an die klaren Ansagen einst vom Maggie Thatcher zu denken.
Torry: Der Vergleich mit Mrs. Thatcher, glaube ich, ist falsch. Die Frau Thatcher war viel schriller, viel konfrontativer, und die Frau Merkel verfolgt ihre Ziele auf andere Art und Weise. Das bedeutet nicht, dass sie ihre Ziele nicht erreicht, aber sie macht das ganz anders. Es ist einfach, die Frau Merkel zu unterschätzen. Es gibt eine Menge von Politikern der CDU, die das gemacht haben. Ich glaube, sie wird ihre Politik fortsetzen, und sie versteht, glaube ich, dass die Lösung der Krise liegt in den Händen der deutschen Regierung. Die anderen sind nicht in der Lage, diese Krise zu meistern, und ...
Wuttke: Glauben Sie tatsächlich, dass es noch irgendjemanden gibt, der Angela Merkel unterschätzt?
Torry: Es waren eine Reihe.
Wuttke: Es waren – ja, aber das tut doch sicherlich inzwischen niemand mehr, oder doch?
Torry: Momentan nicht, nein, nein. Aber es war einfach, sie zu unterschätzen, weil ihre Art und Weise ist ziemlich auf Konsens gerichtet. Sie ist nicht wie Frau Thatcher, argumentativ, und sie ist nicht so konfrontativ wie die Frau Thatcher. Aber das bedeutet nicht, dass sie nicht entschieden ist.
Wuttke: Aber sie steckt doch eigentlich in einem Konflikt. Die Mehrheitsmeinung der Bevölkerung ist, dass Deutschlands Solidarität Grenzen hat, das ist die eine Seite der Medaille. Der Druck, als größter Nettozahler der EU mit außerordentlich guten Wirtschaftsdaten tiefer in die Tasche zu greifen, ist die andere Seite der Medaille. Also wie gilt es, diesen Konflikt zu lösen? Sind wir jetzt schon sozusagen im Theater in der ersten Reihe und sehen einen von vielen Akten auf dem Weg dahin, dem Druck von außen nachzugeben und sich trotzdem die Wähler nicht zu vergrätzen?
Torry: Das ist ein sehr dickes Problem. Die öffentliche Meinung hier in Deutschland ist nicht bereit, mehr deutsches Geld auszugeben. Und ich glaube, das muss man akzeptieren, man muss daran arbeiten, um den Deutschen zu überzeugen, dass es im deutschen Interesse ist, so eine Politik zu verfolgen.
Ohne die Bevölkerung mitzubringen ist es nicht machbar. Es ist ebenso nicht machbar, die Austeritätsprogramme in Spanien und Griechenland, Portugal und woanders durchzuführen, ohne die öffentliche Meinung in diesen Ländern. Die sind alle Demokratie, und wir müssen mit unseren Wählern arbeiten.
Wuttke: Kommen wir auf den zweiten Begriff, den man Angela Merkel gerade ans Revers heftet, nämlich Frau Bismarck. Was halten Sie von dieser Bezeichnung?
Torry: Lieber die eiserne Kanzlerin als Frau Bismarck. Also Bismarck war der erste Politiker seit Napoleon, der eben bereit war, die Grenzen Europas durch Macht zu verändern. Der war ein ganz anderer Politiker, ich würde keine Vergleiche mit Bismarck machen. Lieber nicht, also das sind alte Zeiten, die glücklicherweise vorbei sind.
Wuttke: Wir haben gerade schon über das Jahr 2005 gesprochen. In diesem Jahr haben Sie als Botschafter Ihrer Majestät in Deutschland gesagt, für die Lösung der Probleme in Deutschland mache es eigentlich keinen Unterschied, ob Gerhard Schröder oder Angela Merkel an der Macht sei. Sind Sie heute auch noch davon überzeugt, das allein ein starker Wille zählt?
Torry: Man muss etwas sagen. Kanzler Schröder war bereit, für sein Programm Agenda 2010 einzutreten. Es ist dank dieser Agenda, dass Deutschland ist in der Lage, wo es ist, dass die deutsche Wirtschaft ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder gewonnen hat, das hat Gerhard Schröder die Wahl gekostet, weil die Agenda ziemlich unpopulär war.
Ich glaube, um die Krise zu lösen, ist es durchaus möglich, dass Frau Merkel irgendwann etwas Ähnliches tun wird, um die deutsche Öffentlichkeit, um die deutsche öffentliche Meinung zu überzeugen. Es kann wohl sein, dass mit der Zeit die deutsche Regierung sich in einer ähnlichen Situation finden wird, und ich hoffe, dass diese Regierung die gleiche Kraft und Entscheidungswillen hat, so eine möglicherweise unpopuläre Politik durchzuführen und den Euro zu retten.
Wuttke: Im Interview der Ortszeit von Deutschlandradio Kultur Sir Peter Torry, der ehemalige britische Botschafter in Deutschland. Sir Peter, besten Dank und schönen Tag!
Torry: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.