Sicherheitspolitik

Braml: USA sind nicht mehr Weltpolizist

Flagge der USA
Welche Rolle sollten die USA in der künftigen Weltpolitik haben? © picture alliance / dpa / Igor Zehl
Josef Braml im Gespräch mit Nana Brink · 17.06.2014
Der Politologe Josef Braml sieht die EU stärker in der Pflicht, in Europa zukünftig mehr Verantwortung für die Sicherheit übernehmen zu müssen. Von den USA könne nicht mehr allzu viel erwartet werden, sagte der USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
Nana Brink: Seit gestern weilt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in den USA, wo sie heute bei den Vereinten Nationen in New York vor allem über mögliche deutsche Beteiligung an internationalen Militäreinsätzen sprechen wird und vor allem auch danach gefragt wird. Bundespräsident Joachim Gauck hat sich ja im Deutschlandradio am letzten Wochenende zu einer deutschen Linie geäußert, die auch von der Leyen schon angedeutet hat.
O-Ton Joachim Gauck: Es gab früher eine gut begründete Zurückhaltung der Deutschen, international sich entsprechend der Größe oder wirtschaftlichen Bedeutung Deutschlands einzulassen. Das kann ich verstehen. Aber heute ist Deutschland eine solide und verlässliche Demokratie und ein Rechtsstaat, es steht an der Seite der Unterdrückten, es kämpft für Menschenrechte.
Und in diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen ist es manchmal erforderlich, auch zu den Waffen zu greifen. So wie wir eine Polizei haben und nicht nur Richter und Lehrer, so brauchen wir international auch Kräfte, die Verbrechern oder Despoten, die gegen ihr eigenes Volk oder gegen ein anderes mörderisch vorgehen, zu stoppen.
Brink: Und ob die USA jetzt mehr von Deutschland erwarten oder erwarten können, das kann Josef Braml beantworten, USA-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Einen schönen guten Morgen!
Josef Braml: Guten Morgen, Frau Brink!
"Ich meine, dass militärische Lösungen als Ultima Ratio dienen"
Brink: Heißt das, dass die Deutschen jetzt aus Sicht der USA ihre Zurückhaltung aufgeben?
Braml: Ich meine, dass militärische Lösungen als Ultima Ratio dienen, das soll eigentlich evident sein. Ich glaube, da hat Herr Gauck das Offensichtliche gesagt, sonst müssen wir uns eigentlich keine solche Bundeswehr leisten.
Dass wir jetzt von den Amerikanern stärker in die Pflicht genommen werden, das sehe ich nicht, zumal Amerika sich selbst auch hier rauszieht aus vielen Bereichen, seiner Verantwortung nicht gerecht wird. Ob wir jetzt dann die Verantwortung der USA übernehmen können, das wage ich zu bezweifeln.
Brink: Baut man denn nun auf die Deutschen in Sachen internationale militärische Interventionen? Können wir das an ein paar Beispielen vielleicht klar machen? Nehmen wir mal den Konflikt, über den ja jetzt gerade viele reden, im Irak!
Braml: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Deutschen hier in diesen Konflikt hineingehen werden, zumal sich die Amerikaner auch schwer tun, das selbst zu tun. Obama hat jetzt ja einige Soldaten hingeschickt, um hier die eigene Botschaft zu sichern. Er wird sich aber davor hüten, hier noch einmal wirklich militärische Stiefel vor Ort zu platzieren. Er hat seine Soldaten heim beordert aus guten innenpolitischen Gründen, und ich denke, wer unsere Innenpolitik betrachtet, wird auch nichts anderes erwarten können.
Brink: Was also wird dann Gesprächsthema sein, wenn die Verteidigungsministerin jetzt bei den Vereinten Nationen ist, über was wird gesprochen?
Braml: Bei den Vereinten Nationen wird es sicher um Blauhelmeinsätze gehen und vielleicht kann man sich auch darauf einigen, dass die EU als Ganzes mehr Verantwortung übernehmen kann. Man spricht ja hier viel von Pooling und Sharing und auch davon, dass man jetzt hier ja intelligenter seine Mittel einsetzt. Das wären jetzt gute Gelegenheiten, hier vielleicht die eine oder andere Fähigkeitslücke auszugleichen. Das wird übrigens auch ein Thema sein, das dann beim nächsten NATO-Gipfel in Wales zu behandeln sein wird.
Brink: Der ist ja Anfang September. Was ist denn so eine Fähigkeitslücke, können Sie das genauer benennen? Was würde man da an die Deutschen richten, welche Erwartung?
Braml: Es geht vor allem wieder ums Geld, diese Mittel kosten ja auch sehr viel Geld. Und wenn die Amerikaner zwei Drittel des NATO-Budgets schultern, das wird auf Dauer nicht so bleiben können, wenn ich mir die Debatte im Kongress ansehe und die miserable Lage im Lande. Die USA haben große Probleme und auch große Probleme, ihrer Bevölkerung zu vermitteln, dass man sehr viel Geld im Ausland ausgibt.
Das heißt, die Europäer werden jetzt wirklich in die Pflicht genommen. Man wirft ja den Europäern vor, dass sie Trittbrett fahren und die Sicherheit, die Amerika gewährleistet, zum Nulltarif nutzen. Hier werden wir vor allem im Hinblick auf die Ukraine gefordert sein, wir dürfen nicht allzu viel von den USA erwarten.
"Wer sich die Entwicklungen im Irak ansieht, sollte gewarnt sein"
Brink: Das ist ja nun ein bekannter Vorwurf, dieses Trittbrettfahren, also ihr kauft euch Sicherheit ein. Anfang September tagt die NATO in Wales, Sie haben es erwähnt, und da wird die Krise in der Ukraine im Vordergrund stehen. Die USA drängen ja die Europäer, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Das ist aus deutscher Sicht aber eher unwahrscheinlich.
Braml: Ja, das eine ist das Drängen der USA, das zu tun, das andere ist das Hoffen Europas, dass Amerika wieder die Kohlen aus dem Feuer holt. Letzteres wird nicht passieren, das heißt, wir müssen uns Gedanken machen, ob wir die Sicherheit Europas gewährleisten wollen, ob wir das wollen oder nicht. Das heißt, die USA werden uns einfach dazu drängen, indem sie selber sich vornehm zurückhalten.
Brink: Das haben sie auch in Afghanistan überraschenderweise, die Ausbildungsmission geht ja 2014 zu Ende, und sie haben auch schon angekündigt, dass sie da nicht bereit sind, bis auf ein kleines Ausbildungskontingent mehr dort hinzuschicken. Was bedeutet das unter anderem auch für Deutschland oder die Bundeswehr?
Braml: Das hat sehr viele kalt erwischt, man hat nicht damit gerechnet, dass das so schnell sein würde. Wir müssen jetzt schauen, dass wir uns bündnissolidarisch so schnell herausziehen aus dem Land, wie das die USA machen, sonst haben wir hier große Probleme und die Fähigkeitslücke würde zutage treten, auch indem wir unsere Truppen nicht mehr schützen können.
Brink: Also, werden dann die USA Afghanistan vollends den Rücken kehren und damit auch die Deutschen?
Braml: Wer sich die Entwicklungen im Irak ansieht, sollte gewarnt sein, dass auch in Afghanistan Ähnliches passieren könnte. Vielleicht kann sich die eine oder andere Situation im Irak dann doch noch auf die Lage in Afghanistan auswirken. Hier ist vielleicht noch nicht das letzte Wort gesprochen.
Brink: Sie haben es auch immer wieder erwähnt, die USA pochen ja darauf, weiter die Rolle des Weltpolizisten zu spielen, wenn auch anders. Wird das aufrechtzuerhalten sein?
Braml: Der Anspruch ist nach wie vor gegeben, dass man die Welt nach seinen Interessen und Werten ordnet. Nur, die innenpolitische Lage ist derart problematisch, dass man das nicht mehr leisten können wird.
Wir sollten uns darauf einstellen, dass Amerika nicht mehr dieser Weltpolizist sein kann, sondern im Gegenteil sehr viele Lasten auf uns abwälzen wird. Das ist im wirtschaftlichen Bereich der Fall, vor allem aber auch im militärischen Bereich.
Brink: Josef Braml arbeitet für die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. Schönen Dank, Herr Braml, für Ihre Einschätzung!
Braml: Ich danke Ihnen, Frau Brink!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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